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Finanzen

03.07.2024

Blick nach Deutschland: Wie funktioniert das neue Grundsteuer-Modell?

Die Grundsteuer ist mit einem deutschlandweiten Aufkommen von rund 15 Milliarden Euro im Jahr neben der Gewerbesteuer die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Mit dem Geld werden etwa Schulen, Kindergärten, Straßen und Spielplätze finanziert. Durch die notwendig gewordene Neuberechnung der Grundsteuer müssen nun die Kommunen die Hebesätze neu berechnen. Dabei war das versprechen, dass dies unterm Strich aufkommensneutral sein soll – unterm Strich sollen also weiter rund 15 Milliarden Euro über die Grundsteuer eingenommen werden.

Die Finanzverwaltung in NRW hat daher nun für alle knapp 400 Kommunen in dem Bundesland vorgerechnet, wie die Hebesätze gestaltet werden müssen, damit das Versprechen eingehalten werden kann.

Ein Beispiel aus dem Münsterland

Ein Beispiel: Warendorf im Münsterland. Dort liegt der Hebesatz für die Grundsteuer A aktuell bei 308 Prozent und für die Grundsteuer B bei 535 Prozent. Die Finanzverwaltung NRW hat nun vorgerechnet, dass die Grundsteuer A künftig auf 338 Prozent steigen müsste, die Grundsteuer B auf 672 Prozent. – wobei künftig bei der Grundsteuer B noch unterschieden wird zwischen Wohngrundstücken und Nichtwohngrundstücken.

Das soll verhindern, dass Eigentümer von Wohnimmobilien übermäßig belastet werden. Ohne diese Unterscheidung würde zum Beispiel der aufkommensneutrale Hebesatz in Dortmund bei einheitlich 785 Prozent liegen. Würde die Stadt hingegen unterschiedliche Hebesätze für Wohnen und Gewerbe festsetzen, läge er für Wohngrundstücke nur noch bei 615 Prozent, für Gewerbegrundstücke bei 1.231 Prozent.

Grundsteuer: unterschiedliche Hebesätze führen zu neuer Rechtsunsicherheit

Genau an dieser Stelle setzt aber die Kritik der Kommunen an. Unterschiedliche Hebesätze für Geschäfts- und Wohngrundstücke sind „kein rechtssicheres Instrument, um die Lastenverschiebung hin zu Wohngrundstücken zu verhindern“, sagt etwa der Geschäftsführer des Städtetags NRW, Helmut Dedy. „Die rechtlichen Unsicherheiten wären groß, denn jeder differenzierte Hebesatz muss in jeder Kommune separat verfassungsfest begründet werden.“

Die Hebesätze dürften also die Diskussion über eine gerechte Lastenverteilung zwischen Wohnen und Gewerbe fortan jedes Jahr befeuern und so zu dauerhaften Streitigkeiten in den Städten und Gemeinden führen.

Das Gesetz ist zwar im Landtag noch nicht final beschlossen, scheint aber Mehrheiten zu bekommen. Dann würde es ab dem kommenden Jahr die Unterscheidung nach Nutzung in NRW geben.

Ohnehin fürchten die Kommunen eine Klagewelle. Denn „aufkommensneutral“ heißt auch nicht, dass die zu zahlende Grundsteuer für jeden Menschen gleich bleibt, auch dann nicht, wenn eine Kommune die ermittelten Hebesätze des Landes nutzt. In vielen Fällen wird die Aufkommensneutralität dazu führen, dass die Bürger mehr, weniger oder in gleicher Höhe Grundsteuer zahlen. Das Berechnungssystem ist eben ein ganz anderes.

Kommunen sind an die neuen Hebesätze nicht gebunden

Die Kritik an den Kommunen ist ohnehin laut. Denn es ist ja schon seit einigen Jahren bekannt, dass die Grundsteuerreform kommt. Und auch seither haben viele Kommunen ihre Hebesätze schon erhöht. Die Kritik: Das sei ein Vorgriff gewesen, um im Jahr 2025 behaupten zu können, die Umstellung habe die Kosten für die Bürger nicht erhöht. Doch Real ist auch, dass gerade Kommunen in NRW – die besonders häufig sehr hohe Schulden haben – die Hebesätze erhöht haben. NRW hat im Bundesländervergleich ohnehin die höchsten Hebesätze.

Konkret: Der durchschnittliche Hebesatz für die Grundsteuer B lag in den Kommunen in NRW Ende Juni 2023 bei 594 Prozent und war damit um 7 Prozentpunkte höher als zum Stichtag 2022 (damals: 587 Prozent). Seit 2013 hatte sich der gewogene Durchschnittshebesatz jährlich erhöht. Den größten Zuwachs hatte es zwischen Juli 2014 und Juni 2015 gegeben (+34 Prozentpunkte).

Für die neuen Muster-Hebesätze des Landes NRW gilt zudem: Die Werte der Landesregierung sind nur ein Vorschlag, daran halten müssen sich die Kommunen nicht. So könnten sie beispielsweise auch weiterhin einen einheitlichen Hebesatz anwenden. Das Transparenzregister setzt die Kommunen allerdings unter Druck, dem Beispiel zu folgen. Weichen die Bürgermeister nach oben ab, dürfte ihnen der Ärger der Bürger gewiss sein. Auch andere Bundesländer planen derartige Transparenzregister.

Berlin ist schon einen Schritt weiter in Sachen Grundsteuer

In der Bundeshauptstadt können Hausbesitzer ihre künftige Grundsteuerlast schon ausrechnen. Dort hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, den Hebesatz von 810 auf 470 Prozent zu senken, um dem Gebot der Aufkommensneutralität gerecht zu werden. Das ist zwar ein einheitlicher Wert für Wohnen und Gewerbe, allerdings wird die sogenannte Steuermesszahl zugunsten bewohnter Grundstücke verändert. Dem neuen Gesetz zufolge beträgt sie für Wohngrundstücke ab Anfang 2025 0,31 Promille, für andere Grundstücke dagegen 0,45 Promille.

Bundesfinanzhof hat weiter Zweifel an der Grundsteuer

Gut sechs Monate vor der geplanten Einführung der neuen Grundsteuer ist übrigens noch immer unklar, ob die Neuregelung überhaupt kommt.

Zahlreiche Grundbesitzer klagen gegen das sogenannte Bundesmodell bei der Grundsteuer. Die Variante soll auch in NRW und Berlin gelten. Auch der Verband Haus und Grund sowie der Bund der Steuerzahler klagen gegen das Modell. Sie wollen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesfinanzhofes Ende Mai ist die Chance für die Verbände auch weiter gestiegen. Die Begründung: Eigentümer müssten nachweisen können, dass der tatsächliche Wert ihres Grundstücks deutlich unter dem vom Finanzamt festgestellten Wert liege. Deutlich bedeute, dass der ermittelte Wert den tatsächlichen Wert um 40 Prozent oder mehr übersteigt. Einen solchen Nachweis hat der Gesetzgeber aber nicht vorgesehen, was den Bundesfinanzhof an „der Rechtmäßigkeit der streitigen Grundsteuerwertfeststellungen“ zweifeln ließ.

In dessen Beschluss heißt es, es bestünden „bereits einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Grundsteuerwertfeststellungen in Bezug auf die Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte“, wenn sich die Eigentümer nicht gegen die Einstufung wehren könnten.

– CH. ERHARDT-MACIEJEWSKI (Quelle: Kommunal de)

 

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