Einen Ministerinnenjob ausführen und eine Familie zu gründen wird auch in Österreich im Jahr 2021 langsam zur Normalität. Nach Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Justizministerin Alma Zadic, freut sich nun auch Frauen- und Familienministerin Susanne Raab über Nachwuchs im Sommer. Wie ist ein Job in der Führungsebene mit Kinderkriegen und Familienleben vereinbar? Kommunalnet hat sich bei Bürgermeisterinnen des Landes umgehört, für die diese Tatsache seit Jahrzehnten gelebte Realität ist. „Wenn man es will, dann schafft man es auch“, so der einhellige Tenor. Nachholbedarf gibt es bei der Termingestaltung (müssen alle Veranstaltungen abends und am Wochenende stattfinden?) aber auch bei Karenz- und Mutterschutzregelungen.
Andrea Kaufmann: „Kinderkriegen in Spitzenfunktionen normal und richtig!“
Die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann weiß was es heißt Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen: Die 51-Jährige ist seit 2013 Bürgermeisterin von Dornbirn und seit einem halben Jahr Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes. Ihre vier Kinder hat die studierte Volkswirtin während ihrer Funktion als Stadträtin bekommen, danach war Kaufmann von 2009 bis 2013 vier Jahre lang Landesrätin für Kultur, Wissenschaft und Studienförderung. „Ich finde es gut und richtig, dass es völlig normal ist, wenn man in Spitzenfunktionen Kinder kriegt“, sagt Andrea Kaufmann. Die Vorarlbergerin sieht sich als Vorbild für Frauen und findet es auch gut, dass immer mehr Frauen in Führungsebenen „ja“ zur Familie sagen. Damit das auch gut gelingt, braucht es ein gutes Umfeld. „Ich hatte das große Glück familiär eine große Unterstützung für meine Kinder zu haben, sonst wäre das nur schwer möglich gewesen. Denn als Bürgermeisterin bist du 24-Stunden im Job, da braucht es ein gutes Betreuungsnetz“, weiß Andrea Kaufmann. Die Bürgermeisterin erachtet es aber auch als notwendig, an gesellschaftspolitischen Schrauben zu drehen: „Es braucht dringend eine Karenz- und Mutterschutzregelung. Hier fehlt jegliche Absicherung“, moniert Kaufmann. Eine gesetzliche Regelung würde das Amt sicher für viele attraktiver machen. Positives aus der Corona-Krise nimmt Kaufmann dahingehend mit, dass man viele Termine auch rasch und unkompliziert online abhandeln kann. „Das sollten wir uns auch für die Zeit danach mitnehmen und hilft vielen Frauen aber auch Männern, ihren Job familienfreundlicher zu gestalten.“
Pauline Sterrer, Bürgermeisterin im oberösterreichischen Rüstorf ist seit 18 Jahren Bürgermeisterin und Mutter von mittlerweile drei erwachsenen Kindern. Wenn die 59-Jährige an ihre Anfänge in der Gemeinde zurückdenkt, ist ihr klar: „Der Anfang war sehr schwer, das schlechte Gewissen war mein ständiger Begleiter“, sagt Pauline Sterrer. Trotz Kinderbetreuung und familiärer Unterstützung war es nicht leicht, Bürgermeisteramt, Muttersein, Hausfrau und Familie zu vereinen. Dennoch sagt sie: „Ich würde es heute genauso wieder machen.“ Die Juristin ist zudem dankbar und froh, vom damaligen Bürgermeister als Gemeinderätin angeworben worden zu sein. Wäre sie nicht überredet worden, würde sie heute nicht als Bürgermeisterin einer 2182 großen Gemeinde vorstehen, ist sie sich sicher. Sterrer, die auch im Rat der Gemeinden und Regionen Europas als Vertreterin des Österreichischen Gemeindebundes aktiv ist, wäre zudem für eine verpflichtende Frauenquote in den Gemeinderäten von 30 Prozent, wie es in anderen europäischen Ländern bereits Usus ist. „Mit einer Quotenregel im Gemeinderat würden wir viel mehr Frauen für die Kommunalpolitik begeistern und den Weg nach oben ebnen“, ist sich Sterrer sicher.
192 Bürgermeisterinnen aktuell in Österreich
In Österreich gibt es aktuell 192 Bürgermeisterinnen, 428 Vizebürgermeisterinnen und 9.180 Mandatarinnen in den 2095 Gemeinden. Die meisten Ortschefinnen gibt es in Niederösterreich (71), gefolgt von Oberösterreich (46), der Steiermark (22), Tirol (17), Burgenland (12), Kärnten (9), Salzburg (8) und Vorarlberg (6). 1999 gab es in Österreich gerade einmal 45 Bürgermeisterinnen. Seither steigt die Anzahl stetig.
„Das ist eine erfreuliche Entwicklung“, sagen die Gemeindebund-Vizepräsidentinnen Sonja Ottenbacher und Roswitha Glashüttner. Es gibt aber natürlich noch viel Luft nach oben. Wir gehen mit positivem Beispiel voran und wollen Frauen noch mehr ermutigen sich in den Gemeinden zu engagieren und motivieren, Führungspositionen in den Gemeinden zu übernehmen“, so die beiden Bürgermeisterinnen.
Der Österreichische Gemeindebund setzt sich seit Jahren für die Förderung von Frauen in Bürgermeisterämtern ein. „Wir veranstalten jedes Jahr unser Bürgermeisterinnentreffen, um Austausch und Vernetzung zu fördern, aber auch um das Empowerment für Frauen zu stärken“, so Sonja Ottenbacher.
Kerstin Suchan-Mayr: „Soziale Absicherung für Bürgermeisterin ist längst fällig“
Für Kerstin Suchan-Mayr, Bürgermeisterin von St. Valentin, Landtagsabgeordnete zum NÖ Landtag und Vizepräsidentin des NÖ Gemeindevertreterverbandes ist die Entscheidung von Frauen in Spitzenfunktionen eine Familie zu gründen „ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Mich haben die Fragen als schwangere Bürgermeisterin auch genervt, wie ich das denn jetzt machen werde“, erzählt die 45-Jährige. Sie habe dann immer geantwortet: „Fragt ihr die Männer auch immer, wie sie das machen werden, wenn sie Väter werden?“ Daraufhin sei es schnell ruhig geworden. Dennoch ist für die Niederösterreicherin klar, dass man als berufstätige Frau und Mutter eine gute Organisation und Koordination mit einem verlässlichen Betreuungsangebot braucht – in einer Spitzenfunktion umso mehr. Kerstin Suchan-Mayr gibt aber auch zu bedenken, dass es Frauen in Führungspositionen finanziell leichter haben, eine entsprechende Betreuung für ihre Kinder zu organisieren, als berufstätige Frauen in „normalen“ Arbeitsverhältnissen. Für sich und ihre Amtskolleginnen wünscht sie sich „die längst fällige soziale Absicherung“. „Ich war einen Tag vor der Geburt meines Sohnes beim letzten Termin als Bürgermeisterin und drei Wochen nach der Geburt bereits beim ersten Termin. Karenz und Mutterschutz fehlen hier definitiv“, sagt Suchan-Mayr. Und nicht zuletzt die Corona-Pandemie zeigt es auf, dass man sich ohne Probleme einmal vom Vizebürgermeister vertreten lassen können. „Was ist dabei, wenn das einmal drei Monate oder ein halbes Jahr sind?“, sieht die Bürgermeisterin Potenziale für Karenz- bzw. Mutterschutzlösung.
Elisabeth Böhm: „Wichtiger Schritt in die richtige Richtung“
Dass heute Ministerinnen Kinder bekommen, findet Elisabeth Böhm, Bürgermeisterin aus Neusiedl am See ein „gutes Zeichen“ und einen „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Die 50-jährige Bankangestellte ist Mutter von zwei Kindern und seit 18 Jahren in der Kommunalpolitik aktiv. Angefangen hat sie als Gemeinderätin, war dann Stadträtin und Vizebürgermeisterin und steht nun seit drei Jahren an der Spitze der 8585 Einwohner großen Gemeinden im Burgenland. Seit zwei Jahren ist sie auch Landtagsabgeordnete im burgenländischen Nationalrat. „Ohne die Unterstützung durch die Familie und meinen Mann wäre die Vereinbarkeit von Job, Kommunalpolitik und Familie nicht machbar gewesen“, sagt Elisabeth Böhm. Die Burgenländerin beobachtet aber schon seit geraumer Zeit, dass sich immer mehr Frauen politisch und ehrenamtlich engagieren und selbstverständlich Job und Familie vereinen. Das ist gut so“, sagt die Ortschefin. Als Gründe sieht Böhm eine gewisse gesellschaftliche Veränderung im partnerschaftlichen Miteinander und der Aufgabenteilung sowie in der verstärkten Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
Elke Halbwirth: „Man muss für den Job brennen, verpflichten kann man dazu niemanden“
Elke Halbwirth ist seit zweieinhalb Jahren Bürgermeisterin der steirischen Gemeinde Gleinstätten. Für die 43-Jährige alleinerziehende, berufstätige Mutter von zwei Kindern ist die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Bürgermeisteramt nicht immer leicht. „Ich bin in der glücklichen Lage, einen guten Rückhalt in meiner Familie zu haben, sonst wäre das nur schwer möglich. Man muss es als Frau aber auch wollen“, sagt die Bürgermeisterin. Elke Halbwirth sieht auch Vorteile trotz Familie nicht auf ihre Karriere zu verzichten. „Ich erziehe meine Kinder zu mehr Selbständigkeit und nutze die Zeit, die ich mit den Kindern habe, intensiver und exklusiv mit ihnen. Das ist eine eigene Qualität“, sagt die Steirerin. Von einer verpflichtenden Frauenquote hält Elke Halbwirth wenig. „Man muss für den Job brennen. Zwingen und verpflichten kann man dazu niemanden.“
– S. PEISCHL