„Der Reformwille in den Gemeinden ist groß. Das zeigen die zahlreichen Rückmeldungen aus den Gemeinden„, betont Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. Doppelt so viele Rückmeldungen wie beim letzten Aufruf im Jahr 2014 sind im Postfach des Gemeindebundes eingetrudelt. Diese wurden gesammelt und thematisch ausgewertet.
Große Wahlreform gefordert
Die meisten Rückmeldungen aus den Gemeinden kamen zum Thema Wahlen. Während die „kleine“ Wahlreform zwar einige Klarstellungen und Verbesserungen sowie die Einführung des zentralen Wählerregisters gebracht hat, wurde die „große“ Wahlreform aufgrund der vorgezogenen Nationalratswahl aufgeschoben. Der Bedarf ist jedoch da. Das zeigen die Rückmeldungen deutlich.
Die Wahlabwicklung wird für die Gemeinden aufgrund der unterschiedlichen Wahlrechte auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene immer komplexer. Die Folge ist, dass immer öfter teure Seminare besucht werden müssen, um eine korrekte Abwicklung zu gewährleisten. Ein Tenor daher: Die Briefwahl zu vereinfachen. Das würde auch für den Bürger mehr Klarheit bringen. Relativ groß ist der Aufwand auch beim Führen der Niederschriften, der Bestimmung der Gültigkeit und Ungültigkeit von Stimmen und der besonderen Wahlbehörden.
Die Papierberge beim Sammeln der Unterstützungserklärungen würden sich aus Sicht einer oberösterreichischen Gemeinde durch den Einsatz von Grafik-Tablets deutlich reduzieren lassen.
Ein generelles Problem ist die verpflichtende Auflage der Wählerverzeichnisse. Eine Umfrage des Gemeindebundes im Herbst 2017 zeigte: In 91 Prozent der Gemeinden machte bei der Nationalratswahl 2017 kein Bürger den Gebrauch von seinem Recht, in das Wählerverzeichnis Einsicht zu nehmen. In den restlichen neun Prozent der Gemeinden wurde in 89 Prozent der Fälle nur ein bis fünf Mal Einsicht genommen, in neun Prozent sechs bis zehn Mal und in nur zwei Prozent mehr als zehn Mal. Die Rückmeldungen zeigen auch, dass die Auflage der Wählerverzeichnisse an Samstagen nur wenig genutzt wird, aber sehr viel kostet. Gerade die Unterschrift per Handy-Signatur hat noch mehr zeitliche Flexibilität gebracht, sodass man an dieser Stelle einsparen könnte.
Bestehende Register für weniger Meldepflichten nutzen
Die schon bestehenden zentralen Register sollte man besser für die diversen Meldepflichten nutzen. Viele Formulare ließen sich außerdem durch den Abgleich mit den Registern schon vorausfüllen. So wäre beispielsweise der Heizkostenzuschuss, der Wohnungszuschuss aus dem Zentralem Melderegister (ZMR) ausfüllbar. Ähnliches ließe sich beim Adress-, Wohnungs- und Gebäuderegister verwirklichen. Bei der Ermittlung der Schöffen könnte man das neu geschaffene zentrale Wählerregister direkt vom Ministerium aus nutzen. Die Verknüpfung von Grundbuch und ZMR würde zudem eine bessere Aktualität der Daten bringen.
Finanzen ins moderne Zeitalter holen
Neben der generellen Klage über den hohen Umstellungsaufwand in der neuen Voranschlags- und Rechnungsverordnung, werden auch viele Vorschläge in anderen Bereichen gemacht. So wird angeregt, das aufwändig zu vollziehende Gebührengesetz 1957 radikal zu vereinfachen, das Umsatzsteuergesetz grundlegend zu überarbeiten und Ausnahmetatbestände abzuschaffen, die wasser- und kanalrechtlichen Bestimmungen anzugleichen, oder auch den Pachtschilling bei der jeweiligen Jagdgenossenschaft zu belassen und beispielsweise für Infrastrukturprojekte zweckzubinden.
Um das Ungleichgewicht zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen zu reduzieren, wurde auch eine Teilung der Kommunalsteuereinnahmen angeregt. Diese sollten zwischen Arbeitnehmerwohnsitzgemeinde und Arbeitsstättensitzgemeinde gesplittet werden. Ein Thema, das die neue Regierung ebenso rasch angehen sollte, ist, die lange versprochene Grundsteuerreform endlich umzusetzen.
Breitbandmilliarde: Derzeit muss man getrennt um Zuschüsse ansuchen
Aus einer Tiroler Gemeinde kommt die Anregung, eine Stelle für die Förderabwicklung im Breitbandausbau zu schaffen. Derzeit müssen Gemeinden bei Land und Bund gesondert ansuchen, um die Zuschüsse zu bekommen. Auch der unverhältnismäßig hohe Aufwand für die Antragstellung wird ein weiteres Mal kritisiert. Der Vorschlag für eine einfachere Abwicklung lautet: Die Breitbandmilliarde sollte über die Länder abgewickelt werden. Damit bräuchte es keine doppelten Prüfungen, Aktenablagen, Dokumentationen, Überweisungen, Evidenzhaftungen und so weiter.
Aber nicht nur bei der Breitbandmilliarde müssen sich Gemeinden oft überlegen, ob sich der Aufwand für die Beantragung am Ende überhaupt lohnt. So schrieb eine niederösterreichische Gemeinde, dass selbst für den Ankauf eines E-Rollers für den Bauhof ein Gutachten über die CO2-Einsparung von einem externen Berater eingeholt werden musste. Die Förderung betrug 300 Euro, die komplette Administration hat in diesem Fall ein Vielfaches der Fördersumme verschlungen. Hier sollten in erster Linie bei Bundesförderungen die Relationen wiederhergestellt werden.
Weniger Wege bei Grundstücksänderungen
Möglichkeiten der bürokratischen Entstrickung werden auch in der Abwicklung von Grundstücksänderungen gesehen. Der bisherige Weg vom Planungsbüro zur Gemeinde, zum Bundesamt für Eich- und Vermesseungswesen (BEV), zurück zum Planungsbüro, zur Gemeinde und abschließend zum Grundbuchsgericht könnte aus Sicht einer niederösterreichischen Gemeinde auch direkter abgewickelt werden: Planungsbüro – Gemeinde – BEV – direkte Meldung ans Grundbuchsgericht.
Leermeldungen im Sinne des Medientransparenzgesetzes endlich abschaffen
Der mit Abstand am öftesten vorgebrachte Vorschlag sind die quartalsmäßigen Leermeldungen im Sinne des Medientransparenzgesetzes. Hier wäre eine baldige Evaluation und Verbesserung angebracht. Anregungen aus den Gemeinden lauten etwa, Gemeinden mit unter 3.000 Einwohnern auszunehmen, da es diesen Gemeinden gar nicht erlaubt ist, Förderungen über 5.000 Euro pro Quartal an einen Medieninhaber zu übergeben. Ein weiterer Vorschlag ist, eine grundsätzliche Leermeldung abzugeben. Ein Lösungsvorschlag lautet auch, das System derart umzustellen, dass nur jene, die Förderungen über 5.000 Euro vergeben, melden müssen und die anderen einfach als Leermeldungen gelten.
Generell bemängelt wurde, dass es immer mehr Meldepflichten und Statistiken gibt. Genannt wurden beispielsweise die vierteljährlichen Stabilitätspaktstatistiken, die Bekanntgabe von Erntehelfern für die Statistik Austria, und die neuen Dokumentationspflichten im Sinne der Datenschutzgrundverordnung.
Kundmachung an der Amtstafel noch zeitgemäß?
Kritisch hinterfragt wird von einer oberösterreichischen Gemeinde, ob im Zeitalter des Internets und der schnellen Verbreitung von Informationen die Kundmachung an der Ortstafel noch zeitgemäß ist. Wie oft pilgern die Bürger zur Gemeinde, um sich hier zu informieren?
Klarheit ließe sich auch in die Berechnungsmethoden für Dichte, Bruttogeschoßfläche, das Gebäude- und Wohnungsregister, bei Wasseranschlüssen, bei Kanalisationsbeiträgen oder der Bauabgabe bringen, da hier derzeit unterschiedliche Berechnungsmethoden angewandt werden.
Schwierigkeiten werden auch bei der Suche nach Betriebsärzten gemeldet. Die größte Hürde für Ärztinnen und Ärzte, diese Aufgabe zu ergreifen, ist offenbar ein eigenes EDV-Programm. Ein Problem, das sich vielleicht einfach lösen ließe, meint eine oberösterreichische Gemeinde.
Formulare zentral zugänglich machen
Neue Rechtslagen fördern meist auch die Produktion von neuen Formularen. Es gibt sie für jeden Teilbereich, doch gerade wenn man sie braucht, sind sie nicht immer einfach aufzuspüren. Diese sollten zentral und gut strukturiert bereitgestellt werden und mit vorhandenen Daten verknüpft werden, um das mehrfachte Ausfüllen von gleichen Informationen zu verhindern.
Wasserzähler: Eichfrist verlängern
Sie funktionieren länger, müssen aber dennoch alle fünf Jahre ausgetauscht werden – Österreichs Wasserzähler. Dieser Umstand sorgt nicht nur für unnötigen Arbeitsaufwand, sondern auch für Geldverschwendung. Daher die Anregung: Entweder die Frist oder die garantierte Funktionsfähigkeit der Zähler verlängern.
Standesbeamtenausbildung reformieren
Der Beruf des Standesbeamten ist immer noch sehr hoch angesehen. Dennoch gibt es auch hier Vorschläge: Zum einen sollte die absolvierte Ausbildung für ganz Österreich gültig sein, um bessere Vertretungsmöglichkeiten zu schaffen, zum anderen sollte es einen vereinfachten Kurs für jene Personen geben, die nur Trauungen durchführen.
Riedl: „Reformen jetzt angehen“
„Ich danke allen Gemeinden, die sich hier Gedanken gemacht haben, wie man Österreich wieder effizienter machen kann“, sagt der Gemeindebund-Präsident, „da sind viele Vorschläge dabei, die man einfach umsetzen kann. Der Zeitpunkt ist nun günstig, um auch die grundlegenderen Reformen endlich anzugehen. Am Ende kann man hier sogar noch Einsparungseffekte erzielen und den Gemeindebediensteten wieder mehr Spielraum für den Dienst am Bürger verschaffen.“