Die Digitalisierung der Amtsstube sorgt oft für Widerstände – nicht zuletzt bei langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aber an technologischen Innovationen führt kein Weg vorbei. Hier sind Leadership und Fingerspitzengefühl gefordert. Das rät der Personalexperte.
von Wolfgang Rössler , 11. September 2023
Keine Software der Welt kann jene Leute ersetzen, die eine Gemeinde am Laufen halten. Wo Menschen leben, braucht es Menschen, die sich um die Verwaltung kümmern. Tatsache ist aber auch: Die Digitalisierung lässt sich nicht mehr aufhalten. Immer mehr Aufgaben werden automatisch von smarten Technologien übernommen, die Aufgabe der Bediensteten besteht zunehmend darin, die verschiedenen elektronischen Werkzeuge richtig zu bedienen.
Ältere Semester sind oft skeptisch
Das aber passt nicht allen. Vor allem ältere Semester, die einst noch Schreibmaschinen und Faxgeräte verwendet haben, fremdeln oft mit technischen Neuerungen. Damit diese aber einen wirklichen Mehrwert für die Gemeinde bringen, müssen alle im Gemeindeamt mit an Bord sein. Wie schafft man es als Bürgermeister oder Bürgermeisterin, mit Widerständen gegen die eine oder andere Innovation umzugehen? Wie überzeugt man jene, die von der digitalen Transformation nichts wissen wollen? Darüber haben wir uns mit dem Personalberater und Digitalisierungsexperten Florens Eblinger unterhalten.
Ein paar Projekte pro Jahr reichen
Er rät dazu, es bei Innovationen nicht zu übertreiben. Ein paar Projekte pro Jahr, die unaufgeregt, aber konsequent umgesetzt werden, reichen. Und diese müssten gegenüber dem Personal gut kommuniziert werden: „Als Bürgermeisterin oder Bürgermeister müssen Sie den Bediensteten klarmachen, warum gewisse Maßnahmen Sinn ergeben.“
Es muss keine Begeisterungsstürme über die neuen technischen Möglichkeiten geben, nur Akzeptanz. Gerade auch langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen oft selbst am besten, wo es Optimierungspotenzial gibt, das durch automatisierte Vorgänge gehoben werden kann. In vielen Fällen bietet die Digitalisierung für das Personal eine Erleichterung – wenn man zum Beispiel einen Akt selbst am Computer abrufen kann und diesen nicht mühsam am Postweg anfordern muss. Wenn der bürokratische Kleinkram reduziert wird, bleibt mehr Zeit für andere Tätigkeiten, die mehr Raum für Entfaltung bieten.
Notfalls Hilfe von außen holen
Wie aber umgehen mit Mitarbeitern, die davon trotzdem nichts wissen möchten? Personalexperte Eblinger rät zur Hartnäckigkeit bei der Überzeugungsarbeit, auch mit externer Unterstützung: Das können auch Gemeindebürger sein, die erklären, warum bestimmte Maßnahmen für sie Sinn ergeben. Und wenn das alles nichts nützt? Bei Mitarbeitern kurz vor der Pensionierung könne man im Ernstfall ein Auge zudrücken – vorausgesetzt, sie boykottieren die Neuerungen nicht. Grundsätzlich aber müsse man auch im weitgehend geschützten Raum einer Amtsstube klarstellen: „Wer sich komplett verweigert, riskiert, ersetzt zu werden. Man muss nicht zum Digitalisierungsexperten werden, aber zumindest guten Willen zeigen, einen Beitrag zu leisten.“
„Wer sich verweigert, riskiert, ersetzt zu werden. Man soll zumindest guten Willen zeigen.“
Beschwerden gehören dazu
In den meisten Fällen wird es aber nicht so weit kommen. Besonders dann nicht, wenn Sie als Gemeindeoberhaupt ein offenes Ohr haben für Klagen, die es bei fast jeder technischen Neuerung gibt. Auch das ist eine Begleiterscheinung der Digitalisierung: Je mehr Arbeit automatisiert erledigt wird, desto wichtiger wird die zwischenmenschliche Kommunikation.
Doch die Digitalisierung – die selbst ohne Zutun der Gemeinde in rasanter Geschwindigkeit voranschreitet – ist nicht nur eine Herausforderung, wenn es um den Umgang mit langjährigen Kollegen geht. Auch bei der Rekrutierung von neuem Personal spielt sie eine große Rolle. „Es reicht nicht, in die Ausschreibung unter Anforderung einfach ,Digitalerfahrung‘ reinzuschreiben“, sagt Experte Eblinger. Das sei viel zu vage, darunter könne man alles oder nichts verstehen.
„Es reicht nicht, in die Ausschreibung einfach „Digitalerfahrung“ reinzuschreiben.“
Auf welche Qualifikation es ankommt
Gerade wenn es darum geht, neue Mitarbeiter einzustellen, sollte man sich im Vorfeld gründlich Gedanken machen, welche speziellen digitalen Zusatzqualifikationen gefordert sind – und welche es womöglich in fünf bis zehn Jahren sein könnten. Eblinger empfiehlt, sich hier Know-how von außen zu holen. Das müsse nicht unbedingt ein professioneller Personalberater sein.
Oft sei es schon hilfreich, sich mit einem Unternehmer aus der Gemeinde zusammenzusetzen, nach dem Motto: „Welche Erfahrungen habt ihr gemacht, welche Kompetenzen sind bei euch gefragt? Denken wir doch gemeinsam laut darüber nach, wie wir das auf unsere Gemeinde umlegen können.“ Auch hier gilt: Beim Reden kommen die Leute zusammen.
Gemeinsames über Trennendes stellen
Und das gilt es auch im Gemeinderat zu beherzigen. Denn gerade wenn es um digitale Neuerungen geht, deren Auswirkungen nicht immer ganz einfach abzuschätzen sind, lohnt sich ein Gespräch mit Gemeinderäten fremder Fraktionen. Gibt es darunter welche, die eine besondere IT-Expertise haben? Die sich vielleicht abseits der Fraktionsgrenzen gerne mit Ihnen zusammensetzen möchten, um mögliche digitale Visionen für die Gemeinde zu besprechen?
Die vielleicht einen beruflichen Hintergrund haben, der für Ihre Vorhaben von Nutzen sein könnte? Gehen Sie auf diese Menschen zu, lassen Sie sich auf ein Gespräch ein. Für heftige parteipolitische Diskussionen ist danach immer noch Zeit.
So überzeugen Sie das Personal
- Keine Überforderung. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Der Umbau der Verwaltung in Richtung digitales Amt und E-Government braucht Zeit. Nehmen Sie sich nur ein bis zwei Projekte pro Jahr vor, die Sie dann konsequent so gut wie möglich umsetzen.
- Faktor Mensch. Bezieht sich das Murren und der Unwille, sich in neue Werkzeuge einzuarbeiten, vielleicht gar nicht so sehr auf die eigentliche Arbeit? Vielleicht gibt es andere Probleme? Hören Sie zu, suchen Sie das Gespräch mit Ihren Mitarbeitern, wenn es manchmal so gar nicht klappt.
- Überzeugungsarbeit. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, alle Neuerungen müssen gut argumentiert werden. Erklären Sie, warum eine neue Software notwendig ist und welche Vorteile die Einführung für die Verwaltung und die Bevölkerung bringt.
- Konsequenz. Bei älteren Mitarbeitern kurz vor der Pension kann man vielleicht noch einmal beide Augen zudrücken. Aber wenn sich Jüngere dauerhaft verweigern, ist es Zeit für ein ernstes Gespräch. Wenn es gar nicht geht, kann am Ende auch eine Kündigung stehen.
- Neue Mitarbeiter. Machen Sie sich schon vor einer Ausschreibung Gedanken, welche speziellen digitalen Kompetenzen der oder die Neue mitbringen soll – und welche Fähigkeiten vielleicht in Zukunft besonders gefragt sein könnten. Hier lohnt sich ein Gespräch mit externen Fachleuten.
-W. ROESSLER (Artikel erstmals erschienen in der Bürgermeisterzeitung)
Der Experte
Florens Eblinger ist geschäftsführender Gesellschafter der Personalberatungsagentur Eblinger & Partner. www.eblinger.at