Schweiggers ist eine rund 2.300-Seelen-Gemeinde im Waldviertel, hat einen Badesee, eine Volks- und Mittelschule, ein Gemeindemuseum und – seit Neuestem – einen Klimafahrplan. Damit will die kleine Gemeinde ihr gesamtes Potenzial für Klimaprojekte ausschöpfen und ist bereits am besten Weg, Klimavorreiter zu werden.
Wie es dazu kam …
Begonnen hat alles mit Sascha Böhm. Er kommt aus Schweiggers, ist Gründer eines Umwelt-Start-Ups, und seit Neuestem Absolvent des Masterstudiengangs Umweltmanagement an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik. Gemeinsam mit einer Gruppe Studierenden ist er an seine Heimatgemeinde herangetreten, um die gemeinsame Masterarbeit für und mithilfe der Gemeinde zu verfassen. Die Fragestellung: Werden die sechs Klimaziele des Landes NÖ in Schweiggers umgesetzt und wo gibt es noch Potenzial? Ziel war, konkrete Handlungsempfehlungen für die Gemeinde zu erarbeiten. Bürgermeister Josef Schaden war sofort Feuer und Flamme: „Klimathemen betreffen uns alle. Wir machen in dem Bereich grundsätzlich schon sehr viel – vor allem mit PV – aber wollten uns gerne genauer anschauen, wie wir in der Gemeinde wirklich dastehen.“
Die Studierenden nahmen die sechs Bereiche Energie, Mobilität, Gebäude, Licht, Kommunikation und Biodiversität unter die Lupe und untersuchten mithilfe von Gemeinde-Daten, Workshops mit der Bevölkerung, einer Mobilitäts-Umfrage und Lokalaugenschein-Besuchen vor Ort, wie klimatauglich Schweiggers bereits aufgestellt ist. Zur Orientierung diente dabei der Klimakompass des Landes Niederösterreich.
Klimaschutz beginnt im Kleinen
Mit den Ergebnissen kann die Gemeinde direkt in die Umsetzung gehen: Die Studierenden haben herausgefunden, dass Schweiggers im Bereich Photovoltaik die Latte bereits sehr hoch legt. Ausbaupotenzial gibt es vor allem bei der E-Mobilität. Als nächste Schritte plant die Gemeinde zudem eine Energiegemeinschaft und ein Kleinwindkraftwerk. Aber machen all diese Bestrebungen einer kleinen Gemeinde überhaupt einen Unterschied, wenn man sich die Emissionsbilanz der Weltwirtschaft ansieht? Dieses Argument gilt für Bürgermeister Josef Schaden nicht. „Klimapolitik beginnt im Kleinen: Mit umsetzbaren Projekten in der Gemeinde“, so der Ortschef.
Er ist überzeugt, dass jede noch so kleine Gemeinde etwas verändern kann: „Man kann nicht ewig warten, bis das Land, der Bund oder die EU etwas macht. Jeder kann etwas beitragen.“ Großflächige Maßnahmen, bei denen über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entschieden wird, bergen zudem mehr Konfliktpotenzial – wie etwa die Gelbwesten-Proteste in Frankreich gezeigt haben. In einer kleinen Gemeinde lassen sich Veränderungen daher leichter umsetzen. Dennoch gilt in der Kommunalpolitik: „Man muss die Bürgerinnen und Bürger abholen“.
Zum Rezept gehört daher Bürgerbeteiligung und einerseits darauf hinzuweisen, was passiert, wenn nichts unternommen wird: „Unsere eigenen Überschwemmungen machen wir uns selbst. Genauso kann man sie auch verhindern“, bringt es Bürgermeister Schaden auf den Punkt. Andererseits müsse man Bewusstsein dafür schaffen, dass Klimaschutzmaßnahmen tatsächlich großes Potenzial für die regionale Wirtschaft haben.
Großes wirtschaftliches Potenzial
Der Klimafahrplan für Schweiggers zeigt, dass Klimaschutz entgegen der weitverbreiteten Meinung nicht nur Verzicht bedeutet. „Ganz im Gegenteil: Dadurch ergeben sich große wirtschaftliche, soziale, gesundheitliche und gesamtgesellschaftliche Chancen. Die muss man nutzen“, betont Sascha Böhm. Er ist überzeugt, dass Klimawandelanpassung, E-Mobilität, energetische Gebäudesanierung und Co. langfristig Kosteneinsparungen bringen. Beim Carsharing könne man etwa auf E-Autos umsteigen, die mit selbst produziertem Strom fahren. Kläranlagen könne man locker mit PV-Anlagen ausstatten und damit sowohl eine Blackout-sichere, unabhängige als auch kosteneffizientere Abwasserversorgung sichern, nennt Böhm nur einige Beispiele.
„Überall gibt es engagierte Leute und die muss man einbinden.“
Ein weiteres wichtiges Learning der Masterarbeit: Im Bereich Klimaschutz haben Gemeinden selbst zwar nur wenige finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung. Doch die Workshops, die im Zuge des Projekts durchgeführt wurden, haben auch gezeigt: Es gibt genügend Menschen, die sich für das Thema engagieren. „Die gilt es einzubinden“, ist sich Böhm sicher. „Eines ist beim Klimaschutz klar: Es braucht Menschen, die dafür brennen.“
Dafür gibt es auch geförderte Einrichtungen, die den Gemeinden Expert:innen mit dem erforderlichen Know-How zur Seite stellen – man denke nur an KEM- (Klima- und Energie-Modellregionen) oder KLAR!-Manager (Klimawandel-Anpassungsmodellregionen). Die können durchaus auch aus der eigenen Gemeinde kommen. Auch der Ortschef hat das erkannt: „Als Bürgermeister kann man nicht alles wissen. Aber man muss die Leute auch ranlassen.“
-E. SCHUBERT