Die stärkste Fraktion im Gemeinderat stellt die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister – so die Regel. Auch in den Bundesländern, wo das Gemeindeoberhaupt direkt gewählt wird, ist das meistens der Fall. Doch in manchen Fällen hat der Ortschef oder die Ortschefin keine Mehrheit. Wie das funktioniert, erzählen Rudolf Müllner aus Maria Alm und Dagmar Zier aus Untersiebenbrunn.
Mehr reden, weniger streiten
Der Gemeinderat in Maria Alm im Salzburger Pinzgau teilt sich in folgende Fraktionen auf: Die ÖVP hat sechs Mandate (35,1 Prozent der Stimmen), ebenso die SPÖ (33,8 Prozent). Fünf Mandate (31,2 Prozent) entfallen auf die Liste WPM (Wählergemeinschaft Pro Maria Alm). Den Bürgermeister stellt die WPM – aber wie ist es dazu gekommen?
Bei der Salzburger Bürgermeisterwahl im März setzte sich der Kandidat der WPM, Rudolf Müllner, gegen den bisher amtierenden Bürgermeister von der SPÖ durch. Die beiden lagen zwar nur 33 Stimmen auseinander – „aber das ist Demokratie“, so Müllner, der schon von 2014 bis 2019 Vizebürgermeister war. Vor den letzten Wahlen hatte die WPM sogar die absolute Mehrheit. Insgesamt sei man in der Tourismus-Gemeinde gut aufgestellt. Das Motto der Wählergemeinschaft: „Alle einbinden, jeder sollte seine Ideen einbringen können und das Bestmögliche für alle Bürger erreichen!“
„Es ist ein Miteinander, kein gegeneinander.“
Gemeinsame Lösung ist tragfähiger
Aber ist es nicht schwierig, bei Entscheidungen Mehrheiten im Gemeinderat zu finden? – Nicht unbedingt, meint Müllner. Der neue Bürgermeister betont: „Kommunikation ist der Schlüssel. Indem man schon im Vorfeld der Gemeinderatssitzung Gespräche mit allen sucht, kann man viel erreichen. Das ist mir wichtig: transparent und ehrlich zu sein.“ Das Ziel sei, alle Fraktionen mehr einzubinden. „Es ist ein Miteinander, kein gegeneinander“, so der Bürgermeister.
Lieber öfter verhandeln als stundenlang diskutieren
Ähnlich sieht das Dagmar Zier, Bürgermeisterin von Untersiebenbrunn, Niederösterreich. Ihre Partei, die ÖVP, hat im Gemeinderat sechs Mandate, die SPÖ hat sieben, die FPÖ fünf und die Bürgerliste eines. Nach der Wahl 2020 gingen die zweit- und drittstärkste Partei – ÖVP und FPÖ – ein Arbeitsübereinkommen ein und Zier wurde Ortschefin. Zu diesem Zeitpunkt war Zier schon seit über 20 Jahren im Gemeinderat und zehn Jahre lang geschäftsführende Gemeinderätin. Bereits damals hat sie sich vorgenommen: „Ich wollte immer eine gute Gesprächskultur. Immerhin arbeiten wir alle für die Gemeinde.“
„Dann setzt man sich eben nicht nur einmal zusammen, sondern vielleicht drei- oder viermal. Und wenn das Projekt noch nicht so weit ist, dass es beschlussfähig ist, dann redet man eben noch einmal darüber.“
Vor Ziers Amtszeit war es nicht unüblich, dass eine Gemeinderatssitzung mehrere Stunden lang gedauert hat, weil viel diskutiert wurde. „Das wollte ich nie“, so die Bürgermeisterin. Sie findet es viel zielführender, die anstehenden Themen bereits vor den Sitzungen mit jeder Fraktion zu besprechen. „Manchmal hat man divergierende Meinungen, aber im Zwiegespräch kann man im Vorhinein schon gut verhandeln und einen Konsens finden“, so Dagmar Zier. Das erfordere zwar manchmal mehrere Anläufe, aber am Ende habe man dann ein mehrheitsfähiges Ergebnis. „Dann setzt man sich eben nicht nur einmal zusammen, sondern vielleicht drei- oder viermal. Und wenn das Projekt noch nicht so weit ist, dass es beschlussfähig ist, dann redet man eben noch einmal darüber“, erläutert die Bürgermeisterin ihr Rezept. Ihre Herangehensweise lautet: „Das meiste für die Gemeinde herausholen. Wenn man das im Hinterkopf behält, hat man auch einen anderen Weitblick“, so Zier.
Fazit
In dieser Hinsicht hat es auch Vorteile, wenn man die Mehrheiten im Gemeinderat mittels vieler Gespräche finden muss: Die Beschlüsse sind tragfähiger und man beugt Streitigkeiten im Gemeinderat vor, was sich langfristig positiv auf das Gesprächsklima auswirkt.
-E. SCHUBERT