Im „Forum 1“ der Kommunalen Sommergespräche 2019 wurden die Herausforderungen der Infrastruktur anhand internationaler Projekte und deren Umsetzung in österreichischen Regionen diskutiert. Die Teilnehmer bekräftigten die Notwendigkeit, Maßnahmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes umgehend zu ergreifen.
Arbeitsplätze, Facharbeiter und die Ansiedlung von Familien stärken nicht nur die Standortgemeinde, sondern immer auch die Region als Ganzes, waren sich die Experten dieser hochkarätigen Runde einig. Darüber hinaus stiftet die Belebung bzw. Wiederbelebung ländlicher Dörfer und Kleinstädte nicht nur Nutzen für die betreffende Region, sondern nimmt letztendlich auch den Druck aus den städtischen Ballungsräumen.
Smarte Infrastrukturlösungen am Land
„Es geht darum, die zentralen Probleme in den ländlichen Räumen zu lösen, wie die Abwanderung, die demografische Entwicklung, die Überalterung und den Brain Drain. Es ist keinesfalls so, dass die Menschen den ländlichen Raum verlassen wollen, wohnen doch über 50 Prozent der Österreicher im ländlichen Raum“, bestätigt Prof. Dr. Gerald Mathis, Leiter des Instituts für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung (ISK). „Neueste Studien des Zukunftsinstituts in Deutschland zeigen, dass 45 Prozent der Menschen, wenn sie wollten, wie sie könnten, gerne am Land leben, 33 Prozent in einer ländlichen Stadt und nur noch 21 Prozent in großen Städten. Das zeigt also, dass die Menschen gezwungen werden, den ländlichen Raum zu verlassen und zwar deswegen, weil sie im ländlichen Raum keine Arbeit finden. Basisinfrastruktur für den ländlichen Raum ist der Arbeitsplatz, also die Grundlage der Daseinsvorsorge. Ein paar smarte Infrastrukturlösungen zu implementieren, wäre nicht genug und wir sollten aufpassen, dass wir das Pferd nicht von der falschen Seite aufzäumen.“
Mobilität und Erreichbarkeit
Neben der Schaffung von produktiven Beschäftigungsmöglichkeiten ist Mobilität eines der wesentlichen Assets der modernen Gesellschaft. Brain-Drain und Fachkräftemangel treffen periphere Regionen besonders. „Allein in der Industrie fehlen derzeit 60.000 Mitarbeiter und 10.500 Stellen können nicht besetzt werden“, beklagt der Präsident der Industriellenvereinigung Mag. Georg Kapsch, der als CEO der Kapsch Group aus der Mobilitätsbranche kommt.
„Die Städte saugen die Menschen an, sicherlich durch das Einkommensgefälle zwischen Stadt und Land, wohl auch durch die Bildungsmöglichkeiten und die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Menschen sowie den zur Verfügung stehenden Arbeitsplätzen. Deshalb brauchen wir am Land Infrastruktur, wie den Ausbau der Informationsinfrastruktur, den ich als Befürworter des Breitbandausbaus, und besonders des Glasfaserausbaus, sehr unterstütze. Wir können jeden Ausbau des 5G- Netzes vergessen, wenn wir keine Basis-Infrastruktur im Glasfaserbereich haben“, so Kapsch.
„Und auf der anderen Seite, den Ausbau der Transportinfrastruktur, wo es um Verkehrswege, aber auch um Logisitk-Hubs geht. Denn dort, wo sich Logistik-Hubs befinden, siedelt sich auch die Industrie an.“ Mehr als 50 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung wird auf weniger als acht Prozent des Siedlungsraumes erzielt. „Das ist noch nicht dramatisch, aber es stellt sich wohl die Frage, wie das Land insgesamt organisiert ist“, betont der Industrievertreter und Mobilitäts-Unternehmer Kapsch.
Finanzierung und Öffentlicher Nahverkehr
Breitband-Durchdringung als Chance
Der Digitale Wandel bietet für den ländlichen Raum auch Chancen, die es zu nutzen gilt. Die Bruttowertschöpfung im Dienstleistungsbereich beträgt inzwischen im Rahmen der EU-27 über 70 Prozent. Nach Angaben der Weltbank führt ein Anstieg der Breitband-Durchdringung von zehn Prozent zu einer Erhöhung des BIP um 1,2 Prozent. Regionen mit lediglich durchschnittlicher Internetversorgung werden in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein.
„Breitband wird zu einem zentralen Standortfaktor“, bekräftigte Filippo Addarii, CEO und Mitbegründer von PlusValue und Equity-Partner Impact Alliance Holding S.r.I., der aus London anreist und neben seiner internationalen Expertise Praxisbeispiele aus der Welt des PPP erläuterte. Wie das Krankenhausprojekt in Treviso, das größte Krankenhaus auf der grünen Wiese, das in Italien in jüngster Zeit entwickelt wurde. „Die soziale Infrastruktur ist in diesem Fall der Schlüssel zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Standortvergleich“, meinte der gebürtige Italiener. Die Gesundheitsbehörde von Treviso hat eine Ausschreibung für eine 21-jährige PPP-Konzession des Krankenhauses getätigt, mit einem Vertrag von über 250 Millionen Euro und 1.000 Betten und dem Ziel, der Schaffung eines Musterkrankenhauses im Dienste der Gesundheitsbedürfnisse der gesamten Bevölkerung der Region.
Mängel im Personennahverkehr
„Der öffentliche Personennahverkehr muss ausgebaut werden, da 20 Prozent der Bevölkerung, durch die bestehende Infrastruktur nicht ausreichend versorgt ist.“ Laut Studie wären sogar 37 Prozent der Bevölkerung bereit, 75 Minuten zum Pendeln zur Arbeit in Kauf zu nehmen. Das Problem ist, das Fehlen der öffentlichen Verkehrsanbindung bzw. der Fokus auf dem Individualverkehr.
„Wir wollen nicht andere Systeme durch Magnetbahnen ersetzen, sondern es geht uns darum, die bestehende Situation zu verbessern und die bestehenden Systeme zu ergänzen“, erklärte Bert Zamzow, Bereichsleiter Magnetbahn, der Max Bögl Group, einem führenden Baukonzern in Deutschland. „Infrastruktur, die können wir, wir machen aber auch Fahrzeuge, die auf diese Infrastruktur zugeschnitten sind, um effizienter zu arbeiten, samt der Leittechnik. Damit bieten wir die komplette Technologie an, ergänzend dazu auch die Planungstools sowie die Ausführung“, erklärte der Experte die Vorteile innovativer Verkehrsinfrastruktur anhand spurgebundener Transportsysteme.
– DR. MARIE-THERES EHRENDORFF, CHEFREDAKTEURIN „WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN“
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