Im Vorfeld organisierte das Bundesministerium für Inneres einen Dialog- und Arbeitsprozess mit Organisationen für Menschen mit Behinderungen, in dessen Rahmen Verbesserungsvorschläge gesammelt und Reformideen erörtert wurden. Unter anderem zeigte sich die Notwendigkeit einer Überarbeitung der im Wahlrecht verwendeten Terminologie. So wurde beispielsweise in den Gesetzen noch von „Pfleglingen“ und von „Bettlägerigkeit“ gesprochen. Nunmehr wurde eine zeitgemäße Terminologie in die Novellierungen aufgenommen.
Erleichterungen für Sehbehinderte
Um die Stimmabgabe für blinde und stark sehbehinderte Menschen ohne Hilfspersonen weiter zu erleichtern, wurde eine Abschrägung des Stimmzettels normiert: Zukünftig werden sowohl die Stimmzettel-Schablone, als auch der Stimmzettel an der rechten, oberen Ecke abgeschrägt sein – dies soll das selbständige Ausfüllen des Stimmzettels weiter erleichtern.
Barrierefreie Wahllokale
Eine wesentliche Erleichterung für Menschen mit Behinderung stellt auch die gesetzliche Verankerung des Erfordernisses von barrierefreien Wahllokalen mit einer barrierefrei ausgestatteten Wahlzelle dar. Ab 1. Jänner 2024 hat in einem Übergangszeitraum von vier Jahren in jedem Gebäude mit Wahllokalen zumindest ein Wahllokal barrierefrei erreichbar zu sein. Ab 1. Jänner 2028 müssen sämtliche Wahllokale zwingend barrierefrei erreichbar sein.
Für blinde und schwer sehbehinderte wahlberechtigte Personen sind in Gebäuden mit Wahllokalen geeignete Leitsysteme oder gleichwertige Lösungen (etwa ein Begleitdienst durch Orderinnen und Ordner) vorzusehen.
Auch wenn man eine Wahlkarte gleich nach Ausübung der Briefwahl bei der ausstellenden Gemeinde wieder abgeben möchte, muss dafür ab 1. Jänner 2024 ein barrierefrei erreichbarer Ort bereitstehen.
Weitere Neuerungen betreffen die Mindest-Schriftgrößen für bestimmte Drucksorten und das Erfordernis von Informationen über den Wahlvorgang in leicht lesbarer Sprache.
Das Layout der Wahlkarte wurde neu gestaltet – in Zukunft werden zwecks größtmöglicher Übersichtlichkeit nur noch wenige Informationen unmittelbar auf der Kuverttasche abgedruckt sein; das Feld für die eidesstattliche Erklärung wurde vergrößert. Explizit wurde klargestellt, dass gesetzlichen Vertretern (etwa Erwachsenenvertretern) in Wahlsachen kein Vertretungsrecht zukommt.
Neue Wahlkartenlogistik
Ein weiteres Herzstück des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2023 bildet eine umfangreiche Neuordnung der Wahlkartenlogistik: Zukünftig sollen zur Briefwahl verwendete Wahlkarten primär direkt am Wahltag bei den örtlichen Wahlbehörden (in der Regel den Sprengelwahlbehörden) ausgewertet werden, und nicht erst am Tag darauf bei den Bezirkswahlbehörden. Dadurch wird es am Wahlabend ein wesentlich präziseres und aussagekräftigeres Ergebnis geben als bisher.
Zur Wahrung des Wahlgeheimnisses wird dies erforderlich machen, dass bei der nächsten Bundespräsidentenwahl in einem möglichen zweiten Wahlgang alle wählenden Personen einen „leeren amtliche Stimmzettel“ ausgefolgt bekommen.
Dennoch war dem Gesetzgeber das Weiterbestehen der Stimmabgabe in Präsenz außerhalb des „eigenen“ Wahllokals, etwa vor einer fliegenden Wahlkommission, ein Anliegen – insbesondere, um erkrankte Menschen oder solche mit Behinderungen weiterhin bestmöglich miteinzubeziehen.
Zwecks Transparenz werden Wählerinnen und Wähler online, mittels einer Handysignatur bzw. der ID Austria, nachvollziehen können, ob nach einem Antrag tatsächlich bereits eine Wahlkarte für sie ausgestellt worden ist bzw. ob diese nach einer Stimmabgabe bei der zuständigen Behörde eingelangt ist.
Was bislang nur in Statutarstädten möglich war (und sich dort großer Beliebtheit erfreute), wird ab 1. Jänner 2024 in allen Gemeinden zulässig sein: Wer eine Wahlkarte bei einer Gemeinde persönlich abholt, wird dort sofort mittels Briefwahl wählen und die Wahlkarte wieder abgeben können. Dadurch wird es de facto über mehrere Wochen zu einer Art „Vorwahltag“ kommen.
Damit möglichst keine Briefwahlstimmen „stranden“, wurde eine verpflichtende Leerung aller Briefkästen durch die Post am Samstag vor dem Wahltag in der Rechtsordnung verankert.
Wahlbehörden
Die Tätigkeit in einer Wahlbehörde bleibt ein „öffentliches Ehrenamt“, zu dessen Annahme man in der Hauptwohnsitz-Gemeinde verpflichtet ist. Zukünftig wird es aber eine einheitliche Entschädigung für alle Beisitzerinnen und Beisitzer geben, die nach den Öffnungszeiten der Wahllokale bzw. den Arbeitsstunden der Wahlbehörden gestaffelt ist.
Um dem Frequenzmangel in Wahlbehörden zu begegnen, wurde auch die Nachnominierung von Mitgliedern in Wahlbehörden bei einem „Leerbleiben“ während einer Legislaturperiode bzw. vor Wahlereignissen für zulässig erklärt.
Zur Durchsetzung der Ordnungsgewalt der Wahlleiterin oder des Wahlleiters wurde eine Möglichkeit der Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes normiert.
Die große Novelle wurde zum Anlass genommen, um auch verschiedene legistische und administrative Bereinigungen und Vereinfachungen umzusetzen: Der Zeitpunkt der zwingenden konstituierenden Sitzung von Sprengelwahlbehörden wurde nach hinten verschoben. Klargestellt wurde, dass innerhalb einer wahlwerbenden Gruppe jeder Ersatzbeisitzer jeden Beisitzer vertreten kann. Klargestellt wurde auch, dass die Berufung von Mitgliedern der Gemeindewahlbehörden aufgrund des Wahlergebnisses inklusive der Wahlkarten zu erfolgen hat.
Entlastung der Gemeinden
Das Wahlrechtsänderungsgesetz bringt auch Vereinfachungen für die Gemeinden mit sich. So wurde die verpflichtenden Hauskundmachung in größeren Gemeinden, die Aufschluss über die Wahlberechtigten in einem Gebäude gab, abgeschafft. Anstelle dessen tritt ein österreichweiter Aushang ohne personenbezogene Informationen, mit dem über den bevorstehenden Wahltermin und die Möglichkeit einer Einsichtnahme in das Wählerverzeichnis bei den Gemeinden informiert wird. Mit einem QR-Code und einem Link wird man direkt zu einem Portal gelangen, wo man mittels elektronischer Signatur abfragen kann, ob man sich im Wählerverzeichnis befindet.
Sowohl während des Einsichtszeitraums in die Wählerverzeichnisse als auch während eines Eintragungszeitraumes für Volksbegehren wurde die verpflichtende Öffnung der Gemeinden an einem Samstag gestrichen. Während eines Volksbegehrens-Eintragungszeitraumes ist auch nur mehr an einem Tag, nicht an zwei, ein Offenhalten bis in die Abendstunden erforderlich. Diese Neuerung gilt bereits seit Februar 2023. Mit der Änderung wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Samstagsstunden in den Gemeindeämtern in der Praxis nicht mehr genutzt wurden.
„Die Reform des Wahlrechts trägt der Digitalisierung Rechnung und entspricht auch den Lebensgewohnheiten der Menschen in unserem Land. Durch die Anpassung der Zeiten für die Eintragung zu einem Volksbegehren werden die tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindeämter, die oftmals erster Ansprechpartner in behördlichen Fragen für die Menschen in Österreich sind, entlastet“, sagte Innenminister Gerhard Karner anlässlich der Beschlussfassung des Wahlrechtsänderungsgesetzes im Nationalrat. Das Gesetzespaket erhielt die Zustimmung aller fünf im Nationalrat vertretenen Parteien.
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