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Recht

27.08.2019

Schlaglöcher: Gemeinden werden immer öfter geklagt

Eine Moutainbikerin stürzt auf einer Gemeindestraße und bricht sich die Hand. Nun möchte sie Schadenersatz. Die Gemeinde sieht bei sich jedoch kein Verschulden. Fälle wie jener scheinen in den letzten Jahren zuzunehmen. Doch wie können sich Gemeinden schützen?

Österreichs Gemeinden und Städte verwalten 88.700 Kilometer Gemeindestraßen, 43.000 Kilometer Güterwege, 13.700 Kilometer an Radwegen und eine nicht näher definierte Zahl an Wanderwegen. Dieses weite Streckennetz stellt sich immer öfter als Haftungsfalle für die Gemeinden heraus. In Abtenau verklagt beispielsweise eine Mountainbikerin die Gemeinde, weil sie bei einem Schlagloch gestürzt ist und sich die Hand gebrochen hat.

Nach Sturz Schadenersatz gefordert

Die Frau ist im Juni 2017 durch eine abschüssige Gemeindestraße durch einen Wald mit Licht-Schattenwechsel im Gemeindegebiet der Salzburger Gemeinde Abtenau gefahren und zu Sturz gekommen. Dabei hat sie sich die Hand gebrochen und klagte daraufhin die Gemeinde auf Schadenersatz. Der Anwalt der Moutainbikerin argumentiert gegenüber dem Kurier, dass es sich um ein großes Schlagloch gehandelt habe, das seit Wochen bekannt gewesen sein.

Anderer Auffassung ist man in der Gemeinde. „Wir sind hier wirklich vorbildlich aufgestellt. Bei uns werden Beschwerden dokumentiert und umgehend gehandelt. Wir haben sogar einen Mitarbeiter, der unser über 100 Kilometer langes Straßennetz regelmäßig überprüft und bei Schäden handelt. Es hat vor diesem Fall nicht eine Beschwerde zu dieser Straße gegeben“, sagt Abtenaus Bürgermeister LAbg. Johann Schnitzhofer. Und auch nachher habe er per Zufall von dem Unfall erfahren und daraufhin sofort gehandelt und das Schlagloch beseitigen lassen. Er spricht auch nicht von einem großen Schlagloch: „Das Scherloch hatte einen Durchmesser von ungefähr vier Zentimetern.“

„Wenn wir da schuldig gesprochen werden, müssen sich die Gemeinden was überlegen“

Nach einem langen Verfahren entschied das Bezirksgericht Hallein, die Klage in der ersten Instanz abzuweisen und folgte damit der Argumentation der Gemeinde. Damit wollte sich die Klägerin aber nicht zufrieden geben und legte Berufung ein. Der Berufungssenat am Landesgericht Salzburg hob das Urteil auf und verwies es zur weiteren Beweisaufnahme zurück ans Bezirksgericht. Dabei wird die Frage der Größe des Schlaglochs und wann es bekannt wurde noch einmal tiefgehend geprüft.

Bürgermeister Schnitzhofer bleibt vorerst gelassen: „Vor einer neuerlichen Überprüfung fürchten wir uns nicht. Sollten wir aber in dem Fall schuldig gesprochen werden, dann müssten sich die Gemeinden wirklich was überlegen.“ Der Präsident des Salzburger Gemeindeverbandes Günther Mitterer appelliert an die Menschen: „Es ist tragisch genug, wenn etwas passiert. Ohne den Fall genau zu kennen, ein bisschen Eigenverantwortung müssen auch die Sportler tragen.“

Gerade mit dem Ausbau der Radverkehrs und dem Trendsport Mountainbiken haben die Unfälle in diesem Bereich stark zugenommen. Laut dem Kuratorium für alpine Sicherheit gab es im Sommer 2018 bereits 510 Mountainbike-Verletzte. Das zehnjährige Mittel liegt dagegen bei 359 Verletzten pro Sommer.

Das Wichtigste ist die Dokumentation

Fälle, wie jenen in Salzburg, sind in ganz Österreich zu finden. Doch was können Gemeinden tun, um sich vor solchen Klagen zu schützen? Dr. Martin Huber hat sich die Rechtslage genauer angesehen und gibt Tipps für die Praxis.

Die zentrale Rechtsvorschrift bei Haftungen, die in Zusammenhang mit dem Zustand eines Weges stehen, ist § 1319a des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. Zu Wegen zählen nicht nur Straßen und Fußwege, sondern auch alle dazu gehörigen Einrichtungen wie Brücken, Geländer, Stützmauern und vieles andere mehr. Vereinfacht zusammengefasst haftet der Wegehalter – dies ist im Regelfall derjenige, der die Kosten für die Errichtung und Erhaltung des Weges trägt – für Unfälle, die durch einen mangelhaften Zustand des Weges verursacht wurden und von ihm oder einem seiner Leute vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet worden sind.

Die Rechtsprechung dazu ist sehr umfangreich, fast jedes Jahr kommen neue höchstgerichtliche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (OGH) dazu. Grobe Fahrlässigkeit hat der OGH zum Beispiel angenommen, wenn der Schaden an einem stark frequentierten Gehsteig im Ortskern über Monate nicht behoben wird, eine abhanden gekommene Stopptafel nicht ersetzt wird oder ein Mitarbeiter der Straßenverwaltung trotz Minusgraden eine Straßenwaschung durchführt. Bei der Frage, wie „grob“ das Verschulden anzusehen ist, stellt der OGH auch auf die Größe der Gemeinde ab: kleinen Gemeinden mit einem kleinen Personalstand ist ein geringerer Betreuungsaufwand zumutbar, als großen Gemeinden mit einer höheren Personal- und Sachausstattung. Je nach Art des Weges (z.B. bei Mautstraßen) kann es aber auch möglich sein, dass den Wegehalter die Haftung auch für leichte Fahrlässigkeit trifft. Ratschläge, wie sich die Gemeinden für derartigen Haftungen schützen können, gibt es viele – auch auf Kommunalnet: in einem Artikel aus dem Jahr 2016 wurden elf Tipps veröffentlicht, die auch heute noch Gültigkeit haben.

  1. Achten Sie darauf, dass die Straßen mit den entsprechenden Verkehrseinrichtungen – dazu zählen auch die erforderlichen Verkehrszeichen – versehen sind; bei Beschädigung, Funktionsuntauglichkeit oder Verlust sollten diese umgehend in Stand gesetzt bzw. ersetzt werden.
  2. Treffen Sie bei der Straßensanierung nachvollziehbare Prioritäten (nach der Art des Weges bzw. der Straße, dem Ausmaß des Schadens, dem Verkehrsbedürfnis, der Gefährdungslage für die Verkehrsteilnehmer etc.) und dokumentieren Sie diese Entscheidung; keine Gemeinde kann – gerade nach den Frostaufbrüchen im Frühjahr – alle Schäden gleichzeitig beheben.
  3. Ist eine Sanierung nicht unmittelbar möglich, treffen Sie geeignete Maßnahmen um die Verkehrsteilnehmer auf die Gefahrenquelle hinzuweisen bzw. das Unfallrisiko zu beschränken.
  4. Das Erfordernis der regelmäßigen Kontrolle ist bei allen öffentlichen Straßen/Wegen gegeben: Wie umfangreich und wie oft diese stattfinden muss, richtet sich nach der Art der Straße/des Weges, der Verkehrs- bzw. Nutzungsfrequenz uvm.
  5. Vergewissern Sie sich besonders vor der Freigabe der Straße nach Bauarbeiten, dass eine gefahrlose Benützung für den Verkehr sichergestellt ist (unter anderem betreffend Niveauunterschiede, Kanaldeckel etc.)
  6. Beachten Sie, dass die Sorgfaltspflichten des Straßenerhalters nicht nur die Straßendecke, sondern auch dazugehörige Einrichtungen wie Geländer, Stützmauern, Leitplanken etc. umfassen.
  7. Wenn Sie Dritte mit Sanierungsmaßnahmen der Asphaltdecke, der Schaffung von Verkehrseinrichtungen etc. beauftragt haben, kontrollieren Sie im notwendigen Rahmen die ordnungsgemäße Durchführung.
  8. Gehen Sie Hinweisen der Verkehrsteilnehmer zu allfälligen Gefahrenquellen unverzüglich nach.
  9. Sorgen Sie nicht nur für eine ausreichende Deckung durch die Haftpflichtversicherung, sondern geben Sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch die Möglichkeit, sich in Fragen der Straßenerhaltung regelmäßig fortzubilden.
  10. Beachten Sie, dass (v.a. im Frühjahr) nicht rechtzeitig geräumter Splitt auf der Verkehrsfläche ebenfalls eine beträchtliche Gefahrenquelle für die Verkehrsteilnehmer darstellt.
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