Immer wieder wird der Friedhof zum Gerichtsschauplatz. Die meisten Entscheidungen der Zivilgerichte, die in Zusammenhang mit dem Betrieb von Friedhöfen stehen, haben Haftungsfragen in Verbindung mit Wegnutzungen, umfallenden Grabsteinen etc. zum Inhalt. Umso interessanter ist gerade für Gemeinden als Friedhofserhalten eine der jüngsten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (OGH vom 27.9.2023, GZ Ob38/23p), die sich mit den Persönlichkeitsrechten Verstorbener beschäftigt hat. Im Mittelpunkt stand die Bestimmung des § 16 ABGB – wonach „jeder Mensch angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte hat und daher als Person zu betrachten ist“. Dieses angeborene Recht auf Menschenwürde kommt nach Rechtsansicht des OGH auch einer verstorbenen Person zu.
Den Friedhofsbetreiber sowie (als Zweit- und Drittbeklagte) die Schwägerin (deren Mann ebenfalls im Familiengrab beigesetzt war) und deren Sohn geklagt hatte eine Tochter, deren Mutter im Familiengrab beerdigt ist. Im Jahr 2021 sollte nach Ansicht des Friedhofsbetreibers im gesamten Friedhof eine Bereinigung bzw. Begradigung zur Verbreiterung des Durchfahrtsweges zur Kirche erfolgen. Davon betroffen waren auch zwei Gräber, für die ein gemeinsamer Grabstein besteht. Während sich die Zweit- und Drittbeklagten mit der Begradigung und der Verlegung des Grabsteines um rd. einen halben Meter nach rechts einverstanden erklärten, zeigte sich die Klägerin mit dieser Maßnahme nicht einverstanden. Besonderer Grund des Unmuts der Klägerin: Die Versetzung des Grabsteines führte dazu, dass anstelle der Holzeinfriedung eine Steineinfriedung errichtet wurde und die Beisetzungsstelle der Mutter der Klägerin (zumindest zum Teil) nach der Versetzung außerhalb der Steineinfriedung lag. Sie klagte auf Rückverlegung des Grabsteines und Richtigstellung im Gräberbuch und Gräberplan. Der Friedhofsbetreiber sowie die Zweit- und Drittbeklagten hätten gemeinschaftlich in die Würde des Verstorbenen sowie das dingliche Nutzungsrecht der Klägerin eingegriffen und wären daher auch verpflichtet, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, so die Rechtsansicht der Klägerin.
OGH gab dem Begehren der Klägerin statt
Der OGH gab dem Begehren der Klägerin auf Wiederherstellung des vor dem Eingriff bestehenden Zustands statt. Er begründete dies damit, dass die eigenmächtige Verlegung der Steineinfriedung einen Eingriff in das aus der Menschenwürde im Sinne des § 16 ABGB erfließende, auch nach dem Ableben bestehende Persönlichkeitsrecht (Totenfürsorge) bewirkte. Es handelt sich bei diesem Persönlichkeitsrecht um eine Bestimmung, die in ihrem Kernbereich die Menschenwürde schützt und als Zentralnorm unserer Rechtsordnung anzusehen ist. Dieser Schutz kann auch nach dem Tod als sogenanntes postmortales Persönlichkeitsrecht weiter wirken, die Geltendmachung im konkreten Fall kam der Tochter als nächster Angehöriger zu. Der Umfang des Persönlichkeitsrechtes ist in diesem Fall vom Standpunkt der Pietät, aber auch der gepflogenen Übereinstimmung zu sehen.
Mit der Beisetzung in einem Grab wird sowohl die Frage der Gestaltung des Grabs als auch jene des Grabsteins zu einer gemeinsamen Angelegenheit der jeweiligen nächsten Angehörigen der beigesetzten Personen. Über die Art der Ausübung der Totenfürsorge und über Veränderungen an Grab und Grabstein können daher nur alle nächsten Angehörigen der im Familiengrab beigesetzten Personen gemeinsam entscheiden. Wer nach der Friedhofsordnung für die Grabstelle nutzungsberechtigt ist, ist dabei ebenso wenig relevant wie die erbrechtliche Stellung der Angehörigen. Eigenmächtige Veränderungen am Grab ohne Zustimmung der nächsten Angehörigen können daher rasch vor Gericht gelangen.
– M. HUBER ist Jurist und Landesgeschäftsführer des Salzburger Gemeindeverbandes