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82 Prozent der Gemeinden haben Probleme, Personal zu finden. Diese Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, um die Bedeutung voll zu erfassen. Welche Schritte Gemeinden setzen können, um als Arbeitgeber interessant zu sein und zu bleiben, war ein Schwerpunkt des Kommunalwirtschaftsforums 2023.
Dramatisch. Mit diesem Wort kann man die Personalsituation in den Gemeinden getrost umschreiben. Die kritische Situation am Arbeitsmarkt trifft bekanntlich nicht nur Gemeinden. Doch anders als Unternehmen der Privatwirtschaft können Kommunen auf Gehalts- und andere Vorstellungen von Bewerbern nicht so flexibel eingehen. Dementsprechend sind (nur zwei) der größten Probleme der Gemeinden die Fluktuation und die daraus resultierende Abwerbung durch die Privatwirtschaft sowie fehlende Bewerbungen, wie Franziska Cecon, Professorin an der FH Linz, mit ihrer wissenschaftlichen Betrachtung zu Beginn des Kommunalwirtschaftsforums (KWF) 2023 im steirischen Loipersdorf ausführte. Sie lieferte den Einstieg zu einer intensiven Personaldiskussion.
Wie ist es denn überhaupt zu der Situation gekommen?
Früher einmal war ein Arbeitsplatz bei der Gemeinden eine sichere Sache – ist er auch heute noch, aber dennoch hat sich etwas geändert. Beim Versuch einer Antwort sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen der demografische Wandel vor allem der Erwerbsbevölkerung. Die bereits rollende Pensionierungswelle hat Gemeinden besonders hart getroffen und trifft sie immer noch.
Eine Umfrage der KPMG aus dem Vorjahr hat ergeben, dass in knapp der Hälfte der Gemeinden in den kommenden fünf Jahren 10 Prozent aller Bediensteten in Pension gehen werden und in einem Drittel der Gemeinden bis zu 20 Prozent. Mehr als ein Viertel der Umfrageteilnehmer aus großen Gemeinden gibt an, dass über 20 Prozent der Bediensteten aufgrund von Pensionierungen ausscheiden werden. Damit schrumpft das Potenzial an Erwerbstätigen – in manchen Regionen mehr als in anderen.
Junge haben andere Erwartungen
Dazu kommen die veränderten Erwartungen an „Arbeit“ der sogenannten Generation Z und die Bedeutung von „New Work“ (nicht die Arbeit, sondern die Menschen und ihre Bedürfnisse stehen im Vordergrund). Jüngere Beschäftigte bringen neue Kompetenzen, Wissen und Impulse ein. Aber sie haben auch andere Ansprüche und Erwartungen an Arbeitgeber.
Herausforderungen bei der Personalbeschaffung in Gemeinden
Bei einer Podiumsdiskussion war man sich einig, dass Gemeinden angesichts des Bedarfs an qualifizierten Fachkräften ihr Recruiting überdenken müssen.
Angesichts des Schrumpfens des Erwerbstätigenpotenzials gilt es, ihre Wünsche zu berücksichtigen, um den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Denn mit der konjunkturellen Erholung nach der Corona-Pandemie werden die auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Beschäftigten aufgrund ihrer „Macht der geringen Zahl“ die Arbeitsbedingungen weitgehend verhandeln (können).
Angesichts der Verkürzung von Ausbildungszeiten, bei gleichzeitiger Erhöhung des Ruhestandsalters, wird sich die Erwerbsphase und damit auch die Dauer der Zusammenarbeit unterschiedlicher Altersgruppen verlängern. Jüngere und ältere Mitarbeitergenerationen werden einander somit nicht mehr überschneidungsfrei ablösen, sondern die Mehr-Generationen-Belegschaft wird in den Organisationen Einzug halten. Dies impliziert auch eine längere Parallelität von unterschiedlich akzentuierten Werten und Vorstellungen im Arbeitsleben.
„Verstaubtes Image“ vs. „Wie entscheiden sich Personen?“
Zwei Drittel der Studierenden können sich nicht vorstellen, in der öffentlichen Verwaltung tätig zu sein, weil diese ein verstaubtes Image hat. Hier kommt es zum oft beschworenen „War for talents“ zwischen dem öffentlichen Sektor und der Privatwirtschaft.
Das macht die Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitersuche noch schwieriger. „Aus diesem Grund haben sich mittlerweile Trends wie beispielsweise ,Re-Hire‘ (also die Wiedereinstellung ehemaliger Mitarbeiter:innen) auch bei Gemeinden etabliert“, wie Franziska Cecon ausführt. Die Situation erfordert aber von Gemeinden neue Ansätze der Personalsuche, die bislang eher weniger bedacht wurden. Im Grund sollte die Gemeinde, noch bevor die Personalanforderungen geklärt sind, an ihrem Image arbeiten. Und nicht nur an diesem – auch die Frage, wie denn die Gemeinde-Website aussieht, spielt bei der Generation Y schon eine Rolle.
„Bei diesem sogenannten ,Low Involvement‘ geht es darum, das ,Unternehmen Gemeinde‘ schon bei jenen Personen, die noch gar nicht aktiv einen Job suchen, interessant zu machen. Low Involvement spricht die Gruppe der Nicht-Suchenden an und präsentiert den Arbeitsplatz Gemeinde als etwas Erstrebenswertes“, so Cecon.
In einem zweiten Schritte wird die Gruppe der „latent Suchenden“ angesprochen. Hier geht es um das Herausbilden eines Arbeitgeber-Images. Diese Phase der Präferenzbildung zielt darauf ab, erstes Interesse an Arbeitgeber- und Arbeitsplatz-Information zu wecken.
Erst dann geht es zur dritten Phase, in der aktiv suchende Personen angesprochen werden und sich auch tatsächlich bewerben. Auch hier kann noch einiges schiefgehen – von der Gestaltung des Auswahlverfahrens über die Feedbackbögen bis hin zu der Art, wie eine eventuelle Absage erteilt wird. Wichtig ist zu wissen, wie man wahrgenommen wird und wie man sich von anderen abgrenzt – und das auch als Verbund mehrerer Gemeinden. Auch in der Gemeinschaft kann man Personal suchen.
Die ersten Schritte sind die entscheidenden
Hat man den richtigen Mitarbeiter oder die richtige Mitarbeiterin gefunden, muss man ihn bzw. sie halten. Dafür sind oft die nächsten anfänglichen Schritte entscheidend. Zunächst ist es wichtig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich für einen Arbeitsplatz in der Gemeinde entschieden haben, dazu zu bringen, bei ihrer Entscheidung zu bleiben und nicht doch noch abzuspringen.
Wichtig ist, die Zeit zwischen Jobzusage und Arbeitsbeginn bewusst zu gestalten (Preboarding): Das heißt, den Leuten mit Sympathie zu begegnen und ihr Informationsbedürfnis zu stillen sowie eine Vorschau auf den ersten Arbeitstag, die erste Zeit zu geben. Cecon: „Sie müssen das Signal aussenden: ‚Wir freuen uns auf Sie!‘“ Damit beginnt die Personalbindung. Fehlende Anerkennung oder falsche oder enttäuschte Erwartungen sind mit die meisten Gründe, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krank machen oder zu einem frühen Wechsel führen.
Die Rahmenbedingungen im Job sind entscheidend für das Image einer Organisation und die „Weiterempfehlungsrate“. Wichtig dabei sind Arbeitsklima, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Zufriedenheit mit den Vorgesetzten sowie die persönlichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
Die „Neue Welt“ trifft auf das „Neue Arbeiten“
Das wird heutzutage mehr mit den englischen Begriffen „New World“ und „New Work“ kommuniziert, aber das Problem bleibt dasselbe. „Neue Welt“ beschreibt die ständige und von uns nicht zu beeinflussende neue Realität mit ihren Krisen. Seit April 2020 ist unsere Gesellschaft mit einer ständigen Folge massiver Krisen konfrontiert. 2020 beherrschten die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen unser Handeln, seit etwas mehr als einem Jahr stehen wir – immer noch einigermaßen fassungslos – vor der Tatsache, dass im Europa des 21. Jahrhunderts wieder Krieg herrscht. Russlands Angriff auf die Ukraine hat nicht nur unendliches menschliches Leid gebracht, auch die wirtschaftlichen Auswirkungen sind gravierend – und für den Einzelnen nicht zu beeinflussen. In der Folge sind wir mit Inflation und gestiegenen Energiekosten konfrontiert.
Diese Situation hat direkte und indirekte Auswirkungen auch auf die Gemeinden. Wie es die Arbeitspsychologin Viktoria Lanthier beim Kommunalwirtschaftsforum formulierte, „kann es, wenn man mit ständigen Bedrohungsszenarien konfrontiert wird, zu einem Gefühl der erlebten Hilflosigkeit kommen: Wir fühlen uns ausgeliefert, es entsteht Stress – was kann ich als Einzelner schon ausrichten?“
New Work und was das bedeutet
Viktoria Lanthier präsentierte ein Konzept für die zukünftige Arbeitswelt, die weg von alten Strukturen und hin zu modernen Arbeitsweisen führt.
Das hat aber Auswirkungen auf unser Gehirn und unsere Psyche. Stresshormone wie Cortisol oder Noradrenalin werden im Gehirn ausgeschüttet und aktivieren unter anderem die Amygdala (diese auch als Mandelkern bezeichnete Struktur des limbischen Systems ist an emotionalen Reaktionen sowie der Speicherung von Gedächtnisinhalten beteiligt). Sie ordnet Sinneseindrücke einer Emotion zu. Die stärksten Emotionen sind dabei die negativen: Angst, Trauer oder Wut. Bei chronischem Stress wird die Amygdala überstimuliert. Sie wird sehr sensibel, sodass wir unter Umständen auf Negatives überreagieren.
Dieses „Überreagieren“ hat, so Lanthier, mehrere Ursachen. Wie es der schon verstorbene deutsche Experte für Organisationspsychologie, Peter Kruse, einmal beschrieb, ist es durch die Auswirkungen des Internets auf die Gesellschaft zu einer Machtverschiebung vom Anbieter zum Nachfrager gekommen. Zu Beginn stand der „Hunger der Menschen nach Information“, der zu einer exponentiellen Steigerung der Vernetzung führte (Web 2.0). In der Folge sind die Spontanaktivitäten der Menschen gestiegen, sie „wollten sich darstellen, Spuren hinterlassen“ – das aber führte, so Kruse, zu einer „kreisenden Selbstaufschauklung, Auswirkungen, die nicht vorhersagbar waren“.
Unsere Welt wurde demnach flüchtig, unsicher, komplex und vieldeutiger. „Probleme verschieben sich zunehmend von einer komplizierten Ebene hin zu einer komplexen Ebene“, wie Lanthier ausführte. Sie meint, dass 80 Prozent unserer Arbeit durch komplizierte Probleme definiert wird, die verbleibenden 20 Prozent sind komplex (und steigend).“ Dadurch entstehen Reibungsverluste, die von Politik und Medien noch befeuert werden – es entsteht ein „Lagerdenken“. Zusammenfassend meinte Lanthier, dass die aktuellen Entwicklungen der New World eine neue Art des Arbeitens benötigen – das „New Work“ oder auch das „New Work Design“.
Mögliche Lösung „New Work Design“ und wie eine kommunale Verwaltung die Zukunft der Arbeit gestalten kann
Die Arbeitswelt verändert sich durch „New Work“ stetig und der Begriff „New Work Design“ wird immer häufiger in diesem Zusammenhang genannt. Doch was genau verbirgt sich dahinter und wie kann eine kommunale Verwaltung diese Arbeitsweise einführen?
Der Begriff „New Work Design“ bezieht sich auf eine moderne Art der Arbeitsorganisation, die flexibel, agil und digital geprägt ist. Ziel ist es, die Arbeitnehmer:innen in den Mittelpunkt zu stellen und eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die sowohl motivierend als auch produktivitätsfördernd ist. Dazu gehören beispielsweise flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten und eine teamorientierte Zusammenarbeit.
Eine kommunale Verwaltung kann New-Work-Design auf verschiedene Arten einführen:
Zunächst sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in den Prozess einbezogen werden, um ihre Bedürfnisse und Wünsche zu berücksichtigen. Hier kann eine Umfrage oder ein Workshop hilfreich sein, um herauszufinden, welche Arbeitsbedingungen als belastend empfunden werden und wo Verbesserungspotenzial besteht.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die digitale Transformation. Dabei geht es nicht nur um den Einsatz von modernen Technologien, sondern auch um die Schaffung einer digitalen Arbeitskultur. Eine kommunale Verwaltung kann beispielsweise ein internes Social-Media-Netzwerk oder eine digitale Plattform zur Zusammenarbeit einführen. Dadurch können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unabhängig von ihrem Standort und ihrer Arbeitszeit miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Schaffung von flexiblen Arbeitszeiten. Eine kommunale Verwaltung kann beispielsweise Gleitzeitmodelle einführen oder die Möglichkeit von Home-Office anbieten. Dies erhöht nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen, sondern kann auch zu einer höheren Produktivität führen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass New Work Design eine moderne Art der Arbeitsorganisation darstellt, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Eine kommunale Verwaltung kann diese Arbeitsweise einführen, indem sie die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen berücksichtigt, eine digitale Arbeitskultur schafft und flexible Arbeitszeiten ermöglicht. Dadurch kann nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen gesteigert, sondern auch die Effizienz und Produktivität der Verwaltung verbessert werden.
„New Work“ und „New Work Design“
„New Work“ und „New Work Design“ sind verwandte Begriffe, die unterschiedliche Aspekte der modernen Arbeitswelt beschreiben.„New Work“ bezieht sich auf eine neue Art der Arbeit, die im Gegensatz zur traditionellen Arbeit eine stärkere Selbstbestimmung und Autonomie der Arbeitnehmer:innen ermöglicht. Der Begriff umfasst eine Vielzahl von Arbeitsmodellen, wie zum Beispiel Teilzeit-, Projekt- oder Home-Office-Arbeit. Dabei geht es um eine Veränderung der Arbeitskultur und eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer.
„New Work Design“ hingegen bezieht sich auf die konkrete Gestaltung der Arbeitsumgebung und Arbeitsprozesse, die den Prinzipien von „New Work“ entsprechen. Es geht dabei um eine zielgerichtete Planung und Umsetzung von Arbeitsmodellen und -praktiken, die den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht werden. Dazu gehören beispielsweise die Schaffung von flexiblen Arbeitszeiten, die Förderung von Eigenverantwortung und Selbstorganisation, die Implementierung neuer Technologien und die Schaffung einer positiven Arbeitsatmosphäre.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „New Work“ ein Oberbegriff für eine neue Art der Arbeit ist, während „New Work Design“ eine konkrete Umsetzung dieser Arbeitsweise beschreibt.
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