Nach langen und intensiven Verhandlungen wurde nunmehr eine eigene Bestimmung über die schadenersatzrechtliche Haftung für Bäume beschlossen, die für den Baumhalter haftungserleichternd wirkt. In Kraft getreten ist die Novelle des ABGB bereits Anfang Mai.
Universitätsprofessoren, Sachverständige, Vertreter aus Politik, Verwaltung und der Zivilgesellschaft haben sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Baumhaftung auseinandergesetzt.
Rasch war man sich einig über das vorherrschende Problem und über das angestrebte Ziel. So war allen klar, dass die haftungsrechtliche Situation der Baumhalter unbefriedigend ist und vermehrt dazu führt, dass Bäume aus Haftungs- und auch Kostenängsten geschlägert oder ruinös zurechtgeschnitten werden, und dass das Ziel nur darin bestehen kann, selbigen diese Ängste durch Haftungserleichterungen zu nehmen.
Länger gedauert hat die Lösung, die sich aber nach Abwägung aller Für und Wider der eingebrachten Vorschläge durchaus sehen lassen kann und letztlich auch ein Beleg dafür ist, dass ein offener, ehrlicher und breiter Diskurs unter Einbindung aller Stakeholder zielführend und fruchtbringend sein kann.
Abschaffung der Beweislastumkehr
Eine schon vor Jahrzehnten begründete Judikaturlinie hat für Schadensereignisse, die durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen eines Astes entstehen, die Bauwerkehaftung („Gebäudehaftung“) nach § 1319 ABGB analog herangezogen und damit dem Baumhalter gleich einem Gebäudehalter die Beweislast dafür auferlegt, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe. Dieser Beweislastumkehr zufolge muss nicht, wie im allgemeinen Schadenersatzrecht üblich, der Geschädigte nachweisen, dass der (vermeintliche) Schädiger seine Sorgfaltspflicht verletzt hat, sondern muss der (vermeintliche) Schädiger beweisen, dass er seine Pflichten erfüllt hat, widrigenfalls er für den entstandenen Schaden einzustehen hat.
In der neuen Bestimmung des § 1319b ABGB (Baumhaftung) wird nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass auf einen Schadenersatzanspruch nach dieser Bestimmung die allgemeinen Regelungen über die Beweislast anzuwenden sind. Damit trifft den Baumhalter zukünftig die von der Judikatur analog zur Gebäudehaftung angewandte Beweislastumkehr nicht mehr und muss ein von einem umstürzenden Baum oder herabfallenden Ast Geschädigter beweisen, dass der Baumhalter seine Sorgfaltspflichten verletzt hat.
Mit dieser Klarstellung geht aus Sicht des Baumhalters eine nicht unwesentliche Haftungserleichterung einher, die sich alleine schon daraus ergibt, dass er nicht in jedem Fall haftungsrechtlich in Anspruch genommen wird, wenn von seinem Baum ein Schaden ausgegangen ist. Letztlich muss zukünftig ein Geschädigter (und noch viel mehr die – zumeist – dahinterstehende Rechtsschutzversicherung) gründlich abwägen, ob das Risiko der Beweislast nicht doch zu groß ist.
Abwägungskriterien und Zumutbarkeit
Gegenstand der neuen Bestimmung des § 1319b ABGB sind Schäden, die – außerhalb von Wäldern – durch einen Baum verursacht werden. Umfasst sind davon nicht alle denkbaren Schadensereignisse im Zusammenhang mit einem Baum. Die Bestimmung beschränkt sich auf den Kernbereich der sogenannten „Baumhaftung“, nämlich auf Schädigungen durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen von Ästen.
Wichtig ist, dass die neue Bestimmung auch sogleich Kriterien für die Art und das Ausmaß der Sorgfaltspflichten des Baumhalters nennt. So spielt der Standort und die damit verbundene Gefahr eine ganz wesentliche Rolle bei der Frage, welche Maßnahmen in welcher Intensität erforderlich sind. Die Erläuterungen führen dazu aus, dass es evident ist, dass etwa ein auf einem Kinderspielplatz oder im unmittelbaren Nahebereich eines stark frequentierten Verkehrswegs stehender Baum hinsichtlich des möglichen Schadensausmaßes eine größere Gefahrenquelle ist als etwa ein Baum in einem kaum begangenen und genützten Hinterhof. Diese Abstufung gilt umso mehr für Bäume außerhalb des Siedlungsraums oder in der freien Landschaft, insbesondere abseits von Wegen. Weitere Kriterien sind die Größe des Baumes, der Wuchs und der Zustand des Baumes.
Wichtig ist, dass die Sorgfaltspflichten auch von der Zumutbarkeit von Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen abhängen. In den Erläuterungen wird dazu klargestellt, dass nicht nur zwischen der öffentlichen Hand als Baumhalter und privaten Baumeigentümern, sondern auch je nach den Gegebenheiten zwischen großen Gemeinden mit entsprechenden Ressourcen und kleinen, wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Landgemeinden zu differenzieren ist.
Keine Einschränkung auf grobes Verschulden
Nicht aufgenommen wurde eine Einschränkung der Haftung des Baumhalters nur für grobes Verschulden (grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz), obwohl es durchaus gute und berechtigte Gründe hierfür gäbe, (auch) dem Baumhalter dieses Haftungsprivileg zukommen zu lassen.
Wie der Wegehalter (§ 1319a ABGB), der dieses Haftungsprivileg genießt, da er der Allgemeinheit die Möglichkeit der Nutzung des Weges eröffnet, und der Waldbesitzer hinsichtlich Bäumen entlang von Wegen (§ 174 Abs. 4 ForstG), da er den Wald für die Öffentlichkeit zugänglich hält und damit erst die Erholungs- und Wohlfahrtswirkung des Waldes ermöglicht, erbringt auch der Baumhalter von außerhalb eines Waldes stockenden Einzelbäumen oder Baumgruppen wichtige Leistungen im Interesse der Öffentlichkeit (Klimaregulierung, Wasserspeicherung, ökologische Funktion, Landschaftsbild, Artenvielfalt, Biodiversität, Schattenwirkung, Erholungswirkung).
Eine Einschränkung der Haftung des Baumhalters auf grobes Verschulden würde das angestrebte Ziel des weitgehenden Erhalts der Baumsubstanz (durch Beseitigung der Haftungs- und Kostenängste) ohne Zweifel nachhaltig sicherstellen. Aber mit der vorliegenden Novelle ist ein wichtiger Schritt erfolgt, dem vielleicht eines Tages ein weiterer folgen wird.
– B. HAUBENBERGER ist Jurist im Österreichischen Gemeindebund
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