Die Supermarktketten haben kleinen Dorfläden vielfach die Existenzgrundlage entzogen. Darunter leiden vor allem Senioren mit eingeschränkter Mobilität, die auf fremde Hilfe angewiesen sind. Aber es gibt smarte Konzepte, um die Nahversorgung zu verbessern.
Wer aufmerksam durch kleinere Landgemeinden geht, findet oft leer stehende Gebäude mit einem vergilbten Schild, auf dem „Greißler“ steht oder auch „Kolonialwaren“. Bis vor ein paar Jahrzehnten gehörten die Geschäfte, in denen man nicht nur das Wichtigste für den Alltag, sondern – oft versteckt ganz unten im Regal – auch recht ausgefallene Waren kaufen konnte, zum Ortsbild. Beim Einkaufen traf man auf Leute aus dem Dorf, tauschte Tratsch und Klatsch aus. Der Greißler war auch ein Stück Gemeindeleben.
Rabattschlacht auf Kosten der Kleinen
Doch der Siegeszug der Supermarktketten, mit ihrem riesigen Sortiment und ihren knallhart kalkulierten Preisen, hat vielen kleinen Läden die Lebensgrundlage entzogen. Wer kann als Kaufmann oder Kauffrau in der Rabattschlacht mit den großen Akteuren schon mithalten? Jede dritte Gemeinde hat kein Lebensmittelgeschäft mehr. Und selbst wenn es eines gibt, sind Menschen aus anderen Ortsteilen oft auf das Auto angewiesen. Das ist für ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine große Hürde. Sie sind angewiesen auf fremde Hilfe – selbst wenn sie bloß Milch, Butter oder Brot brauchen.
Greißler neu gedacht
Es gibt aber auch eine gute Nachricht. Der technische Fortschritt mag vielen kleinen Läden das Geschäftsmodell entzogen haben und zuletzt hat auch der boomende Onlinehandel kleinen, oft inhabergeführten Läden zugesetzt – zugleich ergeben sich aber gerade durch die Digitalisierung Nischen für smarte Lösungen, mit denen zudem dem gestiegenen Wunsch nach nachhaltigen, regional produzierten Waren und Lebensmitteln Rechnung getragen wird. Dazu gehören in erster Linie Kleinflächenkonzepte, die manchmal von großen Ketten betrieben werden, oft aber auch von Genossenschaften oder regionalen Anbietern und Produzenten.
Hofläden
Immer beliebter werden die Hofläden – meist kleine Holzhütten –, in denen Bauern aus der Region Milch- und Fleischprodukte anbieten. In der Regel braucht es dort keine Verkäuferinnen oder Verkäufer, man wirft das Geld in eine Box oder bezahlt mit Karte. Videokameras sorgen dafür, dass niemand etwas nimmt, ohne zu bezahlen. Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Anbietern, die den Landwirten die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen. Dazu gehört etwa das Unternehmen Hansagfood oder auch die Initiative „Nachhaltig im Burgenland“.
„Durch den technischen Fortschritt ergeben sich auch Nischen für smarte Lösungen“
Kastlgreißler
Ein größeres Sortiment bietet zum Beispiel die Firma „Kastlgreißler“. Auch hier gibt es kein Personal, Kameras sorgen dafür, dass Langfinger keine Chance haben. Meist ist der kleine Laden in einem Baucontainer untergebracht, auf rund 15 Quadratmetern. Das reicht für rund 350 Artikel – von Waschpulver und Duschgel bis hin zu Speck aus der Region. Das Unternehmen stellt die Infrastruktur zur Verfügung, betrieben wird der Miniladen von lokalen Franchisenehmern. Mindestens die Hälfte der Produkte kommt aus der Region, der Rest ist kaum teurer als im Supermarkt. Inzwischen gibt es österreichweit rund 20 Kastlgreißler, weitere sind geplant.
Multifunktionsläden
Ein kleines Geschäft mit Verkäuferinnen und Verkäufern mag nicht gewinnbringend sein. Was aber, wenn mehrere Dienstleistungen angeboten werden? Etwa indem Waren in einer örtlichen Postfiliale, einem Gasthaus oder einer Blumenhandlung verkauft werden? Mit etwas Fantasie kann sich das rentieren.
Lieferservice
Nicht nur die Supermarktketten, auch einige heimische Firmen bieten gegen geringes Entgelt einen Lieferservice an. Die Waren werden bestellt und per Auto oder Fahrradkurier zugestellt. Bekannte Anbieter sind die Start- ups „Gurkerl“ und „Alfies“. In puncto Seniorenfreundlichkeit gibt es dabei aber Luft nach oben: Man braucht ein Handy und eine Kreditkarte. Dass es auch telefonisch und mit Barzahlung geht, haben Gemeinden gezeigt, die im Lockdown Botendienste für Senioren eingerichtet haben – mitunter unterstützt von Ehrenamtlichen.
Hybride Dorfläden
Junge Leute schätzen es, auch lange nach Einbruch der Dunkelheit shoppen zu gehen. In den Städten boomt das Geschäft mit Automatenläden, langsam erreicht der Trend auch Landgemeinden. Etwas Fantasie vorausgesetzt, lässt sich das mit einem klassischen Dorfladen kombinieren: untertags ein klassischer Greißler mit Personal, außerhalb der regulären Öffnungszeiten ein Automatenshop. So haben Junge und Alte gleichermaßen etwas davon.
Tankstellenshops
Einkaufen in der Tankstelle war früher sündhaft teuer. Doch das ändert sich langsam. Viele Betreiber kooperieren mit Supermarktketten und bieten ein großes Sortiment zu annehmbaren Preisen. An dem Geschäftsmodell gibt es nicht ganz zu Unrecht Kritik, weil kleinere Läden nun auch noch mit Tankstellen konkurrieren müssen, die bis 22 Uhr oder länger offen haben. Für Senioren ist ein günstiger Tankstellenshop in der Nähe aber besser als nichts.
Was die Gemeinde tun kann
- Offenheit. Jemand im Ort hat ein schräges Konzept für einen Kaufladen der besonderen Art? Hören Sie zu, überlegen Sie gemeinsam, was denn möglich wäre.
- Förderung. Vielleicht kann eine gewisse finanzielle Unterstützung den Ausschlag geben, oder die Hilfe beim Förderantrag bei einer anderen Stelle.
- Unterstützung. Es geht nicht immer nur um Geld. Die Gemeinde kann etwa bei der Suche nach einem geeigneten Gebäude helfen oder ein solches zur Verfügung stellen. Gerade Jungunternehmer sind oft dankbar für eine seriöse Beratung, um sicherzustellen, dass der ehrgeizige Businessplan am Ende auch wirklich aufgeht.
- Werbung. Nicht jedes Angebot wird sofort angenommen. Umso wichtiger ist es, dass die Gemeinde voll hinter dem Projekt steht – und das auch kundtut. Ein Artikel in der Gemeindezeitung, eine Vorstellung des Projekts über die sozialen Medien: Das kann viel bewirken. Als Ortschef haben Sie eine Vorbildwirkung: Wenn auch Sie regional einkaufen, ist das eine tolle Werbung für den neuen Laden.
-R. GEBERS (erstmals erschienen in der Bürgermeisterzeitung)
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