Die ÖBB und der Österreichische Gemeindebund richten einen direkten Draht zur Lösung von Konfliktfällen wegen Kreuzungssicherungen oder Bahnhofsausstattungen ein.
All das regt (nicht nur) Niederösterreichs Gemeinden auf. Franz Hammerschmid, Bereichsleiter bei der ÖBB-Infrastruktur AG, und Gemeindebundpräsident Hannes Pressl haben deshalb nach Lösungen gesucht. Eine bessere Kommunikation ist dabei ein wesentlicher Teil des Pakets. In der Vergangenheit ist da schon viel gelungen, jetzt kommen die kniffligeren Fälle.
Hintergrund ist die Tatsache, dass Gemeinden beträchtliche Mitfinanzierungen und Aufwände bei Eisenbahnanlagen tragen (Eisenbahnkreuzungen, Park & Ride-Anlagen, öffentliche WCs, Bahnhöfe und deren Vorplätze, Haltestellen etc.). Teils sind die Beiträge der Gemeinden gesetzlich festgelegt (etwa bei Eisenbahnkreuzungen), teils werden diese für die Umsetzung bestimmter Eisenbahnprojekte, die im „besonderen regionalen Interesse“ liegen, ohne gesetzliche Verpflichtung schlicht vorausgesetzt (§ 44 Bundesbahngesetz).
Und wenngleich in einer Mehrzahl der Fälle (der umgesetzten Eisenbahnprojekte) eine Lösung zwischen Gemeinde und ÖBB-Infra friktionsfrei gefunden werden kann, gibt es aus unterschiedlichen Gründen (keine Verhandlungen auf Augenhöhe, kein Eingehen auf die individuelle Situation der Gemeinde) immer wieder Problemfälle, die letzten Endes beiden Seiten schaden. In einem Video haben sich vor einigen Wochen betroffene Bürgermeister stellvertretend für viele Kollegen an die Öffentlichkeit gewandt.
Der Wille zur Lösung
Hammerschmid als Chef der strategischen Planung der ÖBB-Infrastruktur: „Wir haben uns sehr offen, auch sehr direkt, aber mit dem Willen zur Lösung ausgetauscht. Wir haben natürlich auch unsere Grenzen, die zum Beispiel den Finanzfluss regeln, und daran halten wir uns. Wir suchen aber immer nach Lösungen, die für beide Seiten und den Steuerzahler und die Steuerzahlerin machbar und vertretbar sind.“
Auch ganz konkrete Ergebnisse wurden bei dem Gespräch erzielt: Die Grenze, ab welchem Fahrgastaufkommen die ÖBB für WC- und Liftanlagen aufkommen, wurde auf 500 Fahrgäste pro Tag (1.000 Ein- und Aussteiger) festgelegt. Darunter müssten Gemeinden die Finanzierung übernehmen, sofern sie eine bessere Ausstattung wie einen Lift oder ein WC wünschen.
Und sollte kein Konsens in Sicht sein oder die Sache gar „zu entgleisen“ drohen, dann wird ab sofort ein heißer Draht zwischen Gemeindevertretung und ÖBB-Management eingerichtet – siehe Kasten rechts. Der Gemeindebund hat für jedes Bundesland einen konkreten Ansprechpartner der ÖBB-Infra, der Unterstützung bieten und gemeinsame Lösungswege aufzeigen wird.
Warum das Sorgentelefon notwendig ist – Beispiele aus Gemeinden
In Neulengbach hat die Gemeinde bereits vor Jahren einen fairen Anteil am Bau der Park & Ride-Anlage geleistet. ÖBB, Land und Stadt teilten sich die Kosten zu einem gerechten Schlüssel. Seither zahlt aber nur mehr eine Beteiligte – die Gemeinde. Bürgermeister Jürgen Rummel: „Die Erhaltungskosten belaufen sich jährlich auf 45.000 Euro und werden zu 100 Prozent von der Gemeinde bezahlt.“
Neulengbach zahlt nicht nur dafür, sondern auch für Barrierefreiheit Geld an die ÖBB. Oder „Schmutzgeld“ für Toiletten – obwohl im denkmalgeschützten Teil der Haltestelle funktionierende Toilettenanlagen vorhanden waren, kündigte die Bahn an, diese einfach zu sperren. Erst durch eine jährliche Zahlung von 1.500 Euro „Schmutzgeld“ für die Reinigung konnte die Stadtgemeinde Neulengbach die ÖBB „umstimmen“ und Rettung in der Notdurft anbieten.
Und gleich 900.000 Euro verlangen die Bundesbahnen von den Neulengbachern für die Erhaltung von zwei Bahnübergängen. Rummel: „Das ist natürlich für eine Gemeinde nicht finanzierbar. In einer Katastralgemeinde haben die Bewohner 512 Unterschriften zum Erhalt gesammelt. Bauern kommen sonst nicht mehr zu ihren Feldern, auch der Radweg verläuft hinter dem Gleis und wäre für die Wohnsiedlung nicht mehr erreichbar.“
3,5 Millionen – sonst brauchen Bauern Luftbrücke. Eine ähnliche Erfahrung hat die Gemeindeverwaltung von Schönberg am Kamp. Auch hier wollen die ÖBB Geld für Bahnübergänge, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Sieben unbeschrankte Bahnübergänge sollen hier mit Schrankenanlagen versehen werden.
Bürgermeister Michael Strommer: „Pro Übergang soll die Gemeinde 500.000 Euro zahlen, sonst werden sie geschlossen. Dabei handelt es sich aber um Verbindungen, die alternativlos sind. Ein Übergang führt etwa zum Acker eines Bauern, der sonst nicht erreichbar ist. Der Übergang wird fünf- bis siebenmal jährlich genutzt. Hier extra eine Schranke zu errichten, ist Geldverschwendung. Das sind in Summe 3,5 Millionen Euro, die wir nicht haben.“
Kostenreduzierung nach Beschwerde
Markus Stadlbauer, Bürgermeister von Kematen/Krems: „Wir haben die Kosten hinterfragt. Auch deswegen, weil da Betontröge verrechnet wurden, die nicht zu sehen sind.“
In Kematen an der Krems wurde eine Eisenbahnkreuzung, die vorher mit einer Vollschrankenanlage gesichert war, auf eine reine Lichtzeichenanlage rückgebaut.
In der Nähe des Bahnübergangs befand sich ursprünglich eine Haltestelle, die aber schon in den 1990er Jahren aufgelassen worden war. Bei der Eisenbahnverhandlung, bei der die Gemeinde keine Parteistellung hat, wurde festgestellt, dass die Anlage rückgebaut werden muss.
„Wir dachten, dass uns durch einen Rückbau keine Kosten entstehen“, berichtet Bürgermeister Markus Stadlbauer. Doch dann flatterte der Gemeinde eine Vorschreibung von 300.000 Euro ins Haus.
„Wir haben die Kosten hinterfragt. Auch deswegen, weil da Betontröge verrechnet wurden, die nicht zu sehen sind“, sagt Stadlbauer. Im Zuge des Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht wurde ein Gutachter bestellt. Dieser fand heraus, dass die ÖBB für den zukünftigen zweigleisigen Ausbau der Strecke statt des für die Kabeltrassenführung nötigen Trogs der Klasse eins die Klasse drei verwendet hat.
Im Zug des Verfahrens wurden die Kosten für die Gemeinde von 300.000 auf 70.000 reduziert. „Das hat uns gefreut, aber auf den Restanwaltskosten sind wir natürlich sitzen geblieben“, sieht Bürgermeister Stadlbauer das Ergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Kontaktdaten ÖBB-Infrastruktur AG
Die regionalen Asset-Manager:innen des GB Asset-Management & Strategische Planung fungieren als Single Point of Contact für Anliegen der Länder und Gemeinden nach folgender Aufteilung:
Wien, Niederösterreich und Burgenland:
Friedrich Janka
E-Mail: friedrich.janka@oebb.at
Mobil: 0664/617 07 55
Steiermark und Kärnten:
Herwig Riegler
E-Mail: herwig.riegler@oebb.at
Mobil: 0664/617 08 34
Oberösterreich und Salzburg:
Bernd Schweiger
E-Mail: bernd.schweiger@oebb.at
Mobil: 0664/286 41 06
Tirol inkl. Osttirol und Vorarlberg:
Michael Mangeng
E-Mail: michael.mangeng@oebb.at
Mobil: 0664/829 73 05
Zentrale Ansprechperson für österreichweite Themen:
Gudrun Polzhofer-Girstmair
E-Mail: gudrun.polzhofer@oebb.at
Mobil: 0664/617 89 00
– REDAKTION