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Infrastruktur

Recht

09.10.2024

Preisabsprachen: Gemeinden mehrfach geschädigt

Gemeinden sind zurzeit gleich in drei Bereichen von bundesweiten Kartellen betroffen. Nach dem LKW-Kartell und dem Bau-Kartell wird seit drei Jahren auch im Müll-Kartell ermittelt.
Jeder in Österreich tätige Unternehmer ist bei der Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit an die kartellrechtlichen Regeln gebunden. Diese ergeben sich aus dem europäischen Wettbewerbsrecht und aus nationalen Rechtsvorschriften, so vor allem aus dem Kartellgesetz.

Die Spielregeln im Kartellrecht sind an sich klar, übersichtlich und eindeutig. § 1 Abs. 1 Kartellgesetz besagt, dass alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle) verboten sind. Dem nicht genug zählt das Kartellgesetz auf, was alles „insbesondere“ verboten ist:

  1. die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
  2. die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
  3. die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
  4. die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
  5. die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.

Kartellabsprachen schaden dem Wettbewerb und führen zu einer Reihe von negativen Effekten wie weniger Innovationen, geringerer Auswahl und vor allem zu überhöhten Preisen. Geschädigte sind Konsumenten, Unternehmen, öffentliche Auftraggeber und insgesamt die Volkswirtschaft. Höhere Preise bedeuten höhere Staatsausgaben und letztlich eine Belastung der Steuerzahler.

LKW europaweit zu teuer verkauft

Im Rahmen des sogenannten LKW-Kartells (Kartellzeitraum zumindest von 1997 bis 2011) fanden Preisabsprachen statt, die zur Folge hatten, dass Kunden, unter diesen auch zahlreiche Gemeinden, über viele Jahre zu viel für bestellte LKW bezahlen mussten. Betroffen waren LKW und Nutzfahrzeuge der Marken Volvo/Renault, MAN, Daimler, IVECO, DAF und SCANIA zwischen 6 und 16 Tonnen. Es handelte sich dabei um ein europaweites Kartell, das nach den Feststellungen der EU-Kommission darin bestand, dass die Hersteller Absprachen über Preise und Bruttopreiserhöhungen trafen, um ihre Bruttopreise innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums anzugleichen. Neben einem Rekordbußgeld in Höhe von insgesamt mehr als 3 Mrd. Euro werden die Hersteller noch viel tiefer in die Tasche greifen müssen. Nach wie vor laufen europaweit Dutzende Schadenersatzverfahren, in denen über 10.000de LKW und Nutzfahrzeuge abgesprochen wird. Kolportierter Schaden pro LKW: bis zu 20% der Anschaffungskosten. Zahlreiche Gemeinden haben sich Sammelklagen angeschlossen.

Ermittlungen zu Bau-Kartell laufen noch

Noch nicht abgeschlossen sind die Ermittlungen zum Bau-Kartell (Kartellzeitraum zumindest von 2002 bis 2016). Bei diesem rein österreichischen Kartell handelt es sich um das größte Kartell der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Die kartellrechtlichen Zuwiderhandlungen betreffen Preisabsprachen, Informationsaustausche, Marktaufteilungen und kartellrechtswidrige Arbeits- und Bietergemeinschaften genauso wie kartellstabilisierende Maßnahmen wie etwa Deckangebote oder Bieterrotationen. Nahezu sämtliche Sparten im Bereich Hoch- und Tiefbau sind umfasst: von Büro- und Wohngebäuden angefangen, über Parkplätze, Kindergärten bis hin zu Straßenbau, Brückenbau oder Kanal- und Leitungsbau.

Bislang wurden auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) vom Kartellgericht Geldbußen von mehr als 180 Mio. Euro verhängt. Auch in diesem Fall werden Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Anders als beim LKW-Kartell wird man in diesem Fall allein der Komplexität wegen nicht darum herumkommen, sich eines Prozessfinanzierers zu bedienen.

Nachdem die Dienstleistung des Prozessfinanzierers absurderweise ausschreibungspflichtig ist, hat sich die Bundesbeschaffung-GmbH (BBG) bereiterklärt, eine Prozessfinanzierungs-Rahmenvereinbarung auszuschreiben, der potenziell geschädigte Städte, Gemeinden, Gemeindeverbände sowie öffentliche Unternehmen in weiterer Folge risikolos beitreten und die in der Rahmenvereinbarung vereinbarten Dienstleistungen abrufen können. Das Vergabeverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Schadenersatz im Müll-Kartell noch unklar

Seit rund drei Jahren ermittelt die BWB zudem im sogenannten Müll-Kartell (Kartellzeitraum zumindest 2002 bis 2021). Im März 2021 führte die BWB bei über 20 Unternehmen der Abfallwirtschaft Hausdurchsuchungen durch. Nach weiteren Kronzeugenanträgen, zahlreichen Whistleblowermeldungen und Einvernahmen, wurden ergänzende Hausdurchsuchungen durchgeführt. Insgesamt sicherte die BWB bei Unternehmen in fast allen Bundesländern umfangreiches Datenmaterial, davon über 60 TB IT-Daten und über 2000 Seiten an physischen Dokumenten. Gegen eine Vielzahl weiterer Unternehmen laufen die Ermittlungen der BWB noch.

Erst vor kurzem stellte die Bundeswettbewerbsbehörde einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße gegen eines der größten Unternehmen im Abfallwirtschaftsbereich. Konkret beantragte die BWB die Verhängung einer (aufgrund der Kooperation geminderten) Geldbuße in Höhe von etwas mehr als 7 Mio. Euro.

„LKW-Kartell, Bau-Kartell und Müll-Kartell haben eines gemeinsam: in all diesen Bereichen sind im Besonderen die Gemeinden Geschädigte.

Potentiell Geschädigte sind neben Unternehmen auch Gemeinden, die die Sammlung bzw. Entsorgung von Abfall ausgeschrieben haben. Wie hoch der Schaden für die Gemeinden ist, ob und wie dieser sinnvollerweise geltend gemacht werden kann, kann seriös noch nicht beantwortet werden.

Kartellabsprachen sind ein Skandal

Wo ein Markt, da auch eine Absprache, möchte man meinen. Geldbußen, Schadenersatz, strafrechtliche Verurteilung, Entzug der Gewerbeberechtigung, Ausschluss von Vergabeverfahren, Reputationsschaden. Allein dieser (zumindest drohenden) Folgen wegen verwundert es, dass alle Jahre wieder – und in den letzten Jahren gehäuft – umfangreiche Kartelle auffliegen.

LKW-Kartell, Bau-Kartell und nunmehr das „Müll-Kartell“: Kartellabsprachen führen zur Einschränkung und Ausschaltung des Wettbewerbs und damit unweigerlich zu höheren Preisen. Nicht selten ist die öffentliche Hand die Geschädigte und letztlich der Steuerzahler, der für Leistungen, die bestellt, gekauft, in Auftrag gegeben werden, mit überhöhten Kosten konfrontiert wird.

Allein des Umstands wegen, dass öffentliche Auftraggeber Kartellabsprachen hilflos ausgeliefert sind, ist bei vielen Betroffenen in gewisser Weise Ernüchterung eingetreten. Hinter vorgehaltener Hand hört man nicht selten: Preisabsprachen hat es immer gegeben, gibt es nach wie vor und wird es immer geben.

Umso wichtiger ist es, general- und spezialpräventiv mit aller Härte gegen derartige Machenschaften vorzugehen. Aus Sicht der Gemeinden, die dem Vergaberechtsregime unterliegen, stellt sich die berechtigte Frage, wie sie eigentlich dazu kommen, sich von übertriebenen, teils absurden Vergaberechtsvorschriften gängeln zu lassen, wenn auf der anderen Seite allen Zielen und Zwecken des Wettbewerbsrechts zuwiderlaufende Preisabsprachen getroffen werden. All die Regularien, die der Auftraggeberseite (Gemeinden) zugemutet werden, werden geradezu ad absurdum geführt, wenn auf Auftragnehmerseite (Unternehmen) viele Jahre lang Dinge passieren (können), die keinesfalls passieren (hätten) dürfen.

-B. HAUBENBERGER

Über den Autor

Bernhard Haubenberger ist Fachreferent beim Österreichischen Gemeindebund.

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