Der Österreichische Wasser-und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) beschäftigt sich in einem kürzlich erschienenen ExpertInnenpapier mit Bio-Kunststoffen und deren Verhalten in der biologischen Abfallverwertung.
Knappe Ressourcen, wachsende Abfallmengen
Die Tatsache, dass wir so leben, als hätten wir vier Planeten zur Verfügung, spiegelt sich unter anderem im Verbrauch unserer Rohstoffe wider. Rohstoffe mit endlichem Vorkommen werden knapper, während die Abfallmengen weiter steigen.
Anstatt unser Konsumverhalten den vorhandenen Ressourcen anzupassen, suchen wir nach Ersatzlösungen, die – zumindest vorübergehend – zu weniger Abfall und einer ressourcenschonenderen Bewirtschaftung führen sollten. In diesem Zusammenhang werden in letzter Zeit die sogenannten „Bio-Kunststoffe“ kontrovers diskutiert.
Was ist ein „Bio-Kunststoff“?
Der Begriff „Bio-Kunststoff“ ist im alltäglichen Sprachgebrauch nicht selbsterklärend. Die Vorsilbe „bio“ wird aufgrund der positiv belegten Botschaft sowohl für die Materialherkunft (biobasierte Rohstoffe) als auch für die Materialeigenschaft („biologisch abbaubar“, „kompostierbar“) verwendet – einzeln oder zusammen.
Kunststoffe können sowohl aus fossilen als auch aus nachwachsenden Rohstoffen beziehungsweise aus einer Kombination der beiden hergestellt werden. Nicht jeder Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen ist biologisch abbaubar, umgekehrt können erdölbasierte Kunststoffe sehr wohl biologisch abbaubar sein.
Biobasierte Kunststoffe sind nicht generell umwelfreundlich
86 Prozent des Erdöls werden zurzeit in den Bereichen Verkehr, Heizung und Energiegewinnung und sieben Prozent zur Herstellung von Kunststoffen verwendet.
Die Substitution von Erdöl in Kunststoffen durch nachwachsende Rohstoffe wie Mais-, Kartoffel- oder Zuckerrohrstärke, Ölsaaten, Milchsäure oder Zellulose mag auf den ersten Blick ökologisch sinnvoll erscheinen, doch zeigen mittlerweile Ökobilanzen, dass biobasierte Kunststoffe keine generellen Umweltvorteile aufweisen.
Rohstoff für Nahrung oder Verpackung?
Neben dem Aspekt, dass die Rohstoffe für biobasierte Kunststoffe im Zuge einer intensiven Landbewirtschaftung, also unter Einsatz industrieller Methoden mit gravierenden Einflüssen auf unser Ökosystem, erzeugt werden, ist unter anderem auch zu berücksichtigen, dass die Herstellung von biobasierten Rohstoffen früher oder später in Konkurrenz zur Nahrungsmittelindustrie stehen wird.
Derzeit werden etwa 0,5 Prozent aller Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, dafür werden 0,66 Prozent der weltweiten Maisanbaufläche verbraucht. Wollte man hundert Prozent der Kunststoffe durch „biobasierte Kunststoffe“ ersetzen, würde man 132 Prozent der weltweiten Maisanbaufläche benötigen (Fritz 2019)!
Da gemäß der gesetzlich verankerten Abfallhierarchie die Abfallvermeidung an erster Stelle steht, sollte die Botschaft an die Konsumentinnen und Konsumenten ein weitgehender Verzicht auf solche Produkte – insbesondere auf Einwegprodukte – sein beziehungsweise zumindest eine Einschränkung ihrer Verwendung empfohlen werden. Ein Trugschluss wäre es zu glauben, dass man mit „Bio-Kunststoffen“ grundsätzlich umweltfreundliche Produkte verwendet.
Aus „Bio-Kunststoffen“ entsteht kein Kompost
Abgesehen von der technischen Eignung der „Bio-Kunststoffe“ für die Kompostierung sind auch ressourcenökonomische und rechtliche Aspekte zu berücksichtigen.
So widerspricht die Kompostierung von abbaubaren Kunststoffen sowohl der Abfallhierarchie gemäß AWG 2002 § 1 Abs. 2 als auch den Vorgaben des Kreislaufwirtschaftspakets. Die Kompostierung ist in der Abfallhierarchie dem „Recycling“ zuzuordnen.
Begriff irreführend
Ziel der Kompostierung ist vorrangig die Herstellung eines hochwertigen Komposts. Da biologisch abbaubare Kunststoffe nicht am Aufbau der Biomasse und der Huminsäuren beteiligt sind, sondern fast vollständig zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut werden, leisten sie weder im Kompostierprozess einen positiven Beitrag noch tragen sie zur Verbesserung der Kompostqualität bei. Dies entspricht einer Beseitigung und ist der untersten Stufe der Abfallhierarchie zuzuordnen.
Die Bezeichnung „kompostierbar“ im Zusammenhang mit Kunststoffen ist vor dem Hintergrund, dass aus „Bio-Kunststoffen“ kein Kompost entsteht, sondern diese lediglich abgebaut werden, somit unrichtig und irreführend.
Noch keine Recyclinganlagen für „Bio-Kunststoffe“
Grundsätzlich wäre eine stoffliche Verwertung (Recycling) biologisch abbaubarer Kunststoffe technisch möglich. In der Praxis verhindert jedoch die Vielfalt der verwendeten Kunststoffe und deren schwierige Unterscheidbarkeit eine sortenreine getrennte Erfassung sowohl biologisch abbaubarer Kunststoffe als auch konventioneller und biologisch nicht abbaubarer Kunststoffe.
Des Weiteren gibt es derzeit noch keine Recyclinganlagen für „Bio-Kunststoffe“ wie das zum Beispiel bei Kunststoffen wie PET und PE der Fall ist. Gemäß der im AWG 2002 rechtlich verankerten Abfallhierarchie ist demnach die energetische Verwertung als Behandlungsverfahren für „Bio-Kunststoffe“ die einzige Möglichkeit, bei der der Energieinhalt dieser Materialien genutzt werden kann.
Fazit und Forderungen der Branche
Durch das Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen seit dem 1. Jänner 2020 – mit Ausnahme sogenannter „Knotenbeutel“, die aus „überwiegend“ nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden – fand in den vergangenen Jahren eine „Explosion“ der angebotenen Produkte aus „Bio-Kunststoffen“ statt.
Als Reaktion auf die nicht länger tolerierbare Anreicherung von Kunststoffen in der Umwelt wurden einerseits die biologisch abbaubaren Kunststoffe, als Reaktion auf die mögliche Endlichkeit fossiler Ressourcen andererseits die biobasierten Kunststoffe auf den Markt gebracht. Beide werden, einzeln oder in Kombination, als scheinbar ökologische Alternative zu konventionellen Kunststoffen angesehen.
„Bio-Kunststoffe“ werden täglich verwendet
Die suggerierten Vorteile sind jedoch bei einer differenzierten Betrachtung oft nicht gegeben. Biobasierte Kunststoffe, deren Rohstoffe im Zuge einer intensiven Landbewirtschaftung gewonnen werden, werden ebenso wie konventionelle Kunststoffe mit hohem Energiebedarf synthetisch hergestellt.
Bei den Produkten des täglichen Bedarfs sind dünnwandige Produkte wie Tragetaschen, Knotenbeutel und Vorsammelhilfen, aber auch steife Produkte wie Kugelschreiber, Obsttassen, Getränkebecher und -deckel, Kaffeekapseln etc. aus Bio-Kunststoffen erhältlich. Damit einhergehend kam es zu einem Wildwuchs an Kennzeichnungen, Hinweisen und Entsorgungsempfehlungen, die oftmals nicht mit den Prinzipien einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in Einklang zu bringen sind.
Wo „Bio-Kunststoffe“ sinnvoll sind
Betrachtet man Produkte aus „Bio-Kunststoffen“ in Zusammenhang mit Littering, so haben Produkte aus biologisch abbaubaren Kunststoffen – unabhängig von der Rohstoffvariante (biobasiert oder erdölbasiert) und vorausgesetzt, sie entsprechen den Vorgaben der ÖNORM EN 13432 – den Vorteil, dass sie in absehbaren Zeiträumen abgebaut werden und nicht als Kunststofffragment in der Umwelt verbleiben. Ebenso sinnvoll erscheint die Verwendung von biologisch abbaubaren Kunststoffen in Bereichen der Land- und Forstwirtschaft sowie des Garten- und Landschaftsbaus.
In Zusammenhang mit der biologischen Abfallverwertung (Kompostierung) sind „Bio-Kunststoffe“, unabhängig von ihrem Zertifikat, nicht erwünscht. Sie werden während des Kompostierprozesses wesentlich langsamer abgebaut als organisches Material natürlichen Ursprungs, sind von konventionellen Kunststoffen im Rottegut nicht zu unterscheiden und müssen zusammen mit diesem mühsam (oft händisch) aussortiert und anschließend einer thermischen Behandlung zugeführt werden. Der Großteil der „kompostierbaren“ und biologisch abbaubaren Kunststoffe wird letztendlich während des Aufbereitungs- und Kompostierprozesses aussortiert und verbrannt.
Nicht in der Mülltonne entsorgen
Vor diesem Hintergrund werden Verbraucherinnen und Verbraucher aufgefordert, keine Artikel aus biologisch abbaubaren Kunststoffen über die Biotonne zu entsorgen. Im Sinne des „Abwägungsprinzips“ – Verwendung nur dort, wo der Nutzen größer ist als der Nachteil – kann die Verwendung von biologisch abbaubaren Vorsammelhilfen jedoch unter Umständen dazu beitragen, die Menge des getrennt gesammelten Bioabfalls zu erhöhen.
Unabhängig von den hier dargestellten Vor- und Nachteilen von „Bio-Kunststoffen“ wird empfohlen, generell auf Einwegprodukte zu verzichten und vorrangig auf langlebige Produkte und Verpackungen mit Mehrfachnutzung zurückzugreifen. Somit kann im Sinne einer nachhaltigen Abfall- und Ressourcenwirtschaft ein wertvoller Beitrag zur Verringerung unseres ökologischen Fußabdrucks geleistet werden.
Weitere Infos
Das Expertenpapier „Bio-Kunststoffe und die biologische Abfallverwertung“ steht auf der ÖWAV-Seite zum Gratisdownload zur Verfügung.