MVV

21.06.2023

Neue Bodenstrategie wird vertagt

Der Beschluss der ersten „Österreichischen Bodenschutzstrategie“, der am Dienstag im Rahmen der österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) hätte erfolgen sollen, ist vertagt worden. Vizekanzler Werner Kogler kündigte den Bundesländern am Montag noch „klare Zielvorgaben“ an, während Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig auf „eine Diskussion des bisherigen Vorschlags“ setzen wollte, letztlich kam es aber zu keiner Einigung, ein neuer Termin steht noch aus.

Datenmodell für Flächennutzung noch unausgereift

Der Entwurf sei am Dienstag zumindest weiter diskutiert worden, hieß es aus dem Landwirtschaftsministerium. Mit der Strategie sollen künftig zentrale Maßnahmen zur substanziellen Reduktion der Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung in Österreich geregelt werden. Bund, Länder, Städte und Gemeinden sowie Wirtschafts- und Sozialpartner sollen wissenschaftlich fundierte Maßnahmen zum Schutz des Bodens umsetzen. Ein Kernelement der Strategie ist ein neues Datenmodell, um künftig genauere und einheitliche Daten zur Flächennutzung in Österreich zur Verfügung zu stellen. Die Umsetzung soll mit Hilfe eines Aktionsplans und einem Monitoring garantiert werden.

Einzelne offene Punkte sollen laut ÖROK-Beschluss in einer Arbeitsgruppe bis nach dem Sommer geklärt werden. In der Arbeitsgruppe werden je zwei Vertreterinnen und Vertreter von Bund und Ländern sowie je eine Vertreterin und ein Vertreter von Gemeinde- bzw. Städtebund vertreten sein.

Die Bodenstrategie enthält vier generelle Ziele: Schutz von Frei- und Grünland, Unterbindung der Zersiedelung, effiziente Innenentwicklung, um geeignete Baulandbestände im Siedlungsgebiet bestmöglich zu nutzen sowie Intensivierung der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.

Viel Kritik von vielen Seiten

Rund 20 Monate sind seit der Ankündigung der Strategie inzwischen vergangen, schon im Vorfeld wurde der Entwurf von NGOs mit Kritik bedacht. Greenpeace kritisierte etwa, dass schon 2002 in der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes das 2,5-Hektar-Ziel genannt wurde, ein politischer Beschluss aber bis heute fehle. Der WWF forderte nach dem Bekanntwerden der Vertagung „einen glaubwürdigen Neustart in der Bodenpolitik“. „Mit uns gibt es keine halben Sachen! Wir brauchen echten Bodenschutz“, sagte Astrid Rössler, Umweltsprecherin der Grünen.“

Auf EU-Ebene gibt es derzeit kein rechtsverbindliches politisches Ziel in Bezug auf Flächenverbrauch und Bodenversiegelung. In der neuen EU-Bodenschutzstrategie wurden jedoch die einzelnen Staaten dazu aufgefordert, Zielvorgaben für die Flächeninanspruchnahme bis 2030 festzulegen – letztlich gilt das Ziel, bis 2050 die Neutralität der Flächeninanspruchnahme zu erreichen.

Der burgenländische Infrastrukturlandesrat Heinrich Dorner (SPÖ), der in diesem Halbjahr Vorsitzender der Raumordnungskonferenz ist, äußerte im Anschluss sein Unverständnis über das Scheitern der Verhandlungen: „Dass nach rund eineinhalb Jahren intensiver Vorarbeit kurz vor Abschluss der Gespräche noch neue Forderungen auf den Tisch gekommen sind und damit kein gemeinsamen Nenner in der Frage einer Bodenstrategie gefunden werden konnte, erschließt sich mir nicht.“ Das Thema sei zu wichtig, er appellierte in einer Aussendung an alle Beteiligten, rasch zu einem Konsens zu kommen. Als „vergebene Chance“ bewertete der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ), Josef Moosbrugger, das Ergebnis der heutigen Sitzung und kritisiert in diesem Zusammenhang das Verhalten der Grünen. Vizekanzler Kogler hielt nach der gescheiterten Verhandlung in einem Statement gegenüber der APA fest, dass die Strategie „ohne verbindliche, klar definierte Ziele … an entscheidender Stelle unvollständig“ bleibe, deshalb werde hier jetzt weitergearbeitet.

„Seit drei Jahren fällt die Bundesregierung mit Untätigkeit beim Schutz unserer wertvollen Böden auf. Jetzt wurde die lang versprochene Bodenschutzstrategie wieder vertagt“, kritisierten indes unisono Klubvorsitzende und SPÖ-Klimasprecherin Julia Herr und SPÖ-Landwirtschaftssprecherin Cornelia Ecker das heutige Scheitern. „Die Absage an eine wirkungslose Bodenstrategie ist eine neue Chance für den Stopp der Bodenzerstörung in Österreich. Wir können uns in der Bodenfrage keine leeren Versprechen mehr leisten – viel zu lange wurde die zerstörerische Betonpolitik vorangetrieben,“ lautete der Kommentar von Olivia Herzog, Biodiversitätsexpertin von Greenpeace in Österreich.

-APA

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