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Recht

17.06.2020

Eisenbahnkreuzungen: Kostentragung gegen Parteistellung

Jahrelang hat der Verwaltungsgerichtshof den Gemeinden die Parteistellung im Sicherungsverfahren bei Eisenbahnkreuzungen verwehrt. Nunmehr hat der Verfassungsgerichtshof ein Machtwort gesprochen und dem Verwaltungsgerichtshof widersprochen. Neben dieser erfreulichen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gibt es aber auch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die für Kopfschütteln sorgt.

Hüter der Verfassung und der verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte ist der Verfassungsgerichtshof. Seit vielen Jahren sind Gemeinden überzeugt davon, dass ihnen im Verfahren über die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen Parteistellung eingeräumt werden müsste – letztlich sind Gemeinden laut Eisenbahngesetz als Träger der Straßenbaulast verpflichtet, einen Teil der Kosten der im Sicherungsverfahren angeordneten Maßnahmen zu tragen.

Zahlen ja, Mitreden nein?

Zahlreiche Gemeinden hatten in der Vergangenheit versucht, die Parteistellung durchzusetzen, sind aber beim Verwaltungsgerichtshof gescheitert, der eine Parteistellung verneinte und in dieser Sache auf seine „gefestigte Rechtsprechung“ verwies. Eine nachvollziehbare Begründung suchte man bisher vergeblich.

Im Juli 2019 hat schlussendlich ein Richter des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich die fehlende Parteistellung der Gemeinden im Sicherungsverfahren zum Anlass genommen, einen Antrag auf Aufhebung der Kostentragungsbestimmungen im Eisenbahngesetz einzubringen.

Gemeinden bekommen recht

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erblickte – auch vor dem Hintergrund, dass die Gemeinden als Träger der Straßenbaulast in dem Sicherungsverfahren, das dem Kostentragungsverfahren vorangestellt ist, keine Parteistellung haben – in den Kostentragungsbestimmungen sogleich einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren, einen Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und damit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und darüber hinaus einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes

Mit einer kaum zu überbietenden Deutlichkeit hat nun der Verfassungsgerichtshof dem Poker um die Frage der Parteistellung ein Ende gesetzt. Er anerkannte ausdrücklich die Bedenken, die der Richter aus Niederösterreich erhob, und pflichtete ihm darin bei, dass eine derartige Konstruktion, bei der Gemeinden Kosten tragen müssen (Kostentragungsverfahren), jedoch keinen Einfluss auf die Kosten haben (Sicherungsverfahren) verfassungswidrig wäre.

Da aber der Gesetzgeber grundsätzlich eine gemeinsame Kostentragung von Eisenbahnunternehmen und Träger der Straßenbaulast – also der Gemeinde – vorgesehen hat und der Verfassungsgerichtshof rechtsetzend tätig wäre, würde er die Kostentragungsbestimmungen aufheben. Dies hätte letztlich entgegen dem Ansinnen des Gesetzgebers zur Folge, dass die Eisenbahnunternehmen alles alleine zu tragen hätten. Also musste der Verfassungsgerichtshof einen anderen Weg als den der Aufhebung gehen.

Der Verfassungsgerichtshof hielt fest, dass zwar eine Parteistellung der Gemeinde dem Gesetz nicht unmittelbar zu entnehmen ist, man aber die Kostentragungsbestimmungen verfassungskonform in der Weise auslegen muss, dass den Gemeinden sehr wohl Parteistellung im Sicherungsverfahren zukommt!

Fehlende Parteistellung der Gemeinde widerrechtlich

Mit dieser Festlegung hat der Verfassungsgerichtshof den Verwaltungsgerichtshof – somit das eine Höchstgericht das andere Höchstgericht – in einer (fast) beispiellosen Art und Weise zurechtgewiesen: So formuliert der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung, dass das Fehlen der Parteistellung des Trägers der Straßenbaulast mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar ist.

Damit steht fest, dass Gemeinden im Verfahren über die Anordnung der Sicherung der Eisenbahnkreuzung Parteistellung haben. Das bedeutet, die Gemeinden haben nunmehr als Partei im Sicherungsverfahren die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen, sowie auf den Verfahrensausgang und auf die Bescheidformulierung. Sie können Akteneinsicht nehmen und gegen Sicherungsbescheide Beschwerde erheben. Letztlich können die Gemeinden auch Einfluss auf die Kostentragung nehmen.

Klarstellung kommt für viele Gemeinden zu spät

Für viele Gemeinden folgt jedoch diese Klar- bzw. Richtigstellung zu spät. Eine Unzahl an Sicherungsverfahren ist bereits abgeschlossen. In vielen Fällen ist auch das im Anschluss an Sicherungsverfahren häufig (mangels Einigung) stattfindende Kostentragungsverfahren abgeschlossen oder noch im Gange.

Zwar hätten Gemeinden in diesen Fällen die Möglichkeit, binnen zwei Wochen ab Kenntnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs unter anderem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen. Damit würde im Falle der Bewilligung der Wiedereinsetzung das womöglich schon seit Jahren abgeschlossene Sicherungsverfahren in jene Lage zurücktreten, in der es sich vor Eintritt der „Versäumnis“, jedenfalls vor Ende der Beschwerdefrist gegen den Bescheid befunden hat.

Abgesehen vom Zeitdruck und dem Aufwand, der damit einhergeht – letztlich müsste sogleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag die „versäumte“ Handlung nachgeholt werden (etwa eine begründete Beschwerde gegen den Bescheid) -, müssten im Einzelfall die Erfolgsaussicht und der Nutzen einer Wiedereinsetzung gründlich geprüft werden.

Nächste Runde ist eingeläutet

Entscheidungen der Höchstgerichte sind zur Kenntnis zu nehmen – und damit auch die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die für Gemeinden wiederum einen Schlag ins Gesicht bedeutet. War mit der letzten Entscheidung aus dem Jahr 2019 an sich weitgehend Rechtssicherheit in der Frage gegeben, wann Gemeinden im Falle von Anordnungen an Eisenbahnkreuzungen Kosten zu tragen haben, so wurde mit dieser Entscheidung die nächste Runde in der Achterbahnfahrt eingeläutet.

An sich hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Jahr 2015 entschieden, dass die Kostentragungsregelungen nicht zum Tragen kommen, wenn die Behörde im Sicherungsverfahren entscheidet, dass die bisherige Sicherung von schienengleichen Eisenbahnübergängen beibehalten werden kann. Damals ging es unter anderem um eine Lichtzeichenanlage, die bereits infolge des Alters zu erneuern war.

Nachdem die Gemeinde hinsichtlich der bestehenden Sicherungsanlage nie Kosten getragen hat, wurde diese Kostentragungsregelung rechtskräftig. Die Gemeinde musste daher auch nicht im Falle einer Erneuerung Kosten tragen. Nachdem diese Entscheidung auf der Rechtsgrundlage vor der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 getroffen wurde, gab es jedoch noch offene Fragen.

Kehrtwende des Verwaltungsgerichtshofes

Im Mai 2019 stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass es sich um eine Änderung der Art der Sicherung handelt, wenn anstelle einer bisherigen Lichtzeichenanlage eine Schrankenanlage angeordnet wird. Daher seien alle Kosten in die Kostenteilungsmasse einzubeziehen. Tatsächlich sieht die Eisenbahnkreuzungsverordnung fünf verschiedene Arten von Sicherungen vor, wobei Lichtzeichenanlagen und „Lichtzeichenanlagen mit Schranken“ zwei unterschiedliche Sicherungsarten sind.

Im Juni 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof schließlich einerseits klargestellt, dass die Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 schlicht die fünf Sicherungsarten aus der alten Verordnung „mit begrifflichen Adaptierungen“ übernommen und in dieser Hinsicht keinen Einfluss auf die Kostentragung hat. Zum anderen hat er entschieden, dass es auf die Änderung der Art der Sicherung ankommt, ob die Kostentragungsbestimmungen zum Tragen kommen oder nicht.

Nunmehr hat der Verwaltungsgerichtshof aber eine Kehrtwende vollzogen, einer außerordentlichen Revision des Eisenbahnunternehmens stattgegeben und eine Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich aufgehoben, der auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entschieden hat, dass eine Gemeinde im Falle einer Erneuerung einer die technische Nutzungsdauer überschrittenen Sicherung nichts zu zahlen hat, wenn sie bislang nichts gezahlt hat.

Bei Erneuerung müssen Gemeinden zahlen

Jetzt verlautet der Verwaltungsgerichtshof, dass nicht die Sicherungsart ausschlaggebend ist, sondern die Frage, ob die Sicherungsanlage selbst beibehalten bzw. weiterbelassen werden kann. Sollte die Anlage aufgrund des Anlagenalters zu erneuern sein, kommen die Kostentragungsregelungen sehr wohl zum Tragen, selbst wenn die Art der Sicherung vergleichbar (im konkreten Fall sogar gleich) ist.

Kosten auf Gemeinden abgewälzt

Für viele Gemeinden, insbesondere jene, die ausgerechnet wegen der jahrelangen falschen Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofs mangels Parteistellung keinen Einfluss auf Sicherungsverfahren und vor allem auf den Verfahrensausgang nehmen konnten, bedeutet diese Entscheidung eine enorme Kostenbelastung.

Inhaltlich nachvollziehbar ist die Entscheidung sowieso nicht: Eine Gemeinde, die bislang für ein und dieselbe Sicherung(sart) nie Kosten getragen hat, soll nunmehr Kosten tragen, weil die bestehende Anlage aufgrund des Alters nicht beibehalten oder angepasst werden kann, oder anders ausgedrückt: weil es das Eisenbahnunternehmen in der Vergangenheit schlicht verabsäumt hat, rechtzeitig zu reinvestieren bzw. zu erneuern (in vielen Fällen sind technische Anlagen 30 oder 40 Jahre alt, die technische Nutzungsdauer längst abgelaufen).

Hoher Preis für Parteistellung

Die Gemeinde soll nunmehr Kosten tragen, obwohl sich an der für die Sicherungsentscheidung wesentlichen Sachlage bzw. den für die Sicherungsentscheidung relevanten örtlichen Verhältnissen (oder Verkehrserfordernissen) offenbar nichts geändert hat, widrigenfalls ja eine andere Art der Sicherung vorgeschrieben hätte werden müssen.

Kostentragungspflicht gegen Parteistellung? Der Verwaltungsgerichtshof hat den Preis für die Parteistellung jedenfalls hoch angesetzt.

– B. HAUBENBERGER

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