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Bundesländer

Recht

06.01.2024

Wer haftet für den „Uraltkanal“?

Es gibt in der Unterwelt Kanäle, die hätte vermutlich sogar Der Dritte Mann aus dem Filmklassiker von Regisseur Carol Reed (Drehbuch Graham Greene) aus dem Jahr 1949 nicht als Fluchtweg genutzt. Mit einem in die Jahre gekommenen, baufälligen Werk hat sich der OGH in einer seiner jüngsten Entscheidungen beschäftigt (Entscheidung vom 31.10.2023, Zl. 10 Ob 12/23x). Die zentrale Rechtsnorm der Entscheidung, § 1319 ABGB bestimmt, dass im Falle, dass jemand durch den Einsturz oder die Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes verletzt oder ein sonstiger Schaden verursacht wird, der Besitzer ersatzpflichtig wird, wenn der Schaden die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes bzw. Gebäudes ist und er nicht beweisen kann, dass er die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt an den Tag gelegt hat. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist sehr breit und reicht vom umfallenden Grabstein bis hin zu umstürzenden Bäumen oder herabfallenden Ästen, auf welche § 1319 ABGB analog angewendet wird.

Im konkreten Verfahren ging es um einen fast 90 Jahre alten, rund 70 Meter langen unterirdischen Kanal, durch den ein Bach geleitet wird. Der Kanal ist mittlerweile einsturzgefährdet und nur unter erheblicher Gefahr begehbar. Die letzte Überprüfung des Bauzustandes fand 1957 statt. 2019 löste sich eine Betonplatte von der Decke der Verrohrung und verstopfte den Kanal, dies führte unterhalb des Einsturzbereiches zum Austrocknen des Baches und einem Fischsterben. Der Fischereiberechtigte klagte auf Schadenersatz und bekam vor dem Höchstgericht Recht – obwohl das Berufungsgericht auf Grund des Umstandes, dass der Kanal in Teilstrecken nur unter Lebensgefahr begehbar sei und auch keine, nach außen wahrnehmbare Gefahr bestanden habe, zunächst keinen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten des Eigentümers erkannte.

Der Oberste Gerichtshof beurteilte die Sorgfaltspflicht des Kanaleigentümers deutlich strenger. Auch wenn er nicht auf jede nur erdenkliche Möglichkeit eines Schadenseintritts Bedacht hätte nehmen müssen, hätte er – ggf. unter Beiziehung eines Fachmannes – Kontrollen durchführen lassen müssen, wenn konkrete Anzeichen ein Baugebrechen vermuten lassen. Die Kostenbelastung spielt eine Rolle, aber selbst hohe Kosten (wie eine Kamerabefahrung mit Kosten von rd. € 25.000) rechtfertigen es nicht, über mehrere Jahrzehnte gar keine Überprüfungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu setzen. Nach der ständigen Rechtsprechung setzt die Haftung nach § 1319 ABGB zwar nach der Rechtsprechung des OGH eine Erkennbarkeit oder Voraussehbarkeit der Gefahr voraus, die Haftung ist aber vor allem deshalb so streng, weil sie mit einer teilweisen Beweislastumkehr verbunden ist. Den Besitzer des Bauwerkes trifft eine Gefährdungshaftung – er selbst muss den Entlastungsbeweis vorlegen, dass er die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Der Geschädigte hingegen muss nachweisen, dass der ihn treffende Schaden die Folge eines mangelhaften Gebäude- oder Werkszustandes ist.

Link zum Urteil:

Urteile und Beschlüsse des OGH

– M. HUBER ist Landesgeschäftsführer im Salzburger Gemeindeverband

 

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