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Gesundheit

22.12.2021

Was machen „Community Health Nurses“?

Community Health Nurses sind im Kommen. Während im Ministerium noch festgelegt wird, was diese Fachkräfte eigentlich können und tun sollen, läuft schon das erste Pilotprojekt an. Fest steht bereits: Als klassische Gemeindeschwester soll die Funktion nicht angelegt sein.

Die Initiative zur Etablierung von „Community Nurses“ bzw. „Community Health Nurses“ ist im Regierungsprogramm verankert und wird seit geraumer Zeit vom Sozialministerium vorangetrieben. Was darunter zu verstehen ist und wie weit die Entwicklung dieses Berufsbilds vorangeschritten ist, erfuhr man beim diesjährigen Pflege-Management-Forum.

Bei dieser Veranstaltung des Business Circle handelt es sich um das größte Zusammentreffen heimischer Pflege-Experten, das vom Gesundheitsminister abwärts zahlreiche Führungskräfte aus dem Gesundheits- und Pflegebereich vereint. Daher wurde auch in Bezug auf die Community Nurses aus erster Hand berichtet, und zwar von Bisserka Weber. Die gelernte Diplomkrankenschwester und spätere Pflegedirektorin ist heute die Abteilungsleiterin im Sozialministerium, unter deren Agenden die Ausarbeitung des Konzepts der Community Nurses fällt.

Bisserka Weber „Die Community Nurse soll von niemandem als Konkurrenz gesehen werden, sondern das verbindende Element darstellen zwischen Betreuungsstrukturen in der Region“: Bisserka Weber, Abteilungsleiterin im Sozialministerium. Unter ihre Agenden fällt die Ausarbeitung des Konzepts der Community Nurses. Foto: Sabine Klimpt

Die Konzeption zum Pilotprojekt Community Nurse bezog bislang schon viele Vertreter der Gesundheit Österreich GmbH mit ein, die mit ihrem Know-how unterstützend mitwirkten. Ebenso gab es im Vorfeld bereits etliche Abstimmungsrunden mit wesentlichen Stakeholdern, erklärt Weber.

Laut Regierungsprogramm sollen Community Nurses vier Punkte erfüllen.

  • Erstens sollen sie einen wesentlichen Beitrag zur niederschwelligen und bedarfsorientierten Versorgung leisten.
  • Zweitens sollen Angehörige und Betroffene durch Community Nurses als zentrale Ansprechpersonen professionell unterstützt werden.
  • Drittens sollen sie vernetzen und koordinieren und
  • viertens soll ihnen eine zentrale Bedeutung im Präventionsbereich zufallen – Stichwort „präventive Hausbesuche“.

„Die Community Nurse soll von niemandem als Konkurrenz gesehen werden, sondern das verbindende Element darstellen zwischen Betreuungsstrukturen in der Region und allen Akteuren, die im regionalen Versorgungssystem mitwirken. Angesichts der individuellen Situation des Betroffenen soll die Community Nurse das am besten passende Angebot finden“, erläutert Weber das angepeilte Aufgabenspektrum. Die präventiven Hausbesuche seien das Hauptargument, weshalb die Funktion nicht mit Case & Care-Managern gleichzusetzen sei, die auch sehr gut seien, „aber präventive Hausbesuche – das macht noch keiner. Das ist das Novum“, betont Weber. Dadurch werden noch unerkannte Gesundheitsrisiken entdeckt und man kann frühzeitig gegensteuern.

Die Unterschiede von „Community Nursing“ und „Community Health Nursing“

Dem einen Leser oder der anderen Leserin mag es schon aufgefallen sein, dass manchmal von „Community Nursing“ und manchmal von „Community Health Nursing“ die Rede ist. Der Unterschied besteht in der Qualifikation.

Weber deutet an, dass es in Richtung eines zweistufigen (Ausbildungs-)Modells gehen soll. Auf Nachfrage kann übrigens niemand eine deutsche Bezeichnung für „Community Nurse“ nennen.

Bei „Gemeindeschwester“ sind sich die Pflegeexperten offenbar einig, dass der Begriff indiskutabel, weil abwertend sei – warum auch immer. Schließlich heißt die englische Bezeichnung auch nichts anderes. Der Einwurf, dass eine hochbetagte pflegebedürftige Person vermutlich nichts damit anfangen könne, wenn sich jemand mit „Ich bin eine Community Health Nurse“ vorstellt, bleibt unkommentiert.

Adaption für österreichische Verhältnisse

Dabei wäre eine vernünftige und lebensnahe Bezeichnung nur natürlich, soll der Job doch etwas ganz spezifisch Österreichisches werden: „Community Nursing ist eine Kombination aus verschiedenen Elementen, die wir aus sämtlichen internationalen Modellen zusammengebastelt haben, die eigentlich – das ist unser Anspruch – die ganze Diversität und Spezifität der österreichischen Strukturen und Prozesse abbildet“, erklärt Weber nämlich und appelliert weiters, „dass man nicht international erfolgreiche Modelle eins zu eins mit unserer Konzeption vergleicht.“

Österreich entwickle ein ganz eigenes Modell und in dessen Kontext gehe es um mehrere Ziele: Neben dem Erschließen eines international bereits etablierten Berufsfelds für die Gesundheits- und Krankenpflege geht es auch um die maximale Nutzung der Kompetenzen und Expertise von Gesundheits- und Krankenpflegepersonen für die Gesundheit der Bevölkerung sowie um die Ergänzung des bereits bestehenden Leistungsangebots und um die Förderung des Gesundheitskompetenz, die Gesundheitsförderung und Prävention, grundsätzlich mit dem Fokus auf Einzelpersonen und Familien, aber auch auf bestimmte Bevölkerungsgruppen.

Wer sind die Zielgruppen?

Die Zielgruppen sind ältere, zu Hause lebende Menschen mit drohendem oder bestehendem Informations-, Beratungs-, Pflege- oder Unterstützungsbedarf, aber auch pflegende bzw. betreuende Angehörige. Ganz allgemein sind es auch Menschen ab dem 75. Lebensjahr hinsichtlich der präventiven Hausbesuche und optional kann auch eine Erweiterung der Zielgruppen je nach regionalem Bedarf stattfinden.

Die Ziele, die man erreichen will, reichen von Wohlbefinden, Gesundheitskompetenz, dem ermöglichten Verbleib zu Hause und der Selbsthilfefähigkeit auf individueller Ebene über das Identifizieren und Reduzieren ungedeckter Bedarfe auf gesellschaftlicher Ebene bis hin zu den Zielen auf politischer Ebene, zu denen das Schaffen einer verbesserten Datenlage und Planungsgrundlage ebenso zählt wie ein optimiertes Versorgungsangebot und in Folge ein Entgegenwirken allfälliger Abwanderung.

Welche Qualifikation brauchen Community Nurses?

Laut Ministerium werden Community Nurses diplomierte Gesundheits-und Krankenpflegepersonen sein, mit einer Berufsberechtigung zur Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheits-und Krankenpflege und mit einer Registrierung im Gesundheitsberuferegister. Davon abgesehen sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in einem facheinschlägigen Bereich Voraussetzung.

Zusätzlich erwünscht sind eine Weiterqualifizierung in Richtung systemische Perspektive, mehr als fünf Jahre Berufserfahrung und die Kenntnis der regionalen Versorgungslandschaft. Weber weiß, dass diese Wunschqualifikation derzeit noch kaum realistisch ist – da man aber ins Tun kommen möchte und nicht weitere Jahre verlieren will, hat man das schon erwähnte zweistufige Modell angedacht, das nach einer Evaluierung an eine höherstufige Ausbildung andocken könnte. Die höher qualifizierten Community Nurses würden dann zu Community Health Nurses werden.

Was macht eine Community Nurse?

Das Aufgabenprofil von Community Nurses wird vielfältig. Einerseits arbeiten sie niedergelassen in einem Büro oder einer Ordination, andererseits aufsuchend im Rahmen der präventiven Hausbesuche. Ihnen obliegen Monitoring und Erhebung, etwa des aktuellen Versorgungsarrangements, aber auch Information, Beratung und Edukation, wie zum Beispiel die Vorbereitung der pflegenden Angehörigen auf künftige Pflegeaufgaben.

Weitere Aufgabengebiete umfassen die Pflegeintervention, Koordination und Vernetzung, beispielsweise die Vermittlung individuell angepasster Pflege-und Betreuungsarrangements, sowie die Fürsprache und Interessensvertretung, etwa zum Zweck des Aufbaus regionaler Netzwerke.

Pilotprojekte starten

Im Rahmen des österreichischen Aufbau-und Resilienzplans starten hierzulande aktuell die ersten Pilotprojekte. Finanziert werden sie von der EU mit einer Fördersumme von 54,2 Milli­onen Euro auf die gesamte Laufzeit. In der ersten Ausbaustufe (2021 bis 2024) sollen sich diplomierte Krankenpflegepersonen als Community Nurses im bestehenden berufsrechtlichen Rahmen etablieren und die Rolle der Netzwerker, Vernetzer und Berater einnehmen. Die „Gesund­heit Österreich GmbH“ wird die Projekte begleiten und umfassend evaluieren.

In der zweiten Ausbaustufe wird es dann um die Umsetzung der Ergebnisse der Evaluierung gehen, mit dem Ziel, das Berufsbild und das Aufgabengebiet weiterzuentwickeln. Am Ende stehen die Prüfung der Weiterführung, die Ausrollung und die Überführung in die Regelfinanzierung. Die Pilotprojekte sind dank EU also ausfinanziert, die künftige dauerhafte Finanzierung ist zum heutigen Zeitpunkt hingegen noch nicht geklärt, auch deshalb, weil man ja erst durch die Evaluation der Pilotprojekte wissen wird, was letztendlich auf Dauer in welcher Weise wie sehr benötigt wird und wirkungsvoll ist.

Nicht jede/r, die/der sich als Community Nurse bezeichnet, ist auch eine/r

Trotz des Umstands, dass das Berufsbild der Community Nurse noch in Ausarbeitung ist und die ersten Pilotprojekte gerade erst anlaufen, gibt es bereits Anbieter, die die Ausbildung zur Community Nurse verkaufen, und es gibt auch schon Gemeinden, die das gekauft haben.

Weber sagt dazu: „Uns ist das bekannt. Wir kennen einige Anbieter und andere auch nicht. Es ist nicht per se zu verurteilen. Die Menschen sind prospektiv (vorausschauend) tätig und wollen etwas auf die Beine stellen.“

Sie erklärt auch die Problematik aus Sicht des Ministeriums: „Wir standen vor der Herausforderung, zu viele Vorgaben versus zu wenige Vorgaben zu machen. Die Schwierigkeit war, die Balance zu finden. Ich behaupte, wir haben diese Balance gefunden mit einem breit aufgestellten Rahmen, in dem es immer noch viel Platz für kreative Umsetzungslösungen gibt. Schließlich ist das der Sinn eines Pilotprojekts.

Es gibt aber auch definitive, klare Kriterien. Das sind nicht viele, aber die sind unbedingt zu berücksichtigen, genauso wie die Ziele, die unbedingt anzustreben sind. Wenn jemand Community Nursing verkauft, heißt das nicht, dass das automatisch unserer Konzeption entspricht. Nicht jede/r, die/der sich in Österreich als Community Nurse bezeichnet, ist Community Nurse in unserem Sinn.“

Frage der Förderung ist noch nicht ganz klar

Ob nun Gemeinden, die Community-Nursing-Angebote schon gekauft haben, um eine Förderung des Bundesministeriums umfallen könnten, wenn ihr Angebot unter Umständen nicht den Kriterien entspricht, will Weber nicht pauschal bejahen oder verneinen. Eine bereits eingerichtete Koordinierungsgruppe bestehend aus Vertretern der Bundesländer und aus diversen Fachexperten analysiert und beurteilt sämtliche Einreichungen. Ihre Entscheidung ist in dieser Hinsicht maßgeblich.

-A. HUSSAK

Über den Autor

Andreas Hussak ist Redakteur bei KOMMUNAL.

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