Österreichs Wirtschaft wurde seit Jahresmitte 2022 durch die stark gestiegenen Energiepreise gebremst, die Wirtschaftsleistung dürfte in diesem Winter (2022/2023) sinken. Für das Gesamtjahr 2022 rechnen die heimischen Wirtschaftsforscher noch mit einem kräftigen BIP-Wachstum von 4,7 Prozent (Wifo) bzw. 4,8 Prozent (IHS), 2023 dürfte aber ein Jahr der Stagnation werden.
Ab 2024 erwarten Wifo und IHS wieder ein Anziehen der Konjunktur und Nachlassen des Preisdrucks.
Im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung in Österreich nach Einschätzung des Wifo nur um 0,3 Prozent zunehmen, das IHS rechnet mit einem BIP-Zuwachs um 0,4 Prozent.
Konjunktur zieht wieder an
Auch wenn die Ökonomen keine Anzeichen für ein baldiges Ende des Ukraine-Krieges sehen, der die europäischen Volkswirtschaften belastet, rechnen sie mit einer allmählichen Entspannung auf den Energiemärkten, die die Inflation dämpfen und dazu beitragen dürfte, dass sich die Stimmung nach und nach verbessert und die Konjunktur wieder anzieht. 2024 sollte sich demnach das Wachstum auf 1,8 Prozent (Wifo) bzw. 1,2 Prozent (IHS) beschleunigen.
Die Inflation dürfte ihren Höhepunkt bereits überschritten haben. Die Verbraucherpreise steigen 2022 um 8,5 Prozent. 2023 wird sich der Preisauftrieb auf 6,5 Prozent abschwächen. Der allmähliche Rückgang der Energiepreise dämpft die Inflation trotz hoher Lohnzuwächse; 2024 legen die Verbraucherpreise somit nur mehr um 3,2 Prozent zu.
Die günstige Arbeitsmarktlage und das Auslaufen der COVID-19-Hilfsmaßnahmen verbessern 2022 den Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte. In den Folgejahren dürfte das Defizit wieder deutlich unter die Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP sinken, da etliche Unterstützungsmaßnahmen zur Abfederung des Energiepreisanstiegs wegfallen und die Konjunktur allmählich wieder anzieht.
Konjunktur wird zunächst schwächer
Im Winterhalbjahr 2022/23 dürfte die Wirtschaftsleistung merklich zurückgehen. Gemäß dem WIFO- Konjunkturtest schätzen die Unternehmen die aktuelle Lage in vielen Branchen zwar noch günstig ein, die Erwartungen haben sich jedoch stark eingetrübt. Anhaltend hohe Energiepreise, die starke Preisdynamik und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung dämpfen die Stimmung.
Dennoch scheinen sich die Konjunkturindikatoren zum Jahresende hin etwas zu stabilisieren. Die Rohstoffmärkte entspannen sich leicht, die Lieferkettenprobleme lösen sich aufgrund der schwächer werdenden Nachfrage mit der Zeit auf, und der Höhepunkt der Inflation dürfte überschritten sein.Es ist daher zu erwarten, dass sich die österreichische Wirtschaft ab 2023 allmählich erholt.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird recht stabil gesehen. Heuer sinkt die Arbeitslosenquote auf 6,3 Prozent, steigt 2023 auf 6,5 (IHS: 6,6) Prozent und kommt 2024 auf 6,2 (IHS: 6,5) Prozent zurück.
Verbesserung der öffentlichen Haushalte trotz zahlreicher Unterstützungsmaßnahmen
Die Lage der öffentlichen Haushalte wird im Prognosezeitraum von mehreren, gegenläufigen Faktoren beeinflusst. Zum einen laufen 2022 etliche temporäre Unterstützungsmaßnahmen aus, die zum Ziel hatten, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen abzufedern. Dies verbessert den Finanzierungssaldo.
Zudem verringern sich durch den kräftigen Rückgang der Arbeitslosigkeit die entsprechenden Kosten für die öffentliche Hand. Zum anderen wurden Maßnahmen zur Abfederung der hohen Inflation, wie etwa die Strompreisbremse und Teuerungsausgleiche, neu beschlossen oder aufgestockt. Zudem wurde der Klimabonus angehoben. Für die Unternehmen werden ein Energiekostenzuschuss und eine Strompreiskompensation gewährt, die vor allem 2023 zu höheren Ausgaben führen.
Auch die Indexierung von Sozial- und Familienleistungen und der zweite Teil der Steuerreform belasten 2022 bis 2024 die öffentlichen Haushalte. Die Aufstockung der Erdgasreserven erhöht 2022 merklich die Staatsausgaben. Nicht zuletzt steigen auch die Ausgaben für die Grundversorgung der Ukraine-Vertriebenen und der Geflüchteten aus anderen Ländern. Die steigenden Zinsen schlagen sich allmählich, insbesondere ab 2023, in höheren Ausgaben nieder. Die Zinsausgabenquote bleibt mit 1,3 Prozent (2024) dennoch niedrig.
Insgesamt verbessert sich der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte 2022/2024 deutlich. Das Defizit dürfte, ausgehend von knapp sechs Prozent des BIP 2021, bis 2024 auf 1,6 Prozent zurückgehen. Infolgedessen, aber vor allem aufgrund des kräftigen Wachstums des nominellen Bruttoinlandsproduktes, nimmt auch die Staatschuldenquote von etwa 82 (2021) auf 74 Prozent (2024) ab.
Konjunkturabschwächung verringert Treibhausgasemissionen
In den ersten zehn Monaten 2022 wurde in Österreich aufgrund preisbedingter Einsparungen und der relativ milden Herbst- und Wintermonate deutlich weniger Erdgas verbraucht als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Mit dem Rückgang der Wirtschaftsleistung im IV. Quartal dürfte der Jahresverbrauch um zehn Prozent geringer ausfallen als 2021. Auch der Kraftstoffverbrauch entwickelt sich seit den merklichen Preisanstiegen im März 2022 verhalten, Insgesamt dürften die Treibhausgasemissionen 2022 daher um drei Prozent sinken. Im Jahr 2023 werden sich der Verbrauch von Erdgas und die Stromproduktion aus Wasserkraft wieder normalisieren.
Abwärtsrisiken überwiegen
Die Risiken für die internationale und die österreichische Wirtschaft sind weiterhin erheblich. Im Ukraine-Krieg gibt es keine Anzeichen für eine schnelle Entspannung. Zugleich verschlechtern sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Russland zunehmend. Dies belastet sowohl die russische als auch die europäischen Volkswirtschaften.
Außerdem besteht das Risiko, dass der hohe Preisauftrieb noch länger anhält. Zwar wird für 2023 und 2024 eine deutliche Abkühlung der Inflation prognostiziert; neuerliche Schocks bei den Energie- und Lebensmittelpreisen könnten jedoch die Gesamtinflation längerfristig erhöhen. Dies birgt das Risiko steigender Inflationserwartungen und einer noch restriktiveren geldpolitischen Reaktion.
Bislang scheinen sich diese Risiken noch in Grenzen zu halten, was zum Teil auf die entschiedenere Straffung der Geldpolitik zurückzuführen ist; ein anhaltender Anstieg der Vorleistungskosten könnte die Unternehmen jedoch dazu veranlassen, die höheren Kosten weiterzugeben, um ihre Gewinnspannen zu wahren.
-H. BRAUN
WIFO-Konjunkturprognose
Die Analyse und Prognose der Konjunktur ist eine Kernkompetenz des WIFO. Die Schriftenreihe „WIFO-Konjunkturprognose“ stellt die vierteljährliche Konjunkturprognose vor, die jeweils auf das laufende und nächste Jahr fokussiert. Auf der Website
www.wifo.ac.at/publikationen/wifo-konjunkturprognose sind die Prognosen einsehbar und zum Herunterladen verfügbar.
Über den Autor
Hans Braun ist Chefredakteur des KOMMUNAL.