Das Baukartell ist in aller Munde. Das ist nicht verwunderlich, handelte es sich doch um das größte Kartell der zweiten Republik. Geschädigte sind vor allem Städte, Gemeinden und öffentliche Unternehmen, die grundsätzlich zurecht Schadenersatz verlangen können. Aktuell besteht kein Verjährungsrisiko, dennoch können erste Vorbereitungen getroffen werden.
Im Zeitraum von 2002 bis 2017 haben nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen über 80 Unternehmen, teilweise große Baukonzerne, aber auch mittlere und kleinere Bauunternehmen, in unterschiedlichen Konstellationen in allen Bundesländern bei der Vergabe von Bauaufträgen kartellrechtswidrige Absprachen getroffen.
Hauptbetroffen: die öffentliche Hand
Zu Schaden kamen dabei in erster Linie Städte, Gemeinden und öffentliche Unternehmen – und damit der Steuerzahler. Im Hochbau betrafen die Absprachen beispielsweise Büro- und Wohngebäude, Kindergärten, Kasernen, Friedhöfe, Kraftwerke und Justizanstalten. Im Tiefbau waren u.a. Straßen, Brücken, Gleis- und Bahnhofsanlagen, Kanal-, Leitungs- und Erdarbeiten betroffen. Insgesamt dürfte es sich um mehr als 1.500 Bauvorhaben gehandelt zu haben. Der gesamte, durch überhöhte Preise entstandene Schaden, wird derzeit auf über 1 Milliarde Euro geschätzt.
Behördliche Ermittlungen und bisherige Entscheidungen
Erstmalig ermitteln sowohl die Strafbehörden, nämlich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als auch die Kartellbehörden, also die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), parallel und aufeinander abgestimmt. Die BWB hatte bereits aufgrund Ihrer Ermittlungen, einer Reihe von Geständnissen und Kronzeugenanträgen mehrere Anträge beim Kartellgericht auf Feststellung eines verbotenen Kartells und Verhängung von Geldbußen über einzelne Kartellanten gestellt. Das Kartellgericht verhängte am 21.10.2021 gegen zwei Gesellschaften des STRABAG-Konzerns (STRABAG) eine Geldbuße iHv EUR 45,37 Mio[1] und am 17.02.2022 gegen Gesellschaftern der PORR Group eine zwischenzeitig rechtskräftige Geldbuße in Höhe von EUR 62,35 Mio.[2] Ferner beantragte die BWB aufgrund von Kronzeugenanträgen bzw. freiwilliger Kooperation die Verhängung von Bußgeldern gegen drei Gesellschaften des Swietelsky-Konzerns sowie gegen vier Gesellschaften der HABAU-Gruppe, wobei das Kartellgericht über diese die Bußgeldanträge noch nicht entschieden hat.
Die Vorgangsweise der Kartell-Teilnehmer
Die Kartellbehörden kamen in Ihren Untersuchungen zum Ergebnis, dass die Kartellanten rechtswidrige Absprachen getroffen haben mit dem Zweck, den Wettbewerb zu minimieren oder auszuschließen, um sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen. Um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen, kam es zu Preisabsprachen, Marktaufteilungen, dem Austausch wettbewerbssensibler Informationen, wie etwa Abstimmungen über Verhalten bei Angebotsabgaben (Abgabe von sogenannten Deckangeboten, um einem bestimmten Auftraggeber den Zuschlag zukommen zu lassen), sowie zur Bildung kartellrechtswidriger Arbeits- und Bietergemeinschaften.
Die Umsetzung der Kartellabsprachen wurde an die regionalen Gegebenheiten und die betroffene Bausparte angepasst, etwa durch bi- und multilaterale Kontakte in Form von regelmäßigen oder anlassbezogenen Gesprächsrunden, Telefonaten, per E-Mail oder Fax und insbesondere durch die Abgabe von Deckangeboten. Laut einer Pressemitteilung der BWB sei dadurch ein “österreichweites gewachsenes, allgemein etabliertes Kartellsystem entstanden, mit dem sich die Bauunternehmen über das jeweilige Angebots- und Marktverhalten abstimmten, um das eigene Marktverhalten daran anzupassen. Auf diesem Weg verhalfen sich die beteiligten Bauunternehmen gegenseitig zu Aufträgen, ohne befürchten zu müssen oder zumindest nur in geringerem Ausmaß befürchten zu müssen, von einem günstigeren Angebot im Wettbewerb unterboten zu werden“.[3]
Gegen die Mehrzahl der mutmaßlich beteiligten Unternehmen laufen die Ermittlungen der BWB noch weiter. Die parallel dazu geführten strafrechtlichen Ermittlungen der WKStA laufen ebenfalls noch weiter und werden wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Schadenersatz für betroffene Auftraggeber – Grundsätzliches
Betroffenen Auftraggebern steht zum Ausgleich für die überhöhten Preise, die sie infolge des Kartells für die von ihnen erteilten Bauaufträge bezahlt haben, Schadenersatz zu, und zwar grundsätzlich gegenüber sämtlichen am Kartell beteiligten Unternehmen (Solidarhaftung).[4] Das Kartellgesetz sieht für dessen Durchsetzung eine Reihe von Erleichterungen vor. So besteht eine gesetzliche Vermutung, dass ein Kartell zwischen Mitbewerbern einen Schaden verursachte.[5] Für Zinsen auf die Schadenersatzforderung haften die Kartellanten ab dem Eintritt des Schadens, also ab der jeweiligen Zahlung.[6]
Aktuell noch kein Verjährungsrisiko – Schritte für potenziell betroffene Auftraggeber
Aktuell besteht derzeit noch kein Verjährungsrisiko. Die Verjährungsfrist beträgt nämlich grundsätzlich fünf Jahre ab Kenntnis von Schaden, Schädiger und haftungsbegründendem Verhalten und ist außerdem während laufender Ermittlungen gehemmt.[7] Dennoch sollten Rechtsträger schon jetzt damit beginnen zu prüfen, ob sie konkret betroffen sein könnten, und bejahendenfalls Vorbereitungen zur Geltendmachung ihrer Ansprüche treffen. Zum einen kann es nämlich aufwändig sein, die Akten einer Vielzahl von Bauprojekten aus eineinhalb Jahrzehnten zu durchforsten. Zum anderen sollten Auftraggeber rasch wissen, mit welchen Bauunternehmen sie in Zukunft weiter zusammenarbeiten können.
Prinzipiell gilt es bei dem Verdacht, durch das Baukartell geschädigt worden zu sein, als Erstes, Informationen zu sammeln und vor allem keine Akten zu Bauaufträgen im Kartellzeitraum 2002 – 2017 zu vernichten. Eine Möglichkeit zur Abklärung, ob ein bestimmter Rechtsträger vom Kartell betroffen ist, ist ein Anschluss als Privatbeteiligter im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der WKStA.
Sodann gilt es, die voraussichtliche Schadenshöhe zu ermitteln. Dies erfolgt in der Regel durch ökonometrische Gutachten. Bei Inanspruchnahme einer Prozessfinanzierung können auch die beträchtlichen, damit einhergehenden Kosten vom Prozessfinanzierer übernommen werden.
Der nächste Schritt sollte die Aufforderung der beteiligten Kartell-Teilnehmer zu außergerichtlichen Verhandlungen sein. Für außergerichtliche Lösungen bestehen durchaus Chancen. Sie können nämlich sowohl für betroffene Auftraggeber als auch für Kartellanten vorteilhaft sein. Außergerichtliche Verhandlungen sind zum einen vertraulich und ermöglichen eine selbstbestimmte Lösung. Vor allem aber können sie dazu führen, dass ein am Kartell beteiligtes Unternehmen durch eine Einigung mit seinen Auftraggebern über die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens rasch die berufliche Zuverlässigkeit wiedererlangt, die gem. Bundesvergabegesetz für die Teilnahme an neuen Ausschreibungen erforderlich ist.[8]
Im Nicht-Einigungsfall wären die Ansprüche freilich im Wege von Einzel- oder Sammelklagen bei den Zivilgerichten geltend zu machen.
Unterstützung durch bkp Rechtsanwälte GmbH
Die Wiener Rechtsanwaltskanzlei Brauneis Klauser Prändl (www.bkp.at), die zahlreiche Mitglieder des Österreichischen Gemeindebundes, des Städtebundes sowie der Verbände VÖWG und VKÖ bereits bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche im Zusammenhang mit dem LKW-Kartell beriet, unterstützt potenziell betroffene Auftraggeber auch dabei, ihre Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Baukartell kostengünstig zu prüfen und bei Inanspruchnahme einer Prozessfinanzierung risikolos geltend zu machen. Ansprechpartner bei der Kanzlei bkp sind Rechtsanwalt Dr. Alexander Klauser, Spezialist für Sammelklagen mit Prozessfinanzierung, und Rechtsanwalt Dr. Bernhard Girsch, Kartellrechtsexperte bei bkp. Anfragen unter baukartell@bkp.at.
Webinar am Dienstag, 8. November 2022, um 15 h
Für Vertreter:innen potenziell betroffener Rechtsträger veranstaltet der VÖWG gemeinsam mit dem Städtebund, dem Gemeindebund und der Kanzlei bkp am Dienstag, dem 8. November 2022, um 15 h ein Webinar zum Thema „Österreichisches Baukartell und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen“. Dabei werden auch Möglichkeiten der Prozessfinanzierung präsentiert werden. Nähere Infos folgen mit der offiziellen Einladung zum Webinar.
-Alexander Klauser/Bernhard Girsch
[1] 27 Kt 12/21y.
[2] 26 Kt 5/21m.
[3] https://www.bwb.gv.at/news/detail/baukartell-entscheidung-gegen-porr-group-rechtskraeftig
[4] § 37e KartG
[5] § 37c KartG
[6] § 37d KartG
[7] § 37h KartG.
[8] § 83 BVergG.
Über die Autoren
Rechtsanwalt Dr. Alexander Klauser ist Spezialist für Sammelklagen mit Prozessfinanzierung, Rechtsanwalt Dr. Bernhard Girsch ist Kartellrechtsexperte. Beide sind Ansprechpartner für Gemeinden bei der Kanzlei bkp.
Webinar für Gemeinden
Der Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft (VÖWG) veranstaltet in Kooperation mit dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund ein Webinar zum Thema Baukartell mit den Rechtsanwälten Alexander Klauser und Bernhard Girsch der Rechtsanwaltskanzlei Brauneis Klauser Prändl (bkp). Zahlreiche Städte und Gemeinden sowie kommunale Unternehmen wurden bereits bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche im Zusammenhang mit dem LKW-Kartell durch bkp beraten.
Im Seminar werden insbesondere die Handlungsoptionen geschädigter Mitglieder sowie die Möglichkeit der Prozessfinanzierung vorgestellt.
Das Webinar findet online via MS-Teams am 8. November von 15-16:30 Uhr statt. Die Anmeldung ist hier möglich.
Hier können Sie das Programm herunterladen: Programm_Webinar_Baukartell am 8.11.2022