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Recht

24.04.2024

Rechtsschutzversicherung für Gemeinden

Während die Gemeinde-Haftpflichtversicherung inzwischen für jede Gemeinde zu einem fixen Bestandteil des kommunalen Deckungskonzeptes geworden ist, wird die Bedeutung und Aufgabe der Gemeinde-Rechtsschutzversicherung noch vielfach unterschätzt oder zum Teil auch überhaupt nicht wahrgenommen.

Dabei stellt die Gemeinde-Rechtsschutzversicherung eine äußerst notwendige Ergänzung zur Gemeinde-Haftpflichtversicherung dar. Während die Gemeinde-Haftpflichtversicherung im Falle gerechtfertigter gesetzlicher Schadenersatzansprüche Dritter die Befriedigung (z. B. Übernahme der Wiederherstellungs- und Reparaturkosten, Schmerzensgeld) und im Falle ungerechtfertigter gesetzlicher Schadenersatzansprüche Dritter die Abwehrkosten übernimmt, deckt die Gemeinde-Rechtsschutzversicherung im Versicherungsfall die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Gemeinde und deren mitversicherten Personen.

Die österreichische Versicherungswirtschaft hat für Gemeinden – unter Berücksichtigung deren umfangreicher Tätigkeitsbereiche (Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung) – spezielle Gemeinde-Rechtsschutzversicherungen entwickelt, die inhaltlich zwar ähnlich gestaltet sind, sich im Detail aber natürlich unterscheiden. Nachfolgend wird versucht, das Wesen und die Deckungsinhalte der für Gemeinden angebotenen Rechtsschutzversicherungen kurz zusammengefasst darzustellen.

Kostentragungsfunktion

Die Versicherungsleistung der Rechtsschutzversicherung ist die notwendige Kostentragung zur Durchsetzung oder Verteidigung von Rechten der versicherten Gemeinde und deren mitversicherten Personen bis zur Höhe der im Versicherungsvertrag angeführten Versicherungssumme.

Der Rechtsschutzversicherer übernimmt im Versicherungsfall z. B. folgende Kosten:

  • Rechtsanwaltskosten der versicherten Personen gemäß Rechtsanwaltstarifgesetz zur Vertretung vor staatlichen Gerichten und Verwaltungsbehörden in allen Instanzen
  • Verfahrenskosten (Sachverständigen-, Dolmetsch-, Gerichtskosten, Zeugengebühren)
  • Kosten der Gegenseite im Zivilprozess, soweit der Versicherungsnehmer zu deren Übernahme verpflichtet ist
  • Teilweise Übernahme der Kosten zur außergerichtlichen Interessenswahrnehmung (z.B. im Fahrzeug- und Lenker-Rechtsschutz, Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz)
  • Strafkaution

Versicherte Personen

Versicherungsnehmer der Gemeinde-Rechtsschutzversicherung ist die jeweilige Gemeinde. Mitversichert sind alle Personen in Ausübung ihrer Tätigkeit als Mandatar oder Dienstnehmer der Gemeindeverwaltung. Dies betrifft insbesondere

  • den Bürgermeister und dessen Stellvertreter
  • den Ortsvorsteher
  • Mitglieder des Stadtrates, des Gemeindevorstandes, die Gemeinderäte usw.
  • alle Gemeindebedienstete inkl. Aushilfskräfte
  • sämtliche Funktionäre und Beschäftigte der gemeindeeigenen Versorgungsbetriebe (z. B. Kindergärten, Schulen, Bauhof, Müllabfuhr, Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen)

Zu berücksichtigen ist, dass Verbände, Feuerwehren und gemeindeeigene Gesellschaften, die z. B. zum Betrieb diverser Anlagen und Betriebe oder aus förderungs- und steuerrechtlichen Gründen errichtet wurden, oft nicht im Rahmen der Gemeinde-Rechtsschutzversicherung mitversichert sind. In diesen Fällen können diese Rechtspersönlichkeiten entweder durch besondere Vereinbarung mitversichert werden oder es ist eine eigene Rechtsschutzversicherung abzuschließen.     

Versicherungs- und Leistungsarten

Die angebotenen Gemeinde-Rechtsschutzversicherungen bestehen meist aus einer Grunddeckung, die bestimmte Risikobereiche der Gemeinde abdeckt. Optional können zusätzlich weitere Deckungsbausteine (Baukastensystem) mitversichert werden. Vertragsgrundlage jeder Rechtsschutzversicherung sind die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB).

Eine Gemeinde-Rechtsschutzversicherung umfasst meistens zumindest folgende Risikobereiche:

  • Schadenersatz-Rechtsschutz
  • Straf-Rechtsschutz
  • Arbeitsgerichts-Rechtsschutz
  • Sozialversicherungs-Rechtsschutz
  • Beratungs-Rechtsschutz

Zusätzlich empfiehlt es sich für die Kfz der Gemeinde einen Fahrzeug-Rechtsschutz (Schadenersatz-, Straf- und Führerschein-Rechtsschutz inkl. Fahrzeug-Vertrags-Rechtschutz) abzuschließen, da dieser oft im Rahmen der Gemeinde-Rechtsschutzversicherung nicht mitversichert ist.

Über diese Grunddeckungen hinaus bieten einige Versicherungsgesellschaften optional auch weitere Deckungsbausteine für Gemeinden an, auf deren Inhalt jedoch im Rahmen dieses Artikels nicht näher eingegangen werden kann. Der Einschluss bzw. die Mitversicherung jedes dieser Deckungsbausteine wirkt sich natürlich auf die Prämienhöhe aus. Folgende Deckungsbausteine werden zum Beispiel zusätzlich angeboten:

  • Versicherungsvertrags-Rechtsschutz
  • Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz
  • Grundstückseigentum- und Mieten-Rechtsschutz
  • Vergabe-Rechtsschutz

Leistungsausschlüsse

Damit in der Rechtsschutzversicherung Deckung besteht, muss einerseits die Streitigkeit einem der oben angeführten und versicherten Risikobereiche zugeordnet werden können und andererseits darf der Sachverhalt nicht unter einen der in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) angeführten Risikoausschlüsse fallen.

Risikoausschlüsse, die im Bereich der Gemeindetätigkeit häufig schlagend werden und aufgrund fehlender Beratung und Aufklärung durch den Versicherungsvermittler leider oft zu Unmut und Unverständnis auf Seiten der Verantwortlichen der betroffenen Gemeinde führen, ergeben sich zum Beispiel

  • im Zusammenhang mit der Finanzierung, Planung und Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum der Gemeinde befinden
  • aus dem Bereich des Gesellschafts-, Genossenschafts- und Vereinsrechtes
  • aus dem Bereich des Steuer- und sonstigen Abgabenrechtes
  • bei Versicherungsfällen, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat oder die im Zusammenhang mit der Begehung eines Verbrechens durch den Versicherungsnehmer eintreten.       

Schadenersatz-Rechtsschutz

Versichert ist die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der Gemeinde und/oder der mitversicherten Personen wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens, sofern sich diese Ansprüche nicht ausschließlich auf die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung beziehen.

Beispiel

Schadenersatzansprüche eines Bauhofmitarbeiters gegen einen Kfz-Lenker, der den Bauhofmitarbeiter bei Straßenarbeiten mit dem Kfz erfasst und schwer verletzt hat. 

Im Bereich des Schadenersatz-Rechtsschutzes besteht darüber hinaus bei manchen Versicherungsgesellschaften für die Gemeinde bzw. ihren Bürgermeister auch Versicherungsschutz zur Abwehr von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes. Dies jedoch nur insoweit, als die Abwehr dieser Ansprüche nicht Gegenstand einer anderen aufrechten Versicherung (Gemeinde-Haftpflichtversicherung) ist.   

Straf-Rechtsschutz

Im Straf-Rechtsschutz besteht Kostendeckung für die Vertretung in gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren wegen des Vorwurfes einer fahrlässig strafbaren Handlung oder Unterlassung.

Bei Straftatbeständen, die sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich begangen werden können, wird bei Anklage wegen Vorsatz rückwirkend Versicherungsschutz geboten, wenn eine Einstellung des Verfahrens, ein Freispruch oder eine Verurteilung wegen Fahrlässigkeit erfolgt. 

Zusätzlich besteht im Rahmen einer Straf-Rechtsschutzversicherung für Gemeinden – abweichend zu den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung – auch für reine Vorsatzdelikte wie zum Beispiel Veruntreuung (§ 133 StGB), Unterschlagung (§ 134 StGB), Betrug (§ 146 StGB), Untreue (§ 153 StGB), Urkundendelikte (§§ 223-225 StGB), Verletzungen der Amtspflicht und verwandte strafbare Handlungen (§§ 302-311) rückwirkend Versicherungsschutz, sofern eine Einstellung des Verfahrens oder ein Freispruch erfolgt. 

Eine aufgrund einer Verurteilung verhängte Geldstrafe ist nicht vom Versicherungsschutz erfasst und kann auch nicht versichert werden.

Erfahrungsgemäß stellt die Straf-Rechtsschutzversicherung den in der Praxis für Gemeinden bedeutendsten Rechtsschutzbaustein dar, da gerade Gemeinden, deren Mandatare und Mitarbeiter aufgrund ihres umfangreichen Betätigungsfeldes permanent der Gefahr einer persönlichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit ausgesetzt sind.

Beispiele

Im Rahmen eines Bauverfahrens wird gegen den Bürgermeister, als Behörde erster Instanz, der Vorwurf des Amtsmissbrauches erhoben. Ein Gemeindebürger kommt auf einem öffentlichen Gehweg aufgrund einer Vereisung zu Sturz und verletzt sich schwer. Der verantwortliche Gemeindebedienstete muss sich aufgrund des Vorwurfes mangelnder Streuung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung verantworten.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine sogenannte Spezial-Straf-Rechtsschutzversicherung den besten Versicherungsschutz im Bereich des Strafrechtes bietet. Eine solche Versicherung bietet nämlich bereits ab der ersten nach außen in Erscheinung tretenden behördlichen Ermittlungshandlung Versicherungsschutz. Eine klassische Straf-Rechtsschutzversicherung deckt hingegen erst ab Gerichtsanhängigkeit des Verfahrens, was in vielen Fällen zu spät sein wird, um entsprechend auf die strafrechtlich relevanten Vorwürfe reagieren zu können. Außerdem sind in einer Spezial-Straf-Rechtsschutzversicherung reine Vorsatzdelikte bis zum rechtskräftigen Freispruch mitversichert und es besteht freie Anwalts- und Sachverständigenwahl inkl. einer Kostendeckung bei Beauftragung von privaten Sachverständigengutachten.

Arbeitsgerichts-Rechtsschutz

Der Versicherungsschutz umfasst sowohl die Geltendmachung, als auch die Abwehr von Ansprüchen der Gemeinde als Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern vor österreichischen Arbeitsgerichten. Dies betrifft insbesondere auch die Durchsetzung allfälliger Schadenersatzansprüche der Gemeinde.

Im Rahmen dieser Deckung gilt auch die außergerichtliche Interessenswahrnehmung der Gemeinde bis zu einem gewissen Bruchteil der vereinbarten Versicherungssumme mitversichert, sofern die Angelegenheit dadurch endgültig beendet ist.

Beispiel

Aufgrund gravierender Dienstverfehlungen wird ein Dienstnehmer entlassen. Dieser klagt die Gemeinde auf Wiedereinstellung und Schadenersatz.

Erfahrungsgemäß hat die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten gerade in diesem Bereich in den letzten Jahren stetig zugenommen. 

Sozialversicherungs-Rechtsschutz

Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in gerichtlichen Verfahren wegen Streitigkeiten mit Sozialversicherungsträgern in Leistungssachen sowie in sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren.

Beispiel

Nach einem Arbeitsunfall eines Gemeindebediensteten kommt es mit dem Sozialversicherungsträger zu Pensionsstreitigkeiten wegen der geminderten Arbeitsfähigkeit.

Beratungs-Rechtsschutz

Der Beratungsrechtsschutz umfasst die Kosten für eine mündliche Rechtsauskunft durch einen vom Versicherer ausgewählten Rechtsanwalt oder Notar zu allen Gebieten des österreichischen Rechtes, ausgenommen Steuer-, Zoll- und Abgabenrecht.

Dabei ist zu beachten, dass diese Deckung entweder mit einem bestimmten Betrag je Auskunft und/oder mit einer gewissen Anzahl der möglichen Inanspruchnahmen über einen bestimmten Zeitraum begrenzt ist.

Freie Anwaltswahl

Beim Abschluss einer Rechtsschutzversicherung sollte darauf geachtet werden, dass freie Rechtsanwaltswahl besteht, um im Versicherungsfall den Anwalt seines Vertrauens in Anspruch nehmen zu können. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass einige Versicherungsgesellschaften die Wahlfreiheit insofern einschränken, dass bei Nichtinanspruchnahme eines vom Versicherer vorgeschlagenen Rechtsanwaltes ein nicht unerheblicher Selbstbehalt zum Tragen kommt.

Wartezeit

Beim Abschluss einer Gemeinde-Rechtsschutzversicherung oder beim Wechsel des Rechtsschutzversicherers ist zu berücksichtigen, dass bei einigen Rechtsschutzbausteinen (z. B. Arbeitsgerichts-, Sozialversicherungs- und Beratungs-Rechtsschutz) eine Wartefrist vereinbart ist und somit für Versicherungsfälle, die vor Ablauf von (zumeist) drei Monaten ab dem vereinbarten Versicherungsbeginn eintreten, kein Versicherungsschutz besteht.

-M. GNESDA

Über den Autor

Mario Gnesda ist Prokurist bei Aon Austria GmbH.

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