Nachhaltigkeit ist nicht nur in den Köpfen der Menschen und den Führungsetagen der Unternehmen angekommen, sondern längst auch in den Städten und Gemeinden. Auch die Finanzierung soll nachhaltiger werden – nur stellen die Fragen der Banken und Kreditinstitute Kommunen oft vor Herausforderungen.
Was wollen die Banken wissen?
Aus der Sicht von Banken sind nachhaltige Investitionen auch Kredite, die vergeben werden. Also fragen Banken im Zuge von Kreditvergaben zunehmend nach den nachhaltigen Aspekten eines kommunalen Finanzierungsobjekts. Diese und weitere Fragen zu nachhaltigen Merkmalen können Banken zum Beispiel stellen:
- Wie energieeffizient ist das Gebäude, beispielsweise ein Kindergarten, das errichtet werden soll?
- Ist die Energieversorgung mit erneuerbaren „grünen“ Energiequellen vorgesehen?
- Wird eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eigenen Strom erzeugen?
- Werden für den Bau recycelte Baustoffe verwendet?
- Wie werden sich zum Bespiel bei einem neuen Schulprojekt die Schülerzahlen entwickeln?
Dazu kommt, dass Banken die mit ihren Investitionen (Kreditvergaben) verbundenen Nachhaltigkeitsrisiken erheben und bewerten müssen. Auch das ist ein Grund dafür, dass Banken neben Bonität und Zahlungsfähigkeit von Kreditnehmern vermehrt Fragen zu nachhaltigen und umwelt- und klimabezogenen Merkmalen der zu finanzierenden Projekte stellen.
Auch die Lage eines zu finanzierenden Gebäudes kann eine Rolle spielen, wenn es etwa auf einer potenziell (durch den zunehmenden Klimawandel) überschwemmungsgefährdeten Fläche gebaut werden soll. Banken müssen auf Basis eines Leitfadens der Finanzmarktaufsicht unter anderem berücksichtigen, ob Naturkatastrophen die Schuldentragfähigkeit von Kreditnehmern beeinträchtigen können.
Vor allem kleinere Gemeinden müssen also gleich zu Beginn „ins kalte Wasser springen“ und sich darauf vorbereiten, Antworten auf mögliche Fragen zu geben. Geht es dann darum, im Detail Finanzierungen zu beantragen, wird an externen Beratern wohl kein Weg vorbeiführen. Aber es geht auch mit einem einfachen Start.
ESG-Vorteile durch einfache Themenstellungen
Aktuell sind allgemein gültige Fragen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit für Kommunen in Österreich weder vom Gesetzgeber noch von der Finanzmarktaufsicht Österreich (FMA) oder großen Beratungshäusern abschließend definiert. Trotzdem ist es uns gelungen, mit einfachen Themenstellungen bereits jetzt ESG-Vorteile in der Finanzierung der Gemeinden sichtbar zu machen.
Dabei handelt es sich um Informationen, die in vielen Fällen bei kommunalen Projekten ohnehin vorhanden sind und nur intensiver aufbereitet werden müssen. Detaillierte Projektbeschreibungen inklusive Flächen- und Kostenaufstellungen, Energieausweise und konkrete Angaben über Kapazitäten vor und nach einer Investition können nicht nur hilfreich, sondern auch Ausgangspunkt für niedrigere Finanzierungskosten sein. Vielleicht müssen aktuell auch die Gemeinden diesbezüglich proaktiv auf die Banken zugehen.
Passende Antworten führen zu ESG-Bonifikationen
Sozusagen als Lohn für die nachhaltigen Merkmale von Finanzierungsprojekten können die Darlehenszinsen günstiger sein. Dieser geldwerte Vorteil gewinnt gerade in Zeiten hoher Zinsen an Attraktivität. Die aktuelle Vergabepraxis bei Finanzierungen bestätigt dies bereits. Gerade bei Schul- und Kindergarten-Investitionen sehen wir derzeit erste finanzielle ESG-Bonifikationen bei den Zinssätzen.
Nachhaltigkeit ist bei Städten und Gemeinden längst angekommen und für das Erreichen von diversen Klimazielen absolut notwendig. Nun geht es um eine mögliche kommunale Nachhaltigkeitsstrategie, die sich auch auf die Finanzierungskosten von Gemeinden niederschlagen kann. Dafür ist es erforderlich, in den Gemeinden einen diesbezüglichen Strategieprozess zu etablieren.
Kommunen setzen voraus, dass sie zu jeder Zeit über eine hervorragende Bonität verfügen und attraktive Finanzierungskonditionen erhalten. Selten fragt man sich, wie die Bonität zu verbessern wäre, um in den Genuss von noch attraktiveren Konditionen zu kommen. Eine Möglichkeit dazu bietet die Nachhaltigkeit.
Bei Nachhaltigkeit und ESG geht es nicht nur um ökologische und ökonomische, sondern auch um soziale Themen. Unter Berücksichtigung aller Stakeholder ist es sinnvoll, für eine Standardisierung zu sorgen. Dazu erscheinen Fragebögen ein sinnvolles Instrument zu sein. Auch wenn es derzeit noch keine offiziellen Fragebögen für die öffentliche Hand gibt, erwarten wir zukünftig umfangreiche ESG-Fragebögen für Städte und Gemeinden.
Das ESG-Scoring
Dabei spielen auch Daten eine große Rolle. Diese sollten sowohl auf Mikro- als auch auf Makroebene erfasst, validiert bzw. evaluiert werden. Als Gemeinde kann man die zu Abertausenden anfallenden Informationen etwa aus der eigenen Infrastruktur, beispielsweise der Wasserversorgung oder dem Verkehr im Ort, erfassen und sogar höchst gewinnbringend nutzen.
Dazu ist es erforderlich, sich im Rahmen der Digitalisierung auch mit dem Datenmanagement zu beschäftigen und nach Data-Warehouse-Lösungen zu suchen. Tatsächlich fallen in jeder Gemeinde unzählige Daten an, deren optimale Nutzung etwa beim Aufspüren von Fehlern in den kommunalen Systemen, zum Beispiel Lecks im Wasserleitungsnetz, helfen können und so besseres Wirtschaften ermöglichen.
Als Ergebnis könnte nicht nur eine Aggregierung von Daten erfolgen, sondern auch ein ESG-Scoring für die öffentliche Hand abgeleitet werden. International gibt es dazu schon Beispiele, zum Beispiel in der Schweiz.
-H. HOFSTAETTER (erstmals erschienen im KOMMUNAL)
Billigeres Geld bei nachhaltigen Investitionen durch Green Finance?
Die EU-Offenlegungsverordnung ist ein zentrales Regelwerk des europäischen Grünen Deals und spricht direkt die Finanzindustrie an. Indirekt ergeben sich aber weitreichendere Auswirkungen. Die EU-Kommission bekräftigt darin ihren Plan, Kapital zu mobilisieren, um dringende Maßnahmen gegen die „katastrophalen und unabsehbaren Folgen des Klimawandels, der Ressourcenverknappung und anderer nachhaltigkeitsbezogener Probleme“ zu finanzieren. Dieses Kapital soll nicht nur von der Politik bzw. der öffentlichen Hand bereitgestellt werden, sondern auch vom Finanzdienstleistungssektor.
Daher wird die Finanzindustrie angehalten (um nicht zu sagen verpflichtet), Anlagegelder verstärkt in nachhaltige Investitionen umzulenken, die dem Erreichen von ESG-Zielen dienen. Privatanlegern stehen dafür zum Beispiel nachhaltige Finanzprodukte, wie „grüne“ Investmentfonds, zur Verfügung.
Über den Autor
Heinz Hofstaetter ist Geschäftsführer der FRC – Finance & Risk Consult GmbH, einem Dienstleister zum Thema Finanzierung, Veranlagung und Risikomanagement für Gemeinden in Österreich.