Kommunales Krisenmanagement steht vor mehrfachen Herausforderungen: Freiwillige engagieren sich unregelmäßiger, vulnerable Gruppen werden größer, die Finanzkraft der Gemeinden nimmt ab. Intensität und Häufigkeit von Starkregen-Ereignissen in Österreich nehmen hingegen zu. Ein Einblick in die aktuelle Lage von Österreichs Gemeinden.
Umfrage unter Gemeinden zeigt große Unterschiede
Bereits in den Sommermonaten waren Gemeinden in der Steiermark, in Kärnten, in Ober- und Niederösterreich sowie dem Burgenland – also in mehr als der Hälfte der österreichischen Bundesländer – von Starkregen und schweren Unwettern betroffen. Den ganzen Sommer über beherrschten dann Meldungen über Starkregen in zweiwöchigem Rhythmus die österreichischen Medien. Die Hagelversicherung bezifferte die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen durch Hagel- und Sturmschäden im Jahr 2023 mit 45 Millionen Euro. Wenn in kurzer Zeit Straßenzüge überschwemmt werden, Keller überflutet sind oder Abwassersysteme ihre Kapazitätsgrenze erreichen, dann muss schnell gehandelt werden. Noch bevor Hilfe von außerhalb eintrifft, sind sofort und unmittelbar die Verantwortlichen in den Gemeinden bis aufs Äußerste gefordert. Wie gut sie ein Starkregen-Ereignis bewältigen können, hängt dann sehr stark von einer guten Vorbereitung ab.
In unserer Online-Umfrage mit dem Titel „Kommunales Krisen-, Katastrophen- und Risikomanagement am Beispiel von kleinräumigen Starkregen-Ereignissen“ haben 308 Kommunalverantwortliche aus ganz Österreich teilgenommen (das sind 15 Prozent aller 2.093 österreichischen Gemeinden). Folgende Fragen standen dabei im Zentrum der Erhebung: Wie wird das aktuelle und zukünftige Risikobild von Starkregen-Ereignissen eingeschätzt? Welche Maßnahmen wurden von Gemeinden bereits ergriffen? Wo braucht es noch Unterstützung, um adäquat zu reagieren?
Wie gehen Kommunen mit dem Risiko Starkregen um?
Die Analyse zeigt: Das Bewusstsein für das Risiko, von Starkregen betroffen zu sein, ist bereits sehr hoch. Die Vertreter der Gemeinden sehen Starkregen derzeit als ein spürbares Ereignis, das im Durchschnitt einmal im Jahr auftritt. Für die Zukunft erwarten die Gemeinden, dass die Intensität der Ereignisse steigt und Starkregen häufiger vorkommt, etwa einmal pro Quartal. Insgesamt waren bereits 95 Prozent der befragten Gemeinden von Starkregen betroffen und zwei Drittel davon haben danach ihre Maßnahmen verstärkt.
Kommunale Maßnahmen gegen Starkregen
Im Durchschnitt haben die Gemeinden als Reaktion auf Starkregen-Ereignisse bereits 17 Maßnahmen im kommunalen Krisen-, Katastrophen- und Risikomanagement (KKRM) gesetzt. Viele der gesetzten Maßnahmen sind als eine schnelle Reaktion im Ernstfall gedacht.
Strategisch-vorausdenkende Maßnahmen (etwa die Schaffung eines Überblicks mittels Risikoanalyse bzw. die Erstellung von Notfallplänen) sowie kommunikativ-interagierende Maßnahmen (z.B. die Vorbereitung von Bürger-Information) sind hingegen eine Seltenheit unter den bereits umgesetzten Maßnahmen. Bei der Erstellung von Risikoanalysen und der Erfassung der Gefährdungslage geben nur 40 bzw. 47 Prozent der Befragten an, dass diese in ihrer Gemeinde bereits vorhanden sind. Wesentlich häufiger sind mit der Nominierung eines Krisenstabs (74 Prozent) sowie der Kontrolle der gemeindeeigenen Infrastruktur nach einem Ereignis (68 Prozent) Maßnahmen allgemeiner Natur.
Die bisher umgesetzten Maßnahmen konzentrieren sich oft auf die direkte Bekämpfung der Folgen von Starkregen. Bei der Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern sowie beim Informationsaustausch mit Unternehmen und Organisationen gibt es jedoch noch Verbesserungsbedarf. Diese Maßnahmen wurden nur von jeder fünften Gemeinde oder weniger umgesetzt. Auch durch die Erstellung von Risikoplänen und die Festlegung von Sicherheitszielen können sich die Gemeinden noch besser vorbereiten (siehe Balkendiagramme).
Zentrale Herausforderungen und beeinflussende Faktoren
Wichtige Herausforderungen für die Zukunft sind finanzielle und personelle Ressourcen sowie der Mangel an Fachwissen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden, Hilfe beim Aufbau von Wissen in der Gemeindeverwaltung und finanzielle Anreize für die Erstellung von strategischen Plänen wichtig für das zukünftige Krisen- und Katastrophenmanagement der Gemeinden sind.
Ein Abschnitt der Befragung beschäftigte sich daher mit der Zukunft des kommunalen Krisen-, Katastrophen- und Risikomanagements (KKRM) im Allgemeinen. Die meistgenannte Herausforderung der Zukunft ist der Klimawandel, den mehr als acht von zehn Gemeinden als Problem ansehen. Rund ein Drittel der Befragten sieht diesen sogar als die bedeutendste Herausforderung des KKRM. Weitere Herausforderungen betreffen die personelle Situation (für 22 Prozent die größte Herausforderung) ebenso wie einen Mangel an finanziellen Ressourcen (24 Prozent).
Nicht in jeder Gemeinde alles möglich
Die Detailanalyse der Umfrageergebnisse hat hervorgebracht, dass die Anzahl der bereits umgesetzten Maßnahmen von der personellen Ausstattung der Gemeinden und der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden abhängt. Gemeinden, die zusammenarbeiten (z.B. in KLAR!-Regionen) und Gemeinden, die besser finanziell ausgestattet sind, haben bereits mehr Maßnahmen umgesetzt. Außerdem haben Gemeinden, die sich stärker mit dem Thema auseinandersetzen, mehr Maßnahmen gegen Starkregen-Ereignisse durchgeführt. Die Erstellung und Umsetzung von langfristigen Konzepten (Risikopläne, Notfallpläne etc.) hängt ebenfalls von der finanziellen Stärke der Gemeinden ab. Kleinere und finanziell schwächere Gemeinden haben dagegen weniger Maßnahmen genannt.
KLAR!, das europaweit erste derartige Programm, unterstützt österreichische Regionen dabei, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen und den Wohlstand im ländlichen Raum abzusichern bzw. auszubauen. Mit Hilfe des Programms, das 2016 gestartet wurde, entwickeln Modellregionen in ganz Österreich ihr maßgeschneidertes Anpassungskonzept und regional zugeschnittene Maßnahmen und setzen diese in weiterer Folge um.
Einen hohen Wert weist das mangelnde Risikobewusstsein der Bevölkerung auf. Mehr als die Hälfte der Gemeinden sieht hierin ein bedeutendes Problem für die Zukunft – immerhin noch 13 Prozent sehen diese Herausforderung sogar als die bedeutendste an.
Empfehlungen für die Praxis
Drei essenzielle Maßnahmenbündel für ein zukunftsfittes kommunales Krisen-, Katastrophen- und Risikomanagement (KKRM) bei Starkregen-Ereignissen können aus unserer Sicht empfohlen werden.
- Zusammenarbeit zwischen Gemeinden stärken. Es wird empfohlen, dass Gemeinden Krisen- und Katastrophenmanagement verstärkt interkommunal denken und organisieren. Vor allem einwohnerschwächere Gemeinden haben in der Vergangenheit von dieser Zusammenarbeit profitiert (z.B. in KLAR!-Regionen).
- Know-how in den Gemeinden aufbauen. Viele Entscheidungsträger in österreichischen Gemeinden fühlen sich noch nicht gut genug geschult, um richtige Maßnahmen zu ergreifen. Deshalb wird empfohlen, das Schulungsprogramm für Gemeinden auszuweiten bzw. bestehende Programme verstärkt zu bewerben. Bezirksbehörden und Abteilungen der Landesregierungen können hier helfen und über geeignete Maßnahmen informieren.
- Vorausplanen statt nur reagieren. Viele Gemeinden reagieren momentan nur auf akute Ereignisse und haben keine langfristigen Konzepte wie Notfallpläne oder Wassermanagementpläne. Es fehlen auch Risikoanalysen und Kommunikationsstrategien. Der Grund dafür ist oft ein Mangel an Ressourcen (Geld, Personal und Wissen). Finanzielle Unterstützung von Land oder Bund könnte den Gemeinden helfen, proaktiver zu handeln, statt nur zu reagieren.
Schlussbemerkung
Eine detaillierte Version der Analyse wird demnächst im renommierten Fachjournal „Der Standort“ publiziert. Die Autoren danken dem Österreichischen Gemeindebund für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Umfrage.
Die Österreichische Hagelversicherung merkte für das Jahr 2023 an: „Das dominierende Thema war in den Sommermonaten 2023 die extreme Dürre, vor allem im Norden und Westen Österreichs. In Summe entstand durch den fehlenden Niederschlag und durch eine Vielzahl an Tagen mit Temperaturen jenseits der 30 Grad Celsius ein Dürreschaden von 170 Millionen Euro, unter anderem an Maiskulturen und dem Grünland.“
-D. EBENSTREIT, J. PERINY (Artikel erstmals erschienen im KOMMUNAL)
Über die Autoren
Dominik Ebenstreit ist selbstständiger Raumforscher und Kartograph sowie externer Lehrbeauftragter am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien.
Johann Periny ist freier Journalist und akademischer Experte für Klimajournalismus und Nachhaltigkeitskommunikation.
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