© mohamed Hassan/Pixabay

Bundesländer

Soziales

11.10.2023

Soll man mit seinen Gemeindebürger:innen über Social Media kommunizieren?

Vorweg: Social Media ist keine Einbahnstraße. Wer sich ernsthaft auf Social Media einlässt, muss mit seiner Community auch reden. Die Frage „Müssen wir da etwa antworten?“ ist einfach mit Ja! zu beantworten.

Bis es aber so weit ist, brauchen Sie zunächst eine Community. Um eine „Fanbasis“ aufzubauen, müssen Sie sich zu allererst einmal überlegen, wen Sie ansprechen wollen. Als Gemeinde denkt man da: „Das ist leicht! Ich will die Leute in meiner Ortschaft erreichen.“ Natürlich wird das meist eine gute Entscheidung sein.

Wenn Sie einen IT-Profi anstellen wollen, kann es aber auch sinnvoll sein, den Suchradius auf die nächstgrößere Stadt auszuweiten. Oder auf die nächstgelegene FH, die derartige Kräfte ausbildet. Als Tourismusgemeinde können Sie eventuell sogar Nutzerinnen und Nutzer in Tschechien oder Tirol ansprechen wollen.

Für Reichweite zahlen?

Um all diese Gruppen zu erreichen, kann man, neben zielgerichteten Inhalten, natürlich auch für die Verbreitung der eigenen Inhalte bezahlen. Soziale Medien bieten sehr zielgerichtete Werbemöglichkeiten an. Sie können das Verbreitungsgebiet festlegen, Interessen der Nutzer angeben oder Altersgruppen definieren.

Diese Möglichkeiten können eine hocheffiziente Möglichkeit sein, ohne Streuverluste gezielt Ihre Ansprechpartner zu erreichen. Schon wenige Euro können Ihren Kanal oder einzelne Postings aufs nächste Reichweiten-Level katapultieren. Natürlich geht der Community-Aufbau auch ohne Geld, es dauert aber lange und das Tal der Tränen ist nur mit viel Schweiß, Disziplin und Konsequenz zu überwinden. Regelmäßige Postings mit relevanten Inhalten sind das Um und Auf. Umgekehrt nutzt auch ein riesiges Werbebudget bei schlechten Inhalten wenig.

Hilfe von Profis

Natürlich können Sie sich auch von Agenturen beim Community-Aufbau helfen lassen. Der Community-Spezialist Chris Seidl empfiehlt Kunden, auch in Kooperationen zu denken:

„Man macht einen Kanal als Gemeinde ja nicht allein. Man hat rund herum sogenannte „Stakeholder“, etwa die Feuerwehr oder den Sportverein. Ich würde empfehlen, mit denen zu sprechen, wie man Inhalte gemeinsam kreieren kann, die allen Nutzen bringen. Man kann sich dann mit solchen Gruppen gegenseitig helfen und Beiträge teilen, das bringt sehr viel.“

Eine oft übersehene Möglichkeit, seine Followerzahl rasch zu erhöhen, sind laut Seidl auch Gruppen. Der Experte hat selbst die Facebook-Gruppe „Wir Niederösterreich-Fans“ mit 10.000 aktiven Mitgliedern aufgebaut. Man muss aber nicht gleich eine eigene Gruppe gründen. Fast überall gibt es im Umfeld lokale Gruppen, die sich zu bestimmten Themen austauschen. Einmal nach ihnen im Umkreis der Gemeinde zu suchen und sich aktiv an ihnen zu beteiligen, kann die Reichweite des eigenen Kanals schnell steigern.

Social Media lädt zum Dialog ein

Je größer die Fangemeinde auf Ihrem Kanal wird, umso öfter werden Kommentare, Befindlichkeiten, Kritik bis hin zu Hass im Netz unter Ihren Postings zu finden sein. Nur die eigenen Inhalte online stellen und nicht reagieren, das war einmal.

Social Media ist, anders als der alte Fernsehsender oder die Tageszeitung, dazu konzeptiert, mit seinen Nutzern in Verbindung zu treten und mit ihnen zu interagieren. Social Media ist immer Dialog. Wer als Gemeinde oder Amt auf Social Media-Plattformen auftritt, signalisiert aus Nutzersicht immer Dialogbereitschaft.

Stellen Sie sich vor, Sie laden Bürgerinnen und Bürger „analog“ zu einer Diskussionsveranstaltung zu einem Thema ins Gasthaus. Es erscheinen viele Menschen und stellen interessierte Fragen. Sie als Behörde antworten nicht und ignorieren die Leute. Richtig, das geht gar nicht. Und genau so absurd ist es, in sozialen Medien nicht zu antworten.

Feedback ist wichtig

Die gute Nachricht: Der Dialog mit dem Bürger hat weit mehr positive Effekte als er Gefahren birgt. Einige Beispiele: Über die Dialogfunktion sozialer Medien können Gemeinden und Ämter auf Bürgerfragen eingehen, Missverständnisse auflösen oder Fake News richtigstellen, bevor sich diese zu weit verbreiten.

Das Feedback der Nutzer ist ein wertvoller Gradmesser für Ihre Arbeit in den Gemeinden. Und nicht zuletzt stärkt guter Dialog das Vertrauen in Ihre Gemeinde. Ganz nebenbei zahlen sich viele Interaktionen auch in Form von kostenloser Reichweite aus, weil Algorithmen Beiträge mit reger Diskussion öfter ausspielen als Beiträge ohne Interaktion.

Kritik als Chance

Kommentare oder Direktnachrichten, die Ihnen Nutzer auf sozialen Medien zurücklassen, sind genau so wichtig wie Anrufe, Briefe, E-Mails oder persönliche Vorsprachen. Deswegen sind sie auch genau so zu behandeln und so schnell wie möglich zu beantworten. Grundsätzlich gilt: Seien Sie transparent. Falls Sie eine komplexe Anfrage nicht gleich beantworten können, weil Sie noch Informationen einer Fachabteilung benötigen, dann posten Sie eine Zwischenantwort, dass Sie die Anfrage an die Experten weitergeleitet haben.

Auch auf Kritik sollten Sie offen zugehen. Kritik hilft Ihnen, besser zu werden. Kritik gibt Ihnen auch die Möglichkeit, Stellung zu nehmen oder eine bestimmte Handlungsweise zu erklären.

Wenn Kritik berechtigt ist, empfehlen Experten, Fehler zuzugeben und konkret zu sagen, wie Sie die Situation verbessern wollen. Auch Entschuldigungen können angebracht sein und lösen meist positive Reaktionen aus. Wenn die Kritik unberechtigt erscheint, haben Sie die Möglichkeit, die Dinge richtigzustellen. Erklären Sie, warum etwas so ist, wie es ist. Rechtmäßiges Handeln dürfen Sie auch im Netz selbstbewusst verteidigen.

Am Kürbiskernöl darf man nicht zweifeln

Manche Ämter und Behörden reagieren auch mit Witz und Schlagfertigkeit auf Userkommentare. Die Landespolizeidirektion Steiermark antwortete etwa auf einen offensichtlich satirischen Hilferuf eines Users, dass er in der Steiermark die Qualität des Kürbiskernöls angezweifelt hatte und deswegen gerade ein Scheiterhaufen am Hauptplatz errichtet wird, mit Humor. Es sei nun mal so, dass Kürbiskernöl das beste Öl der Welt sei, und dass man das auch nicht anzuzweifeln habe, so die steirische Polizei sinngemäß.

Rein rechtlich gesehen ist das natürlich bedenklich. Da der Hilferuf aber so offensichtlich satirisch war, traute sich die Behörde eine satirische Antwort zu und das Posting verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Internet. Mit durchschlagend positivem Echo.

Sie als Gemeinde sind in der glücklichen Lage, ebenfalls in einer Behörde tätig zu sein, bei der man sich auch ab und zu einen Scherz erlauben kann. Anders als beim Finanzamt oder beim Bestatter ist ein Augenzwinkern aus der Gemeindestube ab und an durchaus erlaubt und wohltuend. Ein kleiner Tipp: Lassen Sie einen Kollegen oder eine Kollegin vor einem vermeintlich humorvollen Kommentar aber trotzdem darüberschauen, bevor Sie ihn veröffentlichen.

Klare Regeln aufstellen

Keinen Spaß gibt es aber bei bestimmten Themen im Netz. Fast alle Social Media-Ratgeber empfehlen daher eine „Netiquette“, also klare Regeln für Ihren Kanal aufzustellen.

Verboten sind rassistische, sexistische oder homophobe Inhalte genau wie Beleidigungen oder Werbung und Spam in den Kommentaren. Diese können und sollten kommentarlos und so schnell wie möglich gelöscht werden.

Das Unangenehme an dieser Tatsache ist, dass deshalb Social Media-Kanäle auch am Wochenende jemand im Auge haben muss. Man kann sich ausmachen, welcher Kollege in regelmäßigen Abständen über die Seite schaut und bei eventuellen Eskalationen den Social Media-Verantwortlichen informiert. Dass ein Verleumdungsposting von Freitag Mittag bis Montag Früh auf dem Gemeinde-Kanal steht, darf nicht passieren.

Trolls bitte nicht füttern

All diese Formen von Hass im Netz sind nicht dazu gedacht, echte Anliegen zu vertreten, sondern nur, um die hasserfüllte Botschaft des Absenders möglichst weit zu verbreiten. Oft sind die Absender derartiger Botschaften nicht einmal Menschen, sondern Programme, sogenannte Bots. Es bringt daher in keinem Fall etwas, konstruktiv auf derartige Inhalte zu antworten.

„Don`t feed the Troll“, – zu Deutsch „Füttere den Troll nicht“ ist eine Grundregel seit den Anfangstagen von Internetforen. Jede Reaktion auf Hass gibt dem Absender nur die Aufmerksamkeit, die er sich wünscht und ermuntert ihn zu mehr. Zusätzlich zum Löschen können Sie den Nutzer auch blockieren, also aus Ihrer Seite aussperren. Das empfiehlt sich nicht beim ersten Verstoß, aber in hartnäckigen Fällen ist diese harte Maßnahme durchaus gerechtfertigt.

Wo der Spaß aufhört

Als letztes Mittel gegen Hass im Netz vorzugehen, besteht die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Dies kann in Fällen von strafrechtlichen Tatbeständen auch gerechtfertigt sein. Bei Ehrenbeleidigungen („Du Hurensohn!“) Drohungen („Ich zünd‘ das Rathaus an“), Nötigung („Wenn Ihr das nicht ändert, komm ich und hau euch eine in die Goschn“), Verleumdungen („Der Bürgermeister ist ein korrupter Kinderschänder“) oder Aufforderungen zu Straftaten („Man sollte euch alle am nächsten Baum aufhängen“) ist der Weg zur Polizei auf alle Fälle gerechtfertigt und ratsam.

In diesen Fällen machen Sie unbedingt Screenshots der Kommentare zur Beweissicherung, bevor Sie diese löschen. In vielen sozialen Medien kann man Kommentare auch nur „unsichtbar“ machen, was später eine Strafverfolgung erleichtert, weil die Daten des Nutzers noch vorhanden sind.

– Oswald Hicker (Quelle: Kommunal)

 

MEHR ZUM THEMA

Social Media für Gemeinden – vieles ist möglich, nicht alles machbar

Warum wir soziale Medien brauchen

Tik Tok oder Insta: Welches soziale Medium passt zu meiner Gemeinde?

© Copyright - Kommunalnet