Am 1. und 2. September 2022 finden in Bad Aussee die 17. Kommunalen Sommergespräche statt. Der Österreichische Gemeindebund und die Kommunalkredit haben Expert:innen aus verschiedenen Branchen eingeladen, um gemeinsam unter dem Motto “Zeitenwende: Strukturen im Wandel” über neue Wege der Aus- und Weiterbildung, der Arbeitswelt, innovative digitale Lösungen sowie nachhaltige Strukturen und kommunale Investitionen zu diskutieren.
Infrastruktur ist Basis für die Zukunft
Die Kommunalen Sommergespräche wurden inhaltlich mit dem Fachvortrag von Thierry Déau, CEO des Unternehmens Meridiam, zum Thema „Wir planen unsere Zukunft – Investitionen in Infrastruktur“ eröffnet. Der Investor und Infrastrukturgründer sprach in seinem Impulsreferat von Investitionen in die Infrastruktur als wirkungsvolle Instrumente, die soziale und ökologische Bedürfnisse befriedigen und das Wohlbefinden der Gesellschaft steigern. Déau empfahl den Gemeinden bei künftigen Planungen und Investitionen, etwa beim Bau von Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten etc. immer alle Stakeholder einer Gemeinde einzubeziehen und Gedanken an längerfristige Auswirkungen nicht zu.
„Einfach mal anfangen!“
In seinem Vortrag „So retten wir die Welt: Nachhaltige Ansätze für morgen“ beschäftigte sich der Universitätsprofessor für Sustainable Finance Christian Klein mit der Schnittstelle zwischen Geld und Ethik. Die erste Problematik bei Nachhaltigen Geldanlagen ist die Definition des Begriffs an sich: Immerhin habe jede Person/jede Gruppe eigene Wertvorstellungen. Einig kann man sich jedoch sein, dass nachhaltige Investitionen nicht in den Bereichen Kinderarbeit, Rüstung oder Umweltzerstörung getätigt werden. Eine Umfrage im Rahmen seiner Forschungsarbeit fasst Klein folgendermaßen zusammen: „Die meisten Menschen finden das Prinzip der Nachhaltigen Finanzierungen richtig und wichtig. Sie machen es nur nicht.“ Sein Appell an das Publikum: „Einfach mal anfangen!“
Energie ist größte Herausforderung der nächsten Jahrzehnte
Der Energieexperte Wim L. Thomas warnte in seinem Referat zur Zukunft der grünen Energie vor einer Energiehungersnot, weil die Nachfrage nach Energie weiter rasant steigen wird. Es wird mehr Energieeffizienz brauchen und große Investitionen in grüne Energie und in die Infrastruktur für den Stromtransport. Im Jahr 2020 kamen erst 11 Prozent der Energie aus Erneuerbaren Energiesystemen. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts werden Strom und Wind durchstarten und die Mehrheit bei der Stromproduktion einnehmen, so Thomas.
Innovation in Krisenzeiten fördern
In seinem Online-Vortrag sprach Yann Ménière, Chefökonom des Europäischen Patentamtes, über die Bedeutung von Forschung und Entwicklung in Krisenzeiten. Er untersuchte die Resilienz und Entwicklung von Patentanmeldungen im Laufe der Covid-Krise: Insgesamt ist die Forschungstätigkeit relativ stabil geblieben, die Entwicklungen unterscheiden sich aber stark je nach geografischer Region und Sektor. Insgesamt hat die Covid-Krise bestehende Trends verstärkt: Innovationen im Digitalen Bereich und im Bereich Gesundheit nahmen zu. Die Unterstützungsmaßnahmen von der öffentlichen Hand hatten darauf große Auswirkungen. In Zukunft sollte mit Hinblick auf die Bedeutung von Innovationen in Krisenzeiten mehr in die Forschung investiert werden.
Der Vorstandsvorsitzende der Kommunalkredit, Bernd Fislage, ging in seinem Impulsvortrag auf die Herausforderungen der Zeitenwende ein. Die Pandemie, die Lieferketten-Probleme, der Ukraine-Krieg, die Inflation und die steigenden Energiepreise fordern unsere Gesellschaft heraus. Dabei sind die Investitionen in die Infrastruktur, vor allem in die grünen Energiesysteme, ein wichtiger Schlüssel den Transformationsprozess zu gestalten.
Jugend sieht Handlungsbedarf
Im Anschluss präsentierte Heinz Herczeg, geschäftsführender Gesellschafter der lifeCREATOR CONSULTING GmbH, die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie „Jugend in Österreich im Sommer 2022“. Knapp 60 Prozent der befragten Jugendlichen sind mit ihrer Lebensqualität zufrieden, mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt im Gegensatz nur etwa ein Viertel. Am unzufriedensten sind die Jungen mit den politischen Verhältnissen. Dreiviertel der Befragten befinden, es gebe Handlungsbedarf bzgl. der aktuellen wirtschaftlich-gesellschaftlichen Situation. Sie wollen, dass wir die Inflation bekämpfen, etwas gegen den Klimawandel tun und das Thema Armut und Wohlstandsverlust behandeln.
Ebenso mit den jungen Leuten beschäftigte sich Autor Andreas Salcher. Er referierte über die notwendigen Veränderungen in unserem Bildungssystem. Dabei stellt er sich die Frage, wie gut unser Bildungssystem auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet ist. Ihm zufolge spielt die Gemeinde eine essenzielle Rolle für das Lebensumfeld von Lernenden. Mit Kooperationen soll der soziale Zusammenhalt für regional lernende Gemeinschaften gestärkt werden. In Zukunft muss man sich in der Bildung auf jene Bereiche fokussieren, die nicht von Künstlicher Intelligenz ersetzt werden können, wie beispielsweise Empathie, Kreativität und Charakterbildung.
Bildungssystem an veränderte Arbeitswelt anpassen
Unter dem Titel „Fünf nach Zwölf. Zeit für drastische Veränderungen“ erläuterten Staatssekretärin Claudia Plakolm und die ehemalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid ihre Ideen für das Bildungssystem. Die Arbeitswelten haben sich in den letzten Jahren auf den Kopf gestellt. Die Anforderungen ans Bildungssystem haben sich dadurch verändert.
Der Nachmittag startete mit drei Kurzimpulsen unter dem Motto „Generations on demand. Neue Lebens-, Bildungs- und Arbeitswelten.“ Jubin Honarfar, CEO von watchado, startete den Diskurs mit einem Referat zum Thema Berufsorientierung. Watchado verfolgt den Ansatz, Berufsorientierung bereits in die Kindergärten zu bringen und Kindern eine breite Auswahl an Möglichkeiten aufzuzeigen und traditionelle Rollenbilder und Klischees aufzubrechen. Kosima Kovar, Eigentümerin einer Agentur, die Nachhaltigkeit und Kommunikation vereint, ging in ihrem Vortrag noch näher auf feministische Fragestellungen ein. Etwa ist bekannt: Je mehr Frauen sich in politischen Ämtern engagieren, desto geringer ist die CO2-Emmision pro Kopf. Sie plädierte für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Politik und in der Wirtschaft. Viktoria Izdebska, knappe 20 Jahre alt und bereits Start-up-Gründerin, stellte in ihrem Vortrag Wege vor, sich mehr Gespür für den Markt zu verschaffen. Außerdem betonte sie: Das wichtigste Kriterium, um engagierte und kompetente Mitarbeiter:innen zu gewinnen, ist die Anerkennung und Wertschätzung des bestehenden Teams.
Welche Rolle haben die Gemeinden?
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl erläuterte in seinem Impulsreferat im Rahmen der Kommunalen Sommergespräche die Aufgaben der 2.093 Gemeinden im Bereich Arbeit und Bildung. Die letzten Jahre haben viele Trends unglaublich beschleunigt. So zeigt die Digitalisierung den großen Bedarf an infrastrukturellen Grundlagen auf, von Glasfaser bis zur Ausstattung der Schulen. Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Ralph Spiegler betrachtete in seinem Vortrag die Stärken der Gemeinden in Zeiten der Veränderung. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist auch in Deutschland herausfordernd. Auch vom Personalmangel sind die Gemeinden gefordert.
Anschließend wurde in vier Diskussionsforen gemeinsam mit Expert:innen über die Themen Bildung, Arbeit, Dekarbonisierung der Wirtschaft und Sicherheit diskutiert.
Programmdetails finden Sie auf der Homepage der Kommunalen Sommergespräche: www.sommergespraeche.at. Den Livestream bzw. die Nachschau zu den einzelnen Vorträgen finden Sie auch auf der Facebook-Seite des Österreichischen Gemeindebundes.
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