Eine burgenländische Gemeinde verpflichtet die Gemeindebürgerinnen und -bürger mittels ortspolizeilicher Verordnung, ihre Grundstücke zu pflegen und Wildwuchs hintanzuhalten. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bestätigte nunmehr die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung.
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Auch in der Gartengestaltung scheiden sich hier die Geister. Für den einen gibt es nichts Schöneres als einen naturbelassenen Garten. Für den anderen muss es hingegen der Garten mit englischem Rasen und akkurat gestutzter Hecke sein.
In den meisten Fällen hat man sich mit der Gartengestaltung seiner Nachbarn abzufinden. Solange überhaupt eine Pflege passiert, werden wegen des Gartens in der Regel keine Konflikte im nachbarschaftlichen Zusammenleben entstehen.
Anders gestaltet sich die Situation jedoch, wenn ein Garten nicht (mehr) gepflegt wird und es dadurch zu einem vermehrten Aufkommen von Ungeziefer kommt, das sich dann zum Unmut der Nachbarschaft ebenfalls in deren Gärten ausbreitet. Wenn dann gutes Zureden die Gartenbesitzer nicht zur Gartenpflege motivieren kann, führt der Weg die meist verärgerten Anrainer oft auch aufs Gemeindeamt. Eine burgenländische Gemeinde hatte sich mit einer solchen Situation auseinanderzusetzen.
Verwildertes Grundstück sorgte für Unmut
Ein in der Ortschaft gelegenes, verwildertes Grundstück sorgte in der Gemeinde für Unmut. Abgesehen davon, dass der Wildwuchs von Sträuchern und Bäumen nicht jedermanns ästhetischen Vorstellungen entsprach, ging von dem Grundstück ein vermehrtes Auftreten von Nacktschnecken aus.
Die typischerweise auf ungepflegten Grundstücken vermehrt vorzufindenden beschatteten Feuchträume sorgten für eine „explosionsartige“ Verbreitung der Nacktschnecken. Die Nachbarn hatten damit wenig Freude. Die Gemeinde war deshalb immer wieder mit Beschwerden konfrontiert. Nachdem in dieser Angelegenheit bereits die Volksanwaltschaft eingeschaltet wurde, war die Sache offenbar mit einem Gespräch nicht mehr zu lösen.
Verpflichtung zur Grundstückspflege
Um des Problems Herr zu werden, erließ die Gemeinde eine ortspolizeiliche Verordnung, mit der sie die Grundeigentümern im Gemeindegebiet zur Grundstückspflege verpflichtet.
Die Verordnung gilt für Grundstücke, die im Flächenwidmungsplan als Bauland, Verkehrsfläche, Vorbehaltsfläche oder Grünfläche ohne land- und forstwirtschaftliche Nutzung ausgewiesen sind, und sieht vor, dass Wildwuchs durch Pflanzen jeder Art zu vermeiden ist und Rasenflächen bzw. Wiesen mindestens einmal im Jahr zu mähen sind.
Zudem sind Hecken, Sträucher und Bäume mindestens jährlich auszulichten, morsche bzw. abgestorbene Teile unverzüglich zu entfernen und überhängende Teile zumindest bis zur Grundstücksgrenze zu kürzen. Der Verstoß gegen diese Verpflichtungen wurde unter Strafe gestellt.
Eigentümer bekämpften Verordnung
Die Eigentümer des für die Erlassung der ortspolizeilichen Verordnung anlassgebenden Grundstücks dürften über diese und den Bescheid des Bürgermeisters, mit dem ihnen Maßnahmen zur Gartenpflege aufgetragen wurden, erst recht wenig erfreut gewesen sein. Statt sich mit Gartenarbeiten die Hände schmutzig zu machen, entschieden sie sich deshalb dafür, die bescheidmäßig aufgetragenen Pflegemaßnahmen sowie die ergangenen Straferkenntnisse im Rechtsmittelweg zu bekämpfen.
VfGH entschied für Gemeinde
Und so kam es, dass auch der Verfassungsgerichtshof mit der ortspolizeilichen Verordnung im Rahmen eines Normenprüfungsverfahrens beschäftigt wurde und deren Gesetzmäßigkeit zu prüfen hatte. Mit dem Erkenntnis vom 07.03.2022, V 85/2021, entschied das Höchstgericht im Sinne der Gemeinde. Der VfGH sah die gegen die gegenständliche Verordnung erhobenen Bedenken der Gesetzwidrigkeit nicht zutreffend.
Der VfGH hielt in seinem Erkenntnis fest, dass die Gemeinde gemäß Art. 118 Abs. 6 B-VG nach freier Selbstbestimmung eine ortspolizeiliche Verordnung erlassen darf, wobei sie folgende drei Voraussetzungen zu berücksichtigen hat:
- Die ortspolizeiliche Verordnung muss in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nach Art. 118 Abs. 2 und 3 B-VG gelegen ist,
- die Verordnung soll einen das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstand abwehren oder beseitigen und
- die Verordnung darf nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.
Schnecken stören das Gemeindeleben
Für den VfGH ging aus dem Akt des Verordnungserlassungsverfahrens nachvollziehbar der das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstand hervor. Denn mit der Vermehrung typischerweise unerwünschter Pflanzenarten („Unkraut“) sowie der Anziehung von Kleintieren, Insekten und sonstigen Schädlingen sowie durch ästhetische Beeinträchtigungen gehen – so das Höchstgericht – Nachteile aus, die in ihrer Gesamtheit das örtliche Gemeinschaftsleben stören. Der Gemeinderat als verordnungserlassende Behörde hatte den Missstand entsprechend ermittelt und nachgewiesen. Nach der Rechtsprechung des VfGH kommen dafür Berichte, Protokolle oder Beschwerden von Betroffenen und dergleichen in Betracht.
Der VfGH sah zudem keinen Verstoß der ortspolizeilichen Verordnung gegen ein bestehendes Bundes- und Landesgesetz. Das burgenländische Baugesetz, das burgenländische Feldschutzgesetz und die Straßenverkehrsordnung enthalten zwar Regelungen zur Pflege von Grundstücken. Diese Gesetze stellen jedoch lediglich auf Grundstücke im Bauland, landwirtschaftliche Flächen oder Verkehrsflächen ab und verfolgen andere Zwecke wie den Ortsbildschutz bzw. die Verkehrssicherheit.
Damit schaffen diese Gesetze nicht die gewünschte Abhilfe, weshalb der VfGH kein ausreichendes gesetzliches Instrumentarium zur Beseitigung des in der Gemeinde bestehenden Missstandes erblickte.
Auswirkungen auf andere Gemeinden?
Die nun vorliegende Entscheidung dürfte auch für andere Gemeinden von Interesse sein. Neben der erwähnten burgenländischen Gemeinde finden sich auch in anderen Gemeinden ortspolizeiliche Verordnungen, die zur Grundstückspflege verpflichten.
Wenn zwar an dieser Stelle nicht beurteilt werden kann, ob diese die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen und damit einem Normprüfungsverfahren vor dem VfGH standhalten würden, liegt mit dem aktuellen Erkenntnis des Gerichtshofs eine Entscheidung vor, wonach die von einem verwilderten Grundstück ausgehenden Nachteile einen störenden Missstand im Sinne des Art. 118 Abs. 6 B-VG darstellen und die Gemeinden zum Erlass einer ortspolizeilichen Verordnung berechtigen können.
Dessen ungeachtet bleibt den Gemeinden dennoch zu wünschen, dass sich solche Missstände gar nicht erst auftun beziehungsweise ohne behördlichen Zwang lösen lassen.
-M. PICHLER
Über den Autor
Mathias Pichler ist Fachreferent in der Abteilung Recht & Internationales des Österreichischen Gemeindebundes.