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03.04.2024

Mehrfachnutzen von Hochwasserschutzanlagen

Unseren Gewässern wieder mehr Raum zu geben ist Basis sowohl für vorbeugenden, dezentralen Hochwasserschutz als auch für ökologische Verbesserungen im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie für Erholungsraum unserer Bürgerinnen und Bürger, wie viele gelungene Beispiele aus Gemeinden zeigen. Die atmosphärische Aufbereitung für einen derartigen integrativen Ansatz zur nachhaltigen Nutzung unserer Ressourcen erfolgt ganz maßgeblich in den Gremien des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbandes (ÖWAV).

Die erfolgreiche Entwicklung von Siedlungen ist in Mitteleuropa zumeist an Gewässer gebunden. Fließgewässer waren für die Bewohnerinnen und Bewohner über lange Zeit Basis für Ernährung, Handel, Transport und Industrie. Den ersten Ingenieurbauten der Menschheit lag das Streben nach Beherrschung der Gewässer zugrunde. Die Ziele von Regulierungsmaßnahmen waren vorwiegend Landgewinn für urbane Räume und Landwirtschaft, oft auch die Energienutzung und nicht zuletzt Bändigung der im Hochwasserfall zerstörerischen Wassermassen.

Die Mehrzahl unserer Flüsse ist heute technisch überformt, ihr Erscheinungsbild weicht meist stark von ihrem ursprünglichen Charakter ab. In unseren Städten sind Gewässer vielfach kaum mehr erlebbar – und oft nicht einmal mehr sichtbar.

Für dynamische Prozesse ist wenig Raum vorhanden. Nicht zufällig sind an Gewässer gebundene Ökosysteme und die darin lebenden Tier- und Pflanzenarten in den Fokus des Naturschutzes gerückt.

Begradigungen bringen keine Sicherheit

Zahlreiche Hochwasserkatastrophen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass Begradigung und rasches Weiterleiten des Hochwassers die Sicherheit von Siedlungsräumen oft nicht gewährleisten können. Dezentrale Flächen für einen temporären Wasser- und Geschieberückhalt sowie die Verlangsamung des Abflusses durch Bepflanzungs- und Strukturierungsmaßnahmen im Abflussraum können die Hochwasserproblematik entschärfen.

In diesen aktuellen Projekten steht daher nicht mehr der Anspruch an einen ­zeitgemäßen technischen Hochwasserschutz allein im Mittelpunkt. Fließgewässer fristen nicht mehr ein verstecktes Dasein an der Rückseite unserer Siedlungsgebiete, sie werden zunehmend als Freiraum und Erholungslandschaft entdeckt. Ästhetisch hochwertige Gestaltung und die Erlebbarkeit von Gewässerräumen werten diese Flächen für Nutzerinnen und Nutzer wesentlich auf.

Bepflanzungsmaßnahmen wirken

Bepflanzungsmaßnahmen an Gewässern wirken sich positiv auf die kleinklimatischen Verhältnisse aus und tragen wesentlich zu einer Temperaturabsenkung in Hitzeperioden bei. Sie stellen außerdem eine Barriere gegen den Eintrag von Substanzen ins Gewässer beziehungsweise in den Grundwasserkörper aus den umliegenden Flächen dar.

Nicht zuletzt bieten sich im Zuge der Realisierung derartiger Projekte vielfältige Möglichkeiten für die Umsetzung ökologischer Begleitmaßnahmen. Fließgewässer können bei entsprechender Gestaltung und Pflege durch die ÖWAV-Gewässermeister eine wichtige Funktion für die Vernetzung von Lebensräumen erfüllen. Hochwasser-Rückhalteräume sind als Trittsteine für zahlreiche Arten und damit für die Biodiversität von hoher Bedeutung.

Beispiel 1: Landschaftspark Gänserndorf
(Niederösterreich, errichtet 2006, Fläche rd. 8,3 ha)

Der Retentionsraum für den Weidenbach am Rand der Stadt Gänserndorf ist durch ein Wegenetz erschlossen und bietet vielfältige Möglichkeiten für die Naherholung. Große Wiesen-, Röhricht- und Gehölzflächen sind Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten. Darüber hinaus bevölkern eine Gänse- sowie eine Ziegenherde das Gelände.

Der ehemals in einem Trapezprofil regulierte Weidenbach wurde im Bereich des Rückhaltebeckens aus seinem Korsett befreit. Der nunmehr pendelnde Gewässerlauf wurde strukturiert und bepflanzt.

Beispiel 2: Rückhaltebecken Zelting
(Steiermark, errichtet 2015, Fläche rd. 4 ha)

Das Rückhaltebecken Zelting im Grenzbereich zu Slowenien bewährt sich nicht nur als wirkungsvoller Hochwasserschutz. Für den sanften Tourismus im Gebiet um Radkersburg ist die Anlage zu einem beliebten Ziel geworden.

Die flach ausgebildeten Dämme fügen sich harmonisch in den Landschaftsraum ein. Randlich gliedern Gehölzgruppen und Einzelbäume die Fläche. Wechselfeuchte Mulden sind Lebensraum zahlreicher Reptilien und Amphibien. Das Rückhaltebecken ist auch Anziehungspunkt für Naturliebhaber, die hier seltene Vogelarten beobachten können.

Beispiel 3: Rückhaltebecken Watzelsdorf
(errichtet 2013, Fläche rd. 11 ha)

Im Zuge der Errichtung des Rückhaltebeckens Watzelsdorf konnte der Pulkau auf rund 1,5 Kilometern Länge wieder ein nicht befestigtes Flussbett zurückgegeben werden. Damit entstand im ortsnahen Bereich ein Refugium für verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Auch für die Freizeit- und Erholungsnutzung in der Region bedeutet die Anlage eine wesentliche Aufwertung. Die Wiesenflächen werden von einem lokalen Landwirt durch Beweidung bewirtschaftet.

Beispiel 4: Uferabflachungen an der Leitha
(errichtet 2019, Fläche rd. 1,3 ha)

An der Leitha wurden im Bereich der Gemeinden Prellenkirchen und Rohrau Uferabflachungen hergestellt. Strukturierungselemente werten den Gewässerraum ökologisch auf. Neben mehr Platz und einer ökologischen Verbesserung für das Gewässer bedeuten diese Maßnahmen auch für die Naherholung eine Aufwertung, was sich besonders in den Corona-Sommern 2020 und 2021 gezeigt hat.

Beispiel 5: Maßnahmen an der Pram im Bereich der Gemeinden Zell an der Pram und Riedau
(errichtet 2011–2015, Maßnahmen auf einer Gewässerlänge von rund 3 km)

Im Projektabschnitt wurde auf einer Länge von rund drei Kilometern der Abflussquerschnitt der Pram verbreitert und damit das Abflussvermögen des Flusses erweitert. Zusätzliche Retentionsräume können nun rund 45.000 m³ Wasser speichern. Im Zuge der Umsetzung des Projekts wurden die Regulierungsmaßnahmen aus den 1960er-Jahren rückgebaut und der Gewässerlauf wurde durch den Einbau von Strukturierungselementen aufgewertet. Fünf bestehende Querbauwerke wurden so umgebaut, dass sie nunmehr für Wasserorganismen passierbar sind. Einmündende kleinere Gewässer wurden sohlgleich an die Pram angebunden. Das Gewässervorland wurde bepflanzt.
Der neu gestaltete Freiraum wird gerne von der Bevölkerung der beiden Gemeinden für die Naherholung genutzt.

– S.KARL

Über die Autorin

Susanne Karl ist Mitglied des ÖWAV-Arbeitsausschusses Gewässerbetreuung, der sich unter anderem mit der Ausbildung von Personal in diesem Bereich befasst.

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