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Bundesländer

Recht

27.08.2024

Tempolimits ohne Kontrollen

„Länder steigen auf die Bremse“ – so lautete der Titel eines Kommunalbeitrags aus dem Jahr 2011 zum Thema Geschwindigkeitsüberwachung durch Gemeinden, der auch heute noch aktuell ist. Ging es damals um die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Gemeinden, geht es heute um die Umsetzung der nunmehr bestehenden gesetzlichen Grundlage.

Denn damit Gemeinden automationsunterstützt Geschwindigkeitsüberwachungen durchführen können, müssen sie hierzu – wie bisher schon Gemeinden mit Gemeindewachkörper – von den jeweiligen Ländern ermächtigt werden. Diese aber steigen aus unterschiedlichen Gründen auf die Bremse.

Dabei wäre gerade jetzt zu Schulbeginn und in der Jahreszeit mit häufig trübem Herbstwetter die Kontrolle der Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen von besonderer Bedeutung. Laut Kuratorium für Verkehrssicherheit sind allein im Jahr 2022 österreichweit bei 418 Verkehrsunfällen insgesamt 434 Schüler auf ihrem Weg von bzw. zur Schule teils schwer verletzt worden.

Nicht erfüllbare Kriterien

An sich ist die Bestimmung, die es den Ländern ermöglicht, die Aufgabe der Geschwindigkeitskontrolle („punktuelle Geschwindigkeitsmessung“ nach § 98b StVO) den Gemeinden zu übertragen, einfach gehalten. Auch sind die Voraussetzungen bzw. Kriterien, unter denen die Gemeinden mit einer Übertragung rechnen können, klar und verständlich, wobei hierzu im Gesetzwerdungsprozess erst Überzeugungsarbeit geleistet werden musste.

Gemäß § 94c Abs. 3, 3. Satz StVO kann einer Gemeinde ohne Gemeindewachkörper diese Aufgabe hinsichtlich aller oder nur einzelner Straßen übertragen werden, wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit (z.B. bei vermehrtem Unfallgeschehen oder zum Schutz schwacher Verkehrsteilnehmer) erforderlich ist. Darüber hinaus führt die Begründung im eigens eingebrachten, der Beschlussfassung vorangegangenen Initiativantrag eine Reihe von Kriterien an, die für eine Übertragung erfüllt werden sollten und aus Sicht der Gemeinden auch erfüllt werden könnten:

  1. Standortbeurteilung iSd Notwendigkeit für die Verkehrssicherheit durch die Gemeinde;
  2. Mindestanforderungen an die eingesetzten Messgeräte;
  3. Nachkontrolle der ermittelten Beweismittel durch geschultes Personal vor Übermittlung der Anzeigen an die Strafbehörde;
  4. Automatischer digitaler direkter Versand der Anzeigen nach Bearbeitung nach Vorgaben der Bezirksverwaltungsbehörde an diese;
  5. Verständigung der Bezirksverwaltungsbehörde vor Betriebsaufnahme (2 Monate vor Betriebsaufnahme im Falle eines Standortes, an dem eine Verordnung der Gemeinde die Geschwindigkeit festlegt und Übermittlung einer Applikationsbeschreibung der Datenanwendung iSd DSG);
  6. Verständigung der örtlich zuständigen Polizeidienststelle über Betriebsaufnahme und Beendigung der Überwachung.

Tempolimits ohne Kontrolle sind wirkungslos

Nun sind aber einzelne Länder hergegangen und haben Kriterienkataloge erarbeitet, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen und deren Kriterien von den Gemeinden kaum erfüllbar sind.

So wird für jeden einzelnen Standort ein Gutachten zur Standortbeurteilung verlangt, in dem auch präzise dargestellt sein muss, weswegen an dieser Stelle eine Überwachung notwendig ist, und auch geprüft werden muss, ob nicht alternative Maßnahmen anwendbar sind.

Mit dieser Vorgehensweise fallen nicht nur beträchtliche Kosten an, sie wird im Ergebnis auch dazu führen, dass immer irgendwelche Alternativmaßnahmen möglich sind (bauliche Maßnahmen, Temporeduktion, Fahrverbote etc.). Unverständlich ist in diesem Zusammenhang, dass man bei der Verordnung von Tempolimits (richtigerweise) bürokratische Hürden (Gutachten) beseitigt hat, nun aber bei der Überwachung derselben Tempolimits eine neue Bürokratie aufbaut.

Mit allzu strengen Vorgaben würde der eigentliche Zweck der Bestimmung (Erhöhung der Verkehrssicherheit durch verstärkte Kontrolle) konterkariert. Der Verkehrssicherheit gerade in Ortsgebieten, wo die Gefahr für schwache Verkehrsteilnehmer im Falle überhöhter Geschwindigkeit besonders hoch ist, erweist man damit einen Bärendienst.

Aufwand und offene Rechtsfragen

Die Länder sind auch zurückhaltend, da sie einen höheren Aufwand bei den Strafbehörden fürchten, wenn Gemeinden die Aufgabe der Geschwindigkeitskontrolle übertragen wird. Dieser Einwand ist zwar berechtigt, wurde aber mit der Gesetzesnovelle ganz klar berücksichtigt. So erhalten die Länder 20 % der Strafgeldeinnahmen, trotzdem der allergrößte Teil der festgestellten Delikte mittels Anonymverfügungen abgewickelt werden kann, die kaum einen Aufwand verursachen. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig zu betonen, dass im Falle einer Übertragung die Gemeinden eine verkehrspolizeiliche Aufgabe der Länder übernehmen würden, die aber aufgrund personeller Engpässe unzureichend tätig waren.

Wenngleich schon eingehend erläutert und abgeklärt gehen einzelne Länder nach wie vor davon aus, dass die datenschutzrechtliche Frage wie auch die Frage nach der Zulässigkeit der Durchführung von abgekürzten Verfahren wie der Anonymverfügung offen seien. Hierzu ist festzuhalten, dass sich ganz gleich, ob die Gemeinde unmittelbar selbst die übertragene Aufgabe wahrnimmt, oder sich zwecks Unterstützung und Erledigung von Hilfstätigkeiten Dritter bedient, die Frage der Datenschutzkonformität infolge der klaren gesetzlichen Grundlage (Verordnungsermächtigung) nicht mehr stellt. Letztlich war die fehlende gesetzliche Grundlage Anlass der Datenschutzkommission im Jahr 2008, die automationsunterstützte Geschwindigkeitsüberwachung datenschutzrechtlich für unzulässig zu erklären.

Die Frage der Zulässigkeit der Erledigung von Anzeigen der Gemeinden im abgekürzten Verfahren war nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Datenschutzkommission und hat bis 2008 auch keinerlei Probleme hervorgerufen. Abgesehen davon, dass es eine klare gesetzliche Grundlage (§§ 47, 49a VStG) gibt, wann abgekürzte Verfahren zulässig sind, hat auch der BKA-Verfassungsdienst schon vor Jahren die Zulässigkeit bejaht, wenn eine gesetzliche Grundlage für die Überwachungstätigkeit der Gemeinden geschaffen wird. Eine diesbezügliche Klarstellung findet sich außerdem in der Begründung zum Initiativantrag, mit dem die Möglichkeit geschaffen wurde, den Gemeinden diese Aufgabe zu übertragen.

– B. HAUBENBERGER ist Jurist im Österreichischen Gemeindebund

 

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