Ausgehend von der derzeitigen Covid-19-Pandemie, der erneut ansteigenden Zahl an Neuinfektionen und den damit verbundenen Lockdown(s) hat die telemedizinische Betreuung von PatientInnen hierzulande erneut an Bedeutung gewonnen. Gerade in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen war und ist der physische Kontakt von Ärzten und Ärztinnen zu PatientInnen nur einschränkt möglich. Vor diesem Hintergrund und der wichtigen Rolle, welcher der telemedizinischen Betreuung auch in Zukunft zukommen wird, hat der erste Telemed Monitor Österreich der Donau-Universität Krems MedizinerInnen im niedergelassenen Bereich zu Potenzialen und Herausforderungen bei der telemedizinischen Betreuung befragt.[1]
In Krisenzeit kann die Telemedizin die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten unterstützen. Dabei ist aus Sicht der Medizinerinnen und Mediziner insbesondere der Systemerhalt von Bedeutung. Zudem kann das Infektionsrisiko unter anderem in Warteräumen minimiert und sowohl PatientInnen als auch ÄrztInnen geschützt werden.
Auf die Frage hin, welches Potenzial Ärzte und Ärztinnen in der telemedizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten in Krisenzeiten sehen antworten 61 Prozent der Befragten damit, dass sie sehr großes bis großes Potenzial in dieser Betreuungsform sehen (gegenüber 57 Prozent auch außerhalb der Krisenzeit). Dabei wird vor allem auf die Aktzeptanz von Patientinnen und Patienten für die telemedizinische Betreuung via Telefon verwiesen – 52 Prozent schätzen diese als sehr hoch und 32 Prozent als hoch ein. Demgegenüber findet die Akzeptanz der digitalen Betreuung durch PatientInnen weniger an Zustimmung (28 Prozent sehr hoch, 30 Prozent hoch).
Auch wurde in der Krisenzeit vorrangig das Telefon als Kommunikationsmittel mit Patientinnen und Patienten herangezogen. 93 Prozent der Ärztinnen und Ärzte kommunizierten per Telefon, 47 Prozent per E-Mail und 15 Prozent per Video mit ihren Patientinnen und Patienten.
Aber nicht nur in Krisenzeiten sehen Mediziner Potenzial in der telemedizinischen Betreuung von PatientInnen. 57 Prozent der Medizinerinnen und Mediziner befürworten Telemedizin auch im Alltag – aktiv befassen sich bereits 38 Prozent damit. 34 Prozent sind sich nicht sicher bzw. stehen der Telemedizin eher skeptisch gegenüber und 8 Prozent lehnen diese Form der Betreuung von Patientinnen und Patienten ab.
Der ländliche Raum im Fokus
Sieht man sich die Verteilung nach der Gemeindegröße an zeigt sich, dass Ärzte und Ärztinnen in kleineren Gemeinden in Österreich der Telemedizin skeptischer gegenüberstehen als deren Kolleginnen und Kollegen aus größeren Gemeinden/Städten.
Jene Medizinerinnen und Mediziner, welche in Gemeinden – die kleiner als 10.000 EinwohnerInnen sind – praktizieren, lehnen Telemedizin weithäufiger in ihrem Alltag ab als jene, die aus Gemeinden/Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern kommen. Hingegen zeigen die Ergebnisse, dass Medizinerinnen und Mediziner, die in urbanen Regionen praktizieren, die Telemedizin häufiger befürworten und aktiv in ihrem Arbeitsalltag verwenden.
Wie aus der Literatur ersichtlich wird, kann die Telemedizin neue Türen öffnen und der Debatte, der eines zu erwartenden ÄrztInnenmangels in einzelnen Regionen Österreichs, zum Teil begegnen. Denn eine Vielzahl an demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen (steigende Bevölkerungszahl, Abwanderung aus ruralen Gebieten) lassen zukünftig Unterschiede hinsichtlich der medizinischen Versorgungsmöglichkeiten erwarten. [2]
Zudem verweisen Buck et. al (2020) darauf, dass durch die Abwanderung Patientinnen und Patienten, in strukturschwachen Regionen, immer älter werden. Folglich nehmen chronische Erkrankungen und Multimorbidität zu. [3]
Aufgrund dieser Entwicklungen ist eine gute Primärversorgung unausweichlich und die Telemedizin kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. So verweisen 68 Prozent der befragten MedizinerInnen auf das Potenzial der Telemedizin bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten in Entfernung.
„Ich kann PatientInnen sowohl hören als auch sehen, die es nicht in die Einrichtung schaffen.“ (befragte/r MedizinerIn).
Aber nicht nur die Versorgung von Patientinnen und Patienten wird an dieser Stelle hervorgehoben auch eröffnet die Telemedizin aus Sicht der Befragten, die Möglichkeit die Kommunikation mit KollegInnen über regionale Grenzen hinaus zu verbessern.
„Es können Spezialistinnen und Spezialisten hinzugezogen werden, die in einem anderen Landesteil sind.“(befragte/r MedizinerIn)
Somit kann auch in Zukunft in strukturschwachen Regionen ein engmaschiges Versorgungssystem sichergestellt werden.
Ist Telemedizin barrierefrei?
Auf die Frage nach der Barrierefreiheit bei telemedizinischen Leistungen werden sowohl Vor- als auch Nachteile angesprochen. Für Menschen mit Behinderungen kann die telemedizinische Betreuung von Vorteil sein, bei sprachlichen Barrieren, Hörprobleme und fehlenden technischen Mitteln beim Patienten/bei der Patientin hingegen ein Nachteil. Vor allem die fehlende Technikaffinität (insbesondere bei älteren Menschen) und die unterschiedliche Qualität der genutzten technischen Geräte führen aus Sicht der befragten MedizinerInnen zu Barrieren.
Barrieren beziehen sich aber nicht nur auf Hindernisse für Patientinnen und Patienten, sondern stellen auch Herausforderungen für Ärztinnen und Ärzte dar. Hürden ergeben sich für Medizinerinnen und Mediziner insbesondere dadurch, dass diese Form der Konsultation keinen direkten persönlichen Kontakt, keine persönliche Untersuchung beinhaltet und auch die Mimik und Gestik kaum oder anders wahrzunehmen sind.
Standards sind wichtig
Im Zuge der Digitalisierung in vielen Lebensbereichen geht es nicht nur um die Frage, ob telemedizinische Leistungen ausgebaut werden, sondern vor allem wie sie ausgebaut und angewendet werden kann. MedizinerInnen sehen die Entwicklung von Leitlinien und Standards, Qualitätssicherung und eine Diskussion zu den Grenzen dieser Betreuungsform als wichtig.
Herausforderungen bei telemedizinscher Betreuung sehen Medizinerinnen und Mediziner in der rechtlichen Absicherung ihrer Tätigkeit, bei Fragen der Honorierung sowie bei der Einhaltung des Datenschutzes.
Generell sind die Anwendungsmöglichkeiten telemedizinischer Konsultationen situationsabhängig. Auf welche Art und Weise MedizinerInnen telemedizinische Betreuung anbieten können, schwankt naturgemäß unter den Fachrichtungen.
Ausblick
Die Haltung gegenüber telemedizinischer Betreuung wird von den befragten Medizinerinnen und Medizinern eher positiv gesehen. Es zeigen sich Herausforderungen und Barrieren sowohl von Seiten der Patientinnen und Patienten als auch der Ärztinnen und Ärzte. Demgegenüber stehen Potentiale in der Versorgung von Patientinnen und Patienten vor allem im ländlichen Raum sowie der Schutz vor Infektionskrankheiten, welche besonders in der kommenden Winterzeit wieder an Relevanz gewinnen werden. Nähere Informationen zu den Ergebnissen des ersten Telemed Monitor Österreich finden Sie unter: www.telemedmonitor.at
[1] Hainzl, C.; Juen, I. (2020): Telemed Monitor Österreich: Welle 1. (http://www.telemedmonitor.at, Stand: 12.11.2020)
[2] In Deutschland hat der Sachverständigenrat im Jahr 2014 ein Gutachten zur Bedarfsgerechten Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche veröffentlicht. Dort wird ebenfalls auf diese Herausforderungen verwiesen. Siehe hierzu: (https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/Gutachten/2014/SVR-Gutachten_2014_Langfassung.pdf, Stand: 12.11.2020)
[3] Buck, C.; Doctor, E.; Eymann, T. (2020): Vermeidung der medizinischen Unterversorgung ländlicher Strukturen durch innovative Ansätze der Telemedizin. In: Pfannstiel, M.; Kassel, K.; Rasche, C. (Hrsg.) Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen. Springer Gabler, Wiesbaden. S. 715-737.
– I.JUEN, CH.HAINZL