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Sicherheit

04.10.2024

Gemeinde unter Wasser: „Wir können nicht einfach zurück zum Normalbetrieb“

Die jüngsten Hochwasser haben vor allem einige Gemeinden in Niederösterreich hart getroffen. Viele Auswirkungen werden sich erst mit der Zeit zeigen. Feststeht, dass ein „Zurück zur Normalität“ noch lange nicht möglich sein wird.

Michelhausen im Tullnerfeld ist eine der Gemeinden, die es am stärksten getroffen hat. Vor allem die Ortschaft Rust stand fast gänzlich unter Wasser. Bürgermeister Bernhard Heinl geht von mehr als 230 Schadensfällen aus. „Die Schadenskommission ist seit Tagen unterwegs und die Leute sind wirklich dankbar, dass die Hochwasserhilfe auf 50 Prozent angehoben wurde. Das gibt Zuversicht“, so der Bürgermeister. Doch er betont auch: „Das war eine Katastrophe gewaltigen Ausmaßes und das wirkt sich auch auf die Menschen aus!“

Gemeinde-Infrastruktur stark beschädigt

Dutzende Privathäuser sind beschädigt, Keller, Autos, landwirtschaftliche Betriebe und Straßenzüge standen unter Wasser. Doch auch im Bereich der kritischen Infrastruktur hat das Hochwasser große Schäden angerichtet: Das Feuerwehrhaus, das auch gemeindeeigene Wohnungen beherbergt, war stark betroffen, sodass ein Mannschaftstransportfahrzeug der Katastrophe zum Opfer fiel. Auch ein Kindergarten wurde zerstört, vom Bahnhof ganz zu schweigen. Die Kläranlage, die kurzzeitig auch überflutet war, funktioniere glücklicherweise wieder, erzählt der Ortschef.

Die finanziellen Folgen für die Gemeinde lassen sich aus heutiger Sicht noch nicht abschätzen. Klar ist aber, dass die Gemeindemitarbeiter und Einsatzkräfte alle Hände voll zu tun haben. Hier gibt es eine klare Prioritätenreihung. „Am wichtigsten ist, die grundlegende Infrastruktur wieder in Gang zu bringen – also die Kläranlage, den Abfluss und die Pumpsysteme.“ Das werde leider durch den immer noch gefährlich hohen Grundwasserstand erschwert, erklärt Heinl.

„Das zehrt auch an der Psyche der Menschen.“

Nicht zu vernachlässigen sind auch die psychologischen und sozialen Folgen für die Bevölkerung. „Man merkt, dass das den Menschen nahe geht. Vor allem bei den Betroffenen haben die psychologischen Auswirkungen viele Facetten“, gibt der Bürgermeister zu denken. Das beginne bei der Angst vor dem nächsten Regen und gehe soweit, dass sich Menschen sozial zurückziehen.

Dorftreff für gemeinsame Katastrophen-Bewältigung

Bürgermeister Bernhard Heinl hat das zum Anlass genommen und ruft ein Dorftreffen für die gesamte Bevölkerung aus. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten soll es darum gehen, wie man ein solches Katastrophenereignis als Gemeinschaft bewältigt.

Was viele nicht wissen: die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr sind seit über einer Woche Tag und Nacht im Einsatz – und das obwohl sie oft privat selbst betroffen, beruflich tätig sind und ein Feuerwehrmann aus der Gemeinde im Zuge der Hochwasserbergungen zu Tode gekommen ist. Das zehrt an den Kräften und prägt natürlich die Dorfgemeinschaft.

Unrealistische Ansprüche und Erwartungen

Obwohl die Solidarität und der Zusammenhalt Anfangs sehr hoch waren, sei man doch recht überrascht, wie schnell sich bei vielen Bürgerinnen und Bürgern, die selbst nicht direkt betroffen waren, eine gewisse Ungeduld gezeigt habe. „Viele erwarten sich, dass alles sofort wieder so funktioniert wie vor dem Hochwasser. Das ist aber nicht realistisch“. Der Bürgermeister nennt das aufgrund von Wasserschäden mehrere Tage gesperrte Abfallsammelzentrum als Beispiel. Viele Menschen hätten nicht verstanden, dass viele Leistungen der Gemeinde warten müssen, bis die grundlegende Infrastruktur wiederhergestellt ist.

„Viele erwarten sich, dass alles sofort wieder so funktioniert wie vor dem Hochwasser. Das ist aber nicht realistisch“.

Der Anspruch der Menschen an die öffentliche Hand sei hoch – hier müsse man mit den Menschen reden und Bewusstsein schaffen, gibt Heinl zu denken. „Es ist nicht selbstverständlich, dass alles funktioniert – dahinter steckt ein großer finanzieller, personeller, und administrativer Aufwand. Wir hatten es hier mit einer Katastrophe gewaltigen Ausmaßes zu tun! Das wird nun mal seine Zeit dauern“, so der Bürgermeister.

Nach vorne schauen

Die Zuversicht ist getrübt, denn auch in Zukunft können weitere Hochwasserkatastrophen nicht ausgeschlossen werden. Natürlich werde man die Geschehnisse analysieren und sich anschauen, wo es Schwachstellen gab – auch wenn der Hochwasserschutz nicht Aufgabe der einzelnen Gemeinde sei, so der Bürgermeister. Das müsse auf höherer Ebene passieren. „Unsere Aufgabe ist es, jetzt nach vorne zu schauen und künftig dafür Sorge zu tragen, dass so etwas erstens nicht mehr passiert und wir zweitens besser gewappnet sind, falls es passiert“, sagt der Michelhausener Ortschef.

Der Rattenschwanz

In der Zwischenzeit kommen noch weitere Auswirkungen der Katastrophe ans Licht: Beim Hochwasser ist Öl ausgetreten, die Entsorgung kostet viel Geld. So auch die Sanierung der beschädigten Dämme und der landwirtschaftlichen Felder. Das sind nur Beispiele dafür, dass viele vermeintliche Kleinigkeiten weitreichende Folgen haben.

Bürgermeister Bernhard Heinl: „Eins ist klar: Die Normalität, wie wir sie uns erhoffen, wird noch lange auf sich warten lassen.“

-E. SCHUBERT

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