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Best-practice

26.02.2021

Coworking auf dem Land – vielfältige Potenziale für Kommunen

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Im Zuge des technologischen Wandels kam und kommt es verstärkt zu einer Verlagerung der Aufgabengebiete – routinemäßige Tätigkeiten werden zunehmend durch technische Innovationen ersetzt. Zudem wirkt sich die Globalisierung auf die Zukunft der Arbeitswelt aus. Günstige Transportkosten, eine wachsende Zahl an qualifizierten Arbeitskräften, aber auch die Verlagerung der Produktion in kostengünstigere Produktionsländer tragen wesentlich zu dieser Veränderung bei. Neben diesen Faktoren spielt der demographische Wandel eine bedeutende Rolle.

Hierzulande zeigt sich dieser insbesondere an der Alterung der Bevölkerung und der damit verbundenen Abnahme des Anteils von Personen im erwerbsfähigen Alter (20 bis 64 Jahre). Dabei sind vor allem ländliche Regionen in Österreich von diesen Entwicklungen betroffen. Ferner sieht sich der ländliche Raum auch mit der Herausforderung der Abwanderung konfrontiert. Immer mehr Menschen und insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene zieht es ausbildungs- und berufsbedingt in urbane Gebiete. Vor diesem Hintergrund eröffnen flexible Arbeitsformen und -orte neue Möglichkeiten, diesen Trends zu begegnen.

Digitales und mobiles, das heißt zeit- und ortsungebundenes Arbeiten ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Vielfältige neue, innovative Arbeitsorte sind entstanden, die den modernen Arbeits- und Lebenskonzepten einer wachsenden Zahl an Menschen entsprechen. Die Corona-Pandemie hat diese digitale Transformation der Arbeitswelt noch weiter angekurbelt. Coworking wird in diesem Zusammenhang als praktische Alternative zum reinen Homeoffice gesehen, dessen Nachteile – wie beispielsweise die Trennung von Arbeits- und Privatleben – die Pandemie ins breitere Bewusstsein gerückt hat. Besonders interessant ist dieser Trend auch aus Sicht der Kommunen, die Coworking bewusst dazu nutzen können, die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume zu erhöhen.

Coworking ist mehr als ein Neuer Arbeitsort

Aus dem Englischen übersetzt heißt „Coworking” soviel wie „zusammenarbeiten” und ist als Begriff heute auch im deutschsprachigen Raum weit verbreitet.

Es gibt eine Vielzahl an Orten, an denen dank (meist) high-speed Internetverbindung „Co-Working” außerhalb der klassischen Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers oder der Tätigkeit zu Hause im Homeoffice ermöglicht wird – wie zum Beispiel Cafés, Hotellobbys oder Warteräume an Bahnhöfen. Gleichzeitig werden aber auch immer mehr neue Orte des Zusammenarbeitens – sogenannte Coworking-Spaces – gegründet, die „Coworking” anbieten.

Hier können individuelle Schreibtische oder auch ganze Besprechungsräume auf Mitgliedschaftsbasis gemietet werden, um gemeinsam, aber nicht unbedingt mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten. Das Besondere und Gemeinsame an diesen Orten ist, dass sie die Möglichkeit bieten, sich mit Anderen auszutauschen und Teil einer lokalen Gemeinschaft (Community) zu werden.

Coworking-Spaces ziehen Menschen aus unterschiedlichsten Milieus an – von High-Tech-Spezialistinnen und Spezialisten über Handwerkerinnen  und Handwerker bis Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Dadurch bieten sie Raum für zufällige Begegnungen oder Beobachtungen, aus denen oft etwas Neues entsteht. Sie gelten als Orte mit einer hohen Innovations-Wahrscheinlichkeit und fungieren unter anderem als Treibhäuser für Start-ups und Innovation. Da sie meist mehr sind als reine Arbeitsorte, haben sie das Potenzial, neue Lebensmittelpunkte auf dem Land zu schaffen.

Als Treiber für die Nutzung dieser alternativen Arbeitsorte zu Büro oder Homeoffice werden häufig die erleichterte Trennung zwischen Privatem und Beruf, der mangelnde soziale Kontakt im Homeoffice, die kreative und produktive Arbeitsatmosphäre, sowie die Vermeidung langer Pendelzeiten und damit zusammenhängend eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt. Dem Wunsch nach Gemeinschaft kommt dabei eine besondere Bedeutung zu – im ländlichen Raum noch viel stärker als in den Städten.

Verteilung der Coworking Spaces in Europa und Österreich

Die in urbanen Gebieten entstandenen Coworking-Spaces sind mittlerweile nicht mehr nur in den Großstädten dieser Welt zu finden. Immer mehr sogenannte „Rural Coworking-Spaces“ finden auch außerhalb von Ballungzentren ihren Platz. So zeigen die Ergebnisse des Global Coworking Surveys 2018, dass bereits 25 Prozent aller europäischen Coworking-Spaces in Regionen mit weniger als 100.000 EinwohnerInnen angesiedelt sind.

Sieht man sich die Verteilung der Coworking-Spaces in Österreich im Detail an, lässt sich beobachten, dass die ländlichen Coworking-Spaces hierzulande weniger etabliert sind. Wie in der Abbildung unten dargestellt, konzentrieren sich die Angebote vor allem auf Ballungszentren und deren Einzugsgebiete.

Unterschiede zwischen Coworking in der Stadt und auf dem Land

Ländliches Coworking spricht eine wesentlich heterogenere Zielgruppe an als ihr städtisches Pendant. Neben den Angehörigen der Kreativwirtschaft und Wissensarbeiterinnen und -mitarbeiter, die zum Ursprungsmilieu von Coworking-Spaces gehören, nutzen auch Selbstständige verschiedenster Branchen, wie HandwerkerInnen, SteuerberaterInnen oder Coaches, sowie Angestellte aus der Region oder Pendlerinnen und Pendler vermehrt das Angebot eines alternativen, flexibleren Arbeitsortes, wie die aktuelle Trendstudie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Dabei bieten die Räumlichkeiten auf dem Land ihren Nutzerinnen und Nutzern meist etwas mehr Platz und sind oft – durchaus bewusst – naturnah angesiedelt.

Raummangel ist auf dem Land nicht das Problem

Während hohe Mieten und lange Mietbindungen konventioneller Büroimmobilien in den Städten ein häufiges Problem darstellen, ist der Mangel an Raum für die Menschen auf dem Land kein Hauptgrund, sich für einen Coworking-Space zu entscheiden. Hier fehlt es eher an geeigneter technischer Infrastruktur sowie an sozialen Kontakten.

Das Bedürfnis nach Vernetzung, Inspiration, einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten, kulturellen und fachlichen Veranstaltungen ist groß.

Dies wird von den Gründern und Betreibern wahrgenommen, sodass rurale Coworking-Spaces oftmals nicht ausschließlich die von den Mitgliedern benötigte technische und räumliche Infrastruktur bereitstellen. Vielmehr bieten sie, auch für die breitere Öffentlichkeit zugänglich, diverse kulturelle Veranstaltungen an oder integrieren andere Dienstleistungsangebote, wie Poststellen, Kindertagesstätten, Dorfläden, Friseure, Fahrrad-Reparaturen oder Sportkurse, Workshops usw.

Diese deutlich größere Bandbreite an Funktionen und Nutzungsszenarien im Vergleich zu städtischen Spaces kann durchaus einen Beitrag zu einer erhöhten Lebensqualität auf dem Land leisten. Gleichzeitig sind die auf den lokalen Bedarfen basierenden vielfältigen Geschäftsmodelle aber auch für einen langfristig wirtschaftlichen Betrieb essenziell.

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Als Gemeinschaftsorte gehören Coworking-Spaces zu den Leidtragenden der Corona-Pandemie. Vor allem kleine oder neue Spaces sind existenzbedroht und stehen vor großen Herausforderungen oder haben das Jahr 2020 nicht überlebt.

Langfristig könnte die Corona-Krise aber auch positive Auswirkungen haben, denn sie hat einen Trend beschleunigt, der sich schon seit einigen Jahren abzeichnet. Eine Vielzahl an Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern musste von der etablierten Präsenzkultur abkehren und flexibles Arbeiten im Homeoffice ermöglichen, um die Verbreitung des neuartigen Virus zu bremsen.

Das verordnete Arbeiten auf Distanz während der Krise hat der digitalen Transformation in der Arbeitswelt einen Schub gegeben und damit den Weg für mobiles Arbeiten ein Stück weit geebnet. Neben dem Homeoffice wird in Zukunft zweifelsohne auch Coworking-Spaces als neue Orte des Arbeitens eine bedeutendere Rolle zufallen, da sie den Menschen auf dem Land neue Möglichkeiten eröffnen und zahlreiche Vorteile bieten.

Fazit: Potenziale von Coworking für den ländlichen Raum

Coworking-Spaces im ländlichen Raum haben das Potenzial, Kommunen wiederzubeleben und zu stärken. Sie sind mehr als eine neue Form des Arbeitsplatzangebotes, bieten sie doch als neue soziale Treffpunkte die Chance, die Abwanderung aus Dörfern und Kleinstädten ein Stück weit aufzuhalten oder gar umzukehren.

Sie schaffen Mehrwerte für alle Beteiligten:

  • Attraktiver Arbeitsort für Menschen, die auf dem Land leben wollen und dennoch Jobs nachgehen, die in den Städten verankert sind.
  • Pendelzeiten werden reduziert und die Vereinbarung von Familie und Beruf verbessert.
  • Finanzielle, zeitliche und umweltbezogene Ressourcen werden eingespart.
  • Betriebe können ihr Fachkräfteeinzugsgebiet erweitern und dadurch wirtschaftliche Vorteile erzielen.
  • Am meisten aber profitieren die Kommunen vom „neuen Leben” in den durch Coworking-Spaces geschaffenen oder erhaltenen Gemeinschaftsorten. Die vielfältigen Effekte dieser Neuen Arbeitsorte können einen relevanten Beitrag zur Regionalentwicklung leisten.

Coworking ist gesellschaftlich durchaus wünschenswert, kurzfristig ist allerdings die Wirtschaftlichkeit nur in seltenen Fällen gesichert.[17] Passende Fördermaßnahmen müssen entwickelt und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um diesen alternativen Arbeitsorten die Möglichkeit zu bieten, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

-C. Szentiványi; I. Juen

Zu den Autorinnen

Csilla Szentiványi ist ECOnet-Projektmitarbeiterin am Institut für Strategieanalysen und PhD-Studentin an der Andrássy-Universität Budapest. Isabella Juen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Strategieanalysen (ISA) und koordiniert hier das Projekt „ECOnet – Zur wirtschaftlichen und politischen Entwicklung im ländlichen Raum“. Zudem ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Höhere Studien (IHS) und an der Universität Graz tätig.

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