Die Wahlen zu Landtag und Gemeinderat von Wien sowie zu den
Bezirksvertretungen haben eindeutige Trends gezeicht: Die Wahlbeteiligung war unterdurchschnittlich, die Inanspruchnahme der Briefwahl mit über 40 Prozent
der Stimmen überdurchschnittlich.
Briefwahl gewinnt an Beliebtheit – Reform wäre nützlich
Die hohe Anzahl an Wahlkarten kann nicht mit dem Pandemiegeschehen allein erklärt werden. Denn in Wien hat sich ein Trend fortgesetzt, der zuletzt bereits bei der Nationalratswahl 2019 und bei den Gemeinderatswahlen 2020 in Niederösterreich und im Burgenland sowie in der Steiermark und Vorarlberg beobachtet werden konnte.
Angesichts dieser Entwicklung braucht es eine Reform des Wahlrechts, um zu ermöglichen, dass auch in Zukunft noch am Wahltag ein Wahlergebnis bereitgestellt werden kann.
Vorverlegung der Briefwahl bietet sich an
Langjährige Vorschläge des Österreichischen Gemeindebundes sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Vorverlegung des Zeitpunkts, ab dem Wahlvorschläge eingebracht werden können, um eine Woche. Damit könnte sichergestellt werden, dass die Wahlkarten so produziert und versendet oder ausgestellt werden, dass die Stimmabgabe rechtzeitig erfolgen kann, was insbesondere für Auslandsösterreicher von großer Bedeutung ist.
Weiters muss für den Bürger bei allen Wahlen die Möglichkeit geschaffen werden, die ausgefüllte Wahlkarte gleich nach der Beantragung – wenn die Wahlkarte selbst abgeholt wird – bei der zuständigen Behörde abzugeben. Dies ist jetzt bereits in Statutarstädten und bei Gemeinderatswahlen in einigen Bundesländern möglich. Sollte eine derartige sofortige Stimmabgabe ermöglicht werden, wäre auch die Idee von Vorwahltagen, die immer wieder aufkommt, den Wahlvorgang für die Gemeinden aber unnötig verkomplizieren würde, hinfällig. Die Wahlberechtigten hätten dann die Möglichkeit, entweder mit der Briefwahlkarte per Post oder direkt bei der Gemeinde zu wählen – und das während des gesamten Zeitraums, ab dem Wahlkarten ausgestellt werden.
Wahlergebnis bereits am Wahltag – alleinige Zuständigkeit der Gemeindewahlbehörde
Um ein Wahlergebnis bereits am Wahltag bereitstellen zu können, müsste ab Sonntagfrüh die Prüfung der Gültigkeit und die Sortierung der Wahlkarten durch die einberufene Wahlkommission erfolgen. Nach Aussonderung der ungültigen Wahlkarten müssten die gültigen Wahlkarten an die entsprechenden Sprengel verteilt werden und dort nach Schließung der Wahllokale gemeinsam mit den im Sprengel abgegebenen Wahlkuverts ausgezählt werden.
Diese Erleichterungen bei der Briefwahl, die zur Bereitstellung eines Wahlergebnisses bereits am Wahltag führen würden, finden sich auch im Regierungsprogramm der türkis-grünen Koalition und sollten möglichst rasch umgesetzt werden.
Keine Wahl in fremden Sprengeln
Die Möglichkeit für Wahlkartenwähler, bei Nationalratswahlen in fremden Sprengeln zu wählen, führt zum Fehlen eines Endergebnisses am Wahltag sowie dazu, dass auf Gemeindeebene keine exakten Sprengelergebnisse – der dort Wahlberechtigten – zustande kommen. Lösen könnte man dies, indem Wahlkartenwähler keine Möglichkeit mehr haben, am Wahltag in fremden Sprengeln zu wählen, sondern alle Wahlkarten im Vorfeld an die zuständige Gemeindewahlbehörde übermittelt werden müssen. Letztlich ist es dem mündigen Bürger zumutbar, rechtzeitig dafür Sorge zu tragen, dass er seine Stimme abgibt – entweder gleich nach Ausfolgung (Aushändigung) der Wahlkarte, per Briefwahl oder aber am Wahltag in seinem Sprengel.
Gemeindeübergreifende Wahllokale und Wahlsprengel
Eine umfassende Wahlrechtsänderung wird wohl einige Zeit in Anspruch nehmen. Aus der Sicht des Österreichischen Gemeindebundes müssten die nötigsten Korrekturen aber kurzfristig möglich sein. Der Gemeindebund hat daher den für Wahlen zuständigen Innenminister Karl Nehammer über eine Reihe derartiger kurzfristig möglicher Korrekturen informiert. Dazu zählt etwa die Möglichkeit, gemeindeübergreifende Wahllokale und Wahlsprengel einzurichten.
Denn bereits bei der Europawahl 2019 sind einige Wahllokale einer Gemeinde außerhalb des Gemeindegebietes gelegen. § 52 Abs. 1 Nationalrats-Wahlordnung normiert jedoch „jede Gemeinde“ als Wahlort. Gemeindeübergreifende Wahllokale und Wahlsprengel, die aus Sicht des Gemeindebundes jedenfalls sinnvoll und notwendig sind – etwa bei einer gemeinsamen Amtsleitung mehrerer Gemeinden – wären demnach derzeit gesetzeswidrig.
Die im Regierungsprogramm festgelegte Prüfung einer etwaigen flexibleren Regelung für gemeindeübergreifende Wahllokale und Wahlsprengel sollte daher rasch durchgeführt und die Änderung gesetzlich verankert werden. Als Vorbild könnte beispielsweise § 38 Abs. 1 Tiroler Landtagswahlordnung herangezogen werden, der seit einer Novelle im Jänner 2020 festlegt, dass bei Zweckmäßigkeit „im Einvernehmen mit deren Gemeindewahlbehörde auch Wahllokale in einer unmittelbar angrenzenden Gemeinde eingerichtet werden können“.
Wahlen im Jahr 2021: Oberösterreich und Kärnten
Die nächsten regulären Wahlen finden im Jahr 2021 in Oberösterreich und in Kärnten statt. In diesen beiden Bundesländern wurden kürzlich Änderungen auf den Weg gebracht, die mit den Forderungen des Gemeindebundes konform gehen und möglichst bald auch auf Bundesebene umgesetzt werden sollten.
Der oberösterreichische Landtag hat Mitte Oktober eine Resolution an den Bund verabschiedet, die etwa fordert, dass Wahlkarten auch bei Bundeswahlen bereits am Sonntag ausgezählt werden und nicht erst in den darauffolgenden Tagen von den Bezirkswahlbehörden.
Bei den Kärntner Gemeinderatswahlen im Februar 2021 wird den Wählern erstmals eine Möglichkeit gegeben, die bisher in Kärnten nur in den Statutarstädten Klagenfurt und Villach vorhanden war, nämlich jene, bei der Abholung ihrer Briefwahlkarte sofort im Gemeindeamt wählen zu können.
Wahlrechtsänderung würde allen Beteiligten nützen
Selbst geringe Gesetzesänderungen im Bereich des Wahlrechts könnten große Wirkung entfalten: Es sollten daher zunächst die vordringlichen Wahlrechtsänderungen in Angriff genommen werden. Dies brächte rasch Erleichterungen für die zuständigen Behörden und die beigezogenen Wahlhelfer, aber auch für die Wähler. Hernach sollte zügig eine große Wahlrechtsreform die letzten Schwerfälligkeiten und Unwägbarkeiten in unserem Wahlrechtssystem ausräumen. Die seitens des Gemeindebundes schon wiederholt vorgebrachten Reformvorschläge von der Auflage des Wählerverzeichnisses bis zu den Öffnungszeiten bei Volksbegehren bleiben davon natürlich unberührt und sollten dann mitbehandelt werden.
Wahlkarte adaptieren
Immer wieder ist festzustellen, dass eine nicht unbeträchtliche Zahl von Briefwahlkarten deswegen ungültig ist, weil sie nicht unterschrieben sind. Viele Bürger haben offenbar Bedenken, die Wahlkarte, die dann versendet wird und die von außen jedermann sehen kann, mit ihrer Unterschrift zu versehen. Eine Lösung wie in der NÖ Landtagswahlordnung mit einem Überkuvert, in das dann die Wahlkarte eingelegt wird, wäre zu überlegen.
-K. MANDL