Die elektronische Durchführung von Vergabeverfahren ist seit dem Bundesvergabegesetz 2018 ab einem bestimmten Auftragswert verpflichtend. Nur in Einzelfällen gibt es davon Ausnahmen. Auftragsvergaben im Unterschwellenbereich (Grundregel: Auftragswert bis 214.000 Euro) müssen hingegen nicht elektronisch durchgeführt werden.
Für die größeren öffentlichen Auftraggeber ist die elektronische Abwicklung von Vergabeverfahren Standard. Viele unter ihnen, allen voran ÖBB sowie Asfinag, ließen entweder selbst eine elektronische Vergabeplattform entwickeln oder das System eines Anbieters an ihre Bedürfnisse adaptieren und oft in ihre Website integrieren. In Österreich gibt es zahlreiche Anbieter für Vergabeplattformen. Die bekanntesten unter ihnen sind ANKÖ, Lieferanzeiger und Vemap. Auch im Unterschwellenbereich, wo die e-Vergabe nicht verpflichtend ist, führen diese Auftraggeber die Vergabeverfahren meistens elektronisch durch.
Für Gemeinden stellt sich aber oft die Frage: Zahlt sich die e-Vergabe überhaupt aus?
Die Skepsis gegenüber der e-Vergabe ist bei vielen groß. Das ist nicht ganz unbegründet.
Kosten und Zeitaufwand spielen große Rolle
Zum einen ist die Nutzung von Vergabeplattformen in Österreich kostenpflichtig. Diese Investition überlegt sich eine Gemeinde natürlich. Diese Kosten sind aber nicht der alleinige Grund, ja oft nicht einmal der Hauptgrund für eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Einführung der e-Vergabe.
Vor allem die Zeit, die ein Mitarbeiter der Gemeinde benötigt, um sich mit der Vergabeplattform vertraut zu machen, ist nicht zu unterschätzen. Die Plattformen der einzelnen Anbieter sind unterschiedlich aufgebaut, sodass sich ein Benutzer mit den Besonderheiten der konkreten Plattform vertraut machen muss. Die Verwendung einer Vergabeplattform erfordert somit Einarbeitungszeit. Es gibt daher einen erheblichen internen Aufwand zu Beginn. Auch die ersten Vergabeverfahren, die ein Auftraggeber elektronisch durchführt, sind natürlich intern aufwendiger als die gewohnte Abwicklung. Eine Umstellung der bisher vertrauten Prozesse ist notwendig.
Vorteile einer e-Vergabe
Und dennoch, obwohl diese Bedenken verständlich sind, überwiegen die Vorteile einer e-Vergabe:
Die Einarbeitungszeit ist überschaubar. Nach einer Einarbeitungszeit wird auch die Nutzung einer elektronischen Vergabeplattform zur Gewohnheit. Dann ist die Abwicklung des Vergabeverfahrens selbst einfach und im Ergebnis auch weniger zeitaufwendig für die Gemeinde. So werden unterschiedliche Schritte automatisiert; zum Beispiel können Formulare automatisch vorausgefüllt werden oder Protokolle (zum Beispiel Angebotsöffnungsprotokolle) werden automatisch generiert.
Fehlerquellen werden vermieden
Der größte Vorteil liegt aber darin, dass durch die e-Vergabe auch häufige Fehlerquellen vermieden werden. So legen die Unternehmer zum Beispiel selbst ihre Kontaktdaten an – damit kommen Tippfehler bei E-Mail-Adressen oder Fehler bei der Bezeichnung des Unternehmers kaum vor. Auch viele Unachtsamkeitsfehler, wie die Offenlegung der Namen anderer Bieter durch das Versenden an alle Kontaktdaten (nicht in Blindkopie), können vermieden werden. Genauso ist einfach erkennbar, welche der gestellten Fragen bereits beantwortet wurden und welche noch zu beantworten sind. Die e-Vergabe schafft damit viele Erleichterungen für einen Auftraggeber und räumt zahlreiche Fehlerquellen aus.
Mit der e-Vergabe können aber genauso Fehlerquellen aufseiten der Bieter beseitigt werden, indem zum Beispiel technische Maßnahmen verhindern, dass die Angebotsabgabe abgeschlossen werden kann, wenn bestimmte Dokumente oder Angaben in einem Formular fehlen.
Darüber hinaus kann aufseiten der Gemeinden und der gegebenenfalls beigezogenen Techniker auch der organisatorische Aufwand verringert werden: So kann unterschiedlichen Personen die Zugriffsberechtigung auf eine elektronische Vergabeplattform eingeräumt werden.
Abwesenheiten einzelner Personen wegen Urlaub oder Krankheit stellen daher seltener eine Herausforderung dar. Den Zugriffsberechtigten können oft auch unterschiedliche Kompetenzen zugewiesen werden. Es kann etwa festgelegt werden, dass eine Person bearbeiten, aber nicht als finalen Schritt freigeben kann; für andere Personen kann mitunter auch nur die Berechtigung zum Mitlesen, nicht jedoch zur Bearbeitung eingeräumt werden.
e-Vergabe ist transparenter
Außerdem ist die e-Vergabe und die ausschließliche Kommunikation über eine solche Plattform aus Sicht der Objektivität und Transparenz zu empfehlen. Es bestehen etwa technische Maßnahmen, damit ein Zugriff auf die Angebote erst nach Ablauf der Angebotsfrist erfolgen kann.
Nicht zuletzt bietet die Nutzung von Vergabeplattformen auch eine höhere Datensicherheit. Bieter versehen ihr Angebot mit einer qualifizierten elektronischen Signatur und laden dieses hoch. Nur eine solche Signatur ist rechtlich zur eigenhändigen Unterschrift gleichwertig. Eine eingescannte Unterschrift hat diese rechtliche Wirkung nicht.
Manchmal sind diese technischen Anforderungen natürlich auch eine Herausforderung für Bieter. Die qualifizierte elektronische Signatur (Handysignatur) ist jedoch weit verbreitet und es gibt einfache Möglichkeiten, das in den Griff zu bekommen. Die Anbieter der Vergabeplattformen bieten oft auch gute Unterstützung.
Großes Potenzial für Gemeinden
Obwohl eine Zurückhaltung gegenüber der freiwilligen elektronischen Durchführung von Vergabeverfahren verständlich ist, überwiegen somit jedenfalls die Vorteile. Dieses Potenzial sollten Gemeinden nicht ungenützt lassen. Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Viele Rechtsanwälte, auch CMS, verfügen über eine elektronische Vergabeplattform und übernehmen die Durchführung des (elektronischen) Vergabeverfahrens. Gerade wenn Vergabeverfahren nicht so häufig durchgeführt werden, kann das eine interessante Alternative für Gemeinden sein.
Im Überlick:
Vorteile der e-Vergabe
- Die Einarbeitungszeit ist überschaubar, der Vorgang wird rasch Gewohnheit.
- Durch die e-Vergabe können auch häufige Fehlerquellen vermieden werden.
- Es ist einfach erkennbar, welche gestellten Fragen bereits beantwortet wurden.
- Mit der e-Vergabe können auch Fehlerquellen aufseiten der Bieter beseitigt werden.
- Der organisatorische Aufwand kann verringert werden.
- Die e-Vergabe und die ausschließliche Kommunikation über eine solche Plattform ist aus Sicht der Objektivität und Transparenz zu empfehlen.
- Die Nutzung von Vergabeplattformen bietet eine höhere Datensicherheit.
Nachteile der e-Vergabe
- Die Nutzung von Vergabeplattformen ist in Österreich kostenpflichtig.
- Die Verwendung einer Vergabeplattform erfordert Einarbeitungszeit. Es gibt daher einen erheblichen internen Aufwand zu Beginn.
- Eine Umstellung der bisher vertrauten Prozesse ist notwendig.
– R. BITTNER
Über die Autorin
Ruth Bittner ist Juristin mit Schwerpunkt auf Öffentlichem Auftragswesen und als Associate bei CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte tätig.