Die einen können den Advent kaum erwarten, um ihre Lichterketten aus der Garage zu holen, die anderen sehen die elektrisch illuminierten Weihnachtsmänner in Nachbarsgarten als den Gipfel der Energieverschwendung. Beim Thema Weihnachtsbeleuchtung haben sich die Geschmäcker schon immer geschieden, nun tritt mit der unsicheren Energiesituation ein durchaus ernster Hintergrund stärker als bisher hinzu.
Während die Gefahr eines Blackouts von der überwiegenden Zahl der Expert*innen als überaus gering eingeschätzt wird, hängt die politische Entscheidung ob, wie lange und in welchem Umfang es zu Stromlenkungsmaßnahmen (einschl. zeitlich begrenzenten Stromabschaltungen) kommen wird, ganz maßgeblich vom Energieverbrauch aller Österreicher*innen ab.
Geht Stromverschwendung als „örtlicher Missstand“ durch?
Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Beschränkung der Energienutzung von Privaten durch die Gemeinden kennt die österreichische Rechtsordnung nicht. Das Energielenkungsgesetz 2012 sieht allerdings auf Bundesebene Maßnahmen vor, die auch unmittelbar für die Endverbraucher Relevanz besitzen. Unter anderem kann durch Verordnungen des Klimaschutzministeriums bestimmt werden, dass die Lieferung der verfügbaren elektrischen Energie an die Endverbraucher nach dem Grade der Dringlichkeit erfolgt (§ 17 Energielenkungsgesetz 2012). Ob trotz dieser Regelung grundsätzlich genügend Raum für die Erlassung von Verordnungen gem. Art 118 Abs. 6 B-VG durch die Gemeinde besteht, wird im Hinblick auf die jüngere Judikatur des VfGH (Erk. Vom 7.3.2022, V 85/2021) nicht von vornherein auszuschließen sein. Bereits früher hat der VfGH etwa das Verbot emmissionsintensiver Heizungen zur Luftreinhaltung in einer bestimmten Siedlung (VfSlg 11.753/1988) durch ortspolizeiliche Verordnungen ebenso als geeignet anerkannt, wie die Erlassung einer Wasserleitungsordnung zur Vorbeugung von Missständen bei der Wasserversorgung (VfSlg 15.849/2000).
VfGH sieht drei Mindestanforderungen
Durch eine ortspolizeiliche Verordnung kann grundsätzlich von der Gemeinde in einem gesetzlich ungeregelten Bereich neues, generelles Recht geschaffen werden.
Der VfGH hielt in dem oben zit. Erkenntnis vom März 2022 neuerlich fest, dass die Gemeinde gemäß Art. 118 Abs. 6 B-VG nach freier Selbstbestimmung eine ortspolizeiliche Verordnung erlassen darf, wobei sie folgende drei Voraussetzungen zu berücksichtigen hat:
- Die ortspolizeiliche Verordnung muss in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nach Art. 118 Abs. 2 und 3 B-VG gelegen ist,
- die Verordnung soll einen das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstand abwehren oder beseitigen und
- die Verordnung darf nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.
Während Pkt. 3 bei einer kommunalen „Stromsparverordnung“ erfüllt sein dürfte, stellt sich die Frage, wie es um die weiteren Voraussetzungen steht. Bei der Beurteilung von Pkt. 1 – die Verordnung muss in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gelegen ist – sind die Kriterien des Art 118 Abs. 2 und 3 B-VG heranzuziehen. Dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die „im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft“ gelegen ist, mag noch begründbar sein. Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit und der sachlichen Begründung einer solchen Maßnahme wird die Argumentation aber schwierig.
Widerspruch zum Gleichheitssatz?
Als gesetzesvertretende Regelungen müssen ortpolizeiliche Verordnungen den allgemeinen Anforderungen an Gesetze und andere Verordnungen genügen, dazu gehört auch der Gleichheitssatz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch wenn der Stromverbrauch derartiger privater Adventbeleuchtungen – je nach Alter und Leuchtmittel – in Summe nicht unerheblich ist, stellt sich die Frage, ob es sich dabei um ein taugliches Mittel zur Verhinderung zonenbezogener Energielenkungsmaßnahmen handelt oder nicht vorher andere, wirkungsvollere Gebote oder Verbote erlassen werden müssten. Zu berücksichtigen ist dabei nicht nur der – im Regelfall temporäre – Einsatz der Adventbeleuchtungen bis nach den Feiertagen sondern auch die Relevanz im Verhältnis zu anderen Stromverbrauchern bzw. den dortigen Einsparungspotentialen. Eine Rechtfertigung, im Vorgarten eine LED-Kette mit 25 Glühlämpchen zu verbieten und gleichzeitig Geschäftsstraßen nächtelang erstrahlen zu lassen, lässt sich schwer finden. Auch im Haushalt selbst spielt die Lichterkette im Vergleich zu anderen „Stromfressern“ – wie Kochen, Backen, Gaming – lt. Energieexpert*innen meistens nur eine Nebenrolle. Zudem muss für die Zulässigkeit einer ortpolizeilichen Verordnung der Missstand für die konkrete Gemeinde spezifisch sein: das Thema zonierte Stromabschaltungen wird (wenn es eintritt) alle Gemeinden gleichermaßen betreffen – damit ist der Gesetzgeber und nicht der kommunale Verordnungsgeber gefordert. Nachhaltige und lebensnahe Informationskampagnen zum Thema Energiesparen dürften letztlich punkto Wirksamkeit ortspolizeiliche Verbote während der Vorweihnachtszeit um ein Mehrfaches überstrahlen.
– Dr. Martin Huber, Geschäftsführer im Salzburger Gemeindeverband
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