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03.10.2024

Probleme mit Wahlkarten: Gemeindebund fordert Reform und ersucht um Erfahrungen aus Ihrer Gemeinde

Hatten Sie auch Probleme mit Wahlkarten in Ihrer Gemeinde? Nein, dann gehören Sie zu den glücklichen Ausnahmen. In zahlreichen Gemeinden Österreichs hat die Abwicklung der Nationalratswahl zu erheblichen Problemen und sogar Kuriositäten geführt. Und das alles auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sehr zum Ärger der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie den hunderten freiwilligen Wahlhelferinnen und Wahlhelfern, die den Sinn des Wahlkartenwählens in vielen Fällen missverstanden sehen.

Das sind die Erfahrungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister

Sie wissen nicht wovon die Rede ist? Kommunalnet hat mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern gesprochen, und zahlreiche Begebenheiten mit Wahlkarten erfahren. Beispielsweise Vorarlberg: Bei der Nationalratswahl am Sonntag 2024 ist es dort zu folgender Panne gekommen: „Eine ganze Familie hat die beantragten Wahlkarten nicht bekommen, weil sie am Postweg verloren gegangen sind“, erzählt Bürgermeister Simon Tschann. Ihm tut der Vorfall leid, er hofft, dass nun für die Landtagswahl in zwei Wochen alles glatt geht.

Wahlkarten in Sieghartskirchen im Hochwasser geschwommen

Im niederösterreichischen Sieghartkirchen mit 7867 Einwohner wurden 900 Wahlkarten ausgegeben. „Zurückgekommen sind 600“, erzählt Amtsleiter Andreas Knirsch. Effizienz sieht anders aus. Doch die Gemeindeverantwortlichen mussten noch ganz andere Erfahrungen mit Wahlkarten machen, die sie so noch nicht kannten: Aufgrund des Hochwassers und dem überschwemmten Gemeindeamt landeten 44 bereits ausgefüllte Wahlkarten im Wasser. „Wir konnten alle Wahlkarten trocknen und retten“, erzählt Bürgermeisterin Josefa Geiger. Sorgen bereiteten der Gemeinde zudem die bereits zugestellten Wahlkarten, die in überfluteten Häusern gelagert waren. „Zum Glück ist alles gut gegangen“, weiß Andreas Knirsch, Amtsleiter der Gemeinde.

Gemeindebund-Präsident für Reform

Der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, Johannes Pressl ist zunächst voll des Lobes für die Gemeindeverwaltungen, die so viele Wahlkarten wie noch nie bewältigt haben. Das war eine Mammutleistung. „Aber wir müssen gerade jetzt auch Fehlentwicklungen aufzeigen! Vor allem, wenn die Wahlkartenwahl von den Menschen nicht mehr als Alternative zum Wahltag gesehen wird, sondern als „Goodie“, das man halt gerne nutzt, weil es bequem ist. Das war wohl nicht die Absicht des Gesetzgebers,“ so Pressl.

Die Gemeinde Ardagger wo Johannes Pressl Bürgermeister ist, liegt im niederösterreichischen Mostviertel und hat 3640 Einwohnerinnen und Einwohner. 2875 von ihnen waren wahlberechtigt, 491 haben für den 29. September 2024, die Nationalratswahl eine Wahlkarte beantragt. „Von den 491 Wahlkarten sind auch bei uns nur 403 zurück gekommen, sieben davon waren mangels Unterschrift ungültig, drei weitere konnten nicht gezählt werden, weil Manipulationsverdacht durch Zukleben des Briefkuverts mit Klebeband bestand“, schildert Johannes Pressl und zeigt damit bereits zwei Probleme auf: Viele bestellte Wahlkarten kommen nicht an oder nicht zurück. Und ein durchaus erheblicher Anteil der wieder angekommenen Wahlkarten ist ungültig!

Gemeindebund-Präsident hatte selbst kuriose Wahlkarten-Fälle in seiner Gemeinde

Und dann ist da noch der Aufwand, der für „Normalsteuerzahler“ unverständlich und für die Gemeindeverwaltungen nur mit einem Kraftakt stemmbar ist. Johannes Pressl erzählt ein Beispiel:  „Einem Auslandsösterreicher muss von Amtswegen eine Wahlkarte zugestellt werden, wenn das beantragt wurde. Die Fristen sind aber so eng gesetzt, dass nach Vorlage der Drucksorten eine Zustellung nach Brasilien oder Indien und damit eine rechtzeitige Rückübermittlung in vielen Fällen nicht möglich sind.Oder wir hatten Fälle, wo Menschen eine Wahlkarte bestellen, dann aber ohnehin damit im eigenen Wahllokal wieder auftauchen“, führt Pressl weiter aus.

Der Gemeindebund-Chef nennt noch einen weiteres Problem mit den Wahlkarten: „Wir haben Fälle erlebt, wo Wahlkarten bestellt wurden, dann per Einschreiben nicht zugestellt werden konnten, bei der Post hinterlegt wurden und dann die Wähler wieder geglaubt haben, das läge an der Gemeinde“, erzählt der Gemeindebund-Chef. Für das Nachvollziehen entstehe hier weiterer enormer Aufwand bei der Gemeinde.

Und dann geht Pressl noch auf den Fall ein, wo es eine letzte Chance für Wahlkarten gibt, die schon ausgegeben wurden. „Unsere Mitarbeiter am Gemeindeamt prüfen zum Beispiel am Freitag vor der Wahl nochmals, ob alle bei der Post hinterlegten Wahlkarten auch abgeholt wurden. Wenn das nicht der Fall ist, werden sie mit enormem Aufwand wieder rückgeholt und ins Wählerregister zurück eingespielt. Dann wäre die Wahlkarte nochmals direkt am Wahltag im Wahllokal abholbar“, sagt Johannes Pressl.

Der Steuergeldaufwand durch die Wahlkarten

Für den Gemeindebund-Präsidenten Johannes Pressl kommt zu diesen Beispielen des Verwaltungsaufwandes noch der hohe Steuergeldaufwand dazu. „Mein Team am Gemeindeamt hat die Kosten nachgerechnet“, erzählt er:

  • Nur etwa ein Viertel der Wahlkarten-Wählerinnen und -Wähler bestellten die Wahlkarte mit dem der Wahlinfo beigelegten Rücksendekuvert: Das ist dann ein normaler Posttarif € 1,20
  • Für die restlichen Dreiviertel kostet die Zustellung der Wahlkarte als eingeschriebene Briefsendung dann in Österreich € 6,50, ins EU-Ausland € 12,15 und ins weitere Ausland € 18,95
  • Die Rücksendung der Wahlkarte an die Bezirkshauptmannschaft (BH) haben wir einmal mit ca € 3 veranschlagt oder aus dem Ausland wohl auch deutlich mehr.

Und den Verwaltungsaufwand, die vielen Telefonate und Rückfragen oder Mails, die enorm viel Zeit verschlingen, sind da noch lange nicht bewertet“, weiß Gemeindebund-Chef Pressl.

Gemeindebund für E-Voting

Sein Vorschlag: „Mit der Digitalisierung könnten wir viele der geschilderten Probleme ganz einfach lösen.“ So der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes. „Mit E-voting und der Anwendung der ID-Austria besteht die Möglichkeit auch aus Südostasien ohne langen Postweg und viel Ärger zu wählen“, sagt Pressl. Mit E-voting würde die Stimme aus Brasilen ankommen und eine Wahlkarte nicht irgendwo hängen bleiben. „Und schließlich wäre mit E-voting auch ein bequemes Wählen zu Hause, das viele Menschen sollen, auch möglich!“, meint der Gemeindebund-Chef.

„Ich plädiere hier an die Verantwortlichen jetzt das Wahlkartensystem genau zu prüfen und auch einem vernünftigen E-Voting System eine Chance zu geben. Ich glaube, es ist sicherer, günstiger und bequemer und für alle, die nicht online Wählen wollen, für die bieten wir selbstverständlich weiterhin die Wahllokale an!“

Schicken Sie uns Ihre Erfahrungen zum Thema Wahlkarten

Pressl will das Thema nun im Gemeindebund mit den Landespräsidenten und dann vor allem mit dem zuständigen Innenministerium rasch besprechen. Beispiele zur noch besseren Analyse des Wahlkartenaufwandes sind genau jetzt gefragt. Wenn Sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben, oder uns Ihre Erfahrungen mit Wahlkarten schildern wollen, dann kontaktieren Sie uns bitte unter presse@gemeindebund.gv.at. Wir wollen möglichst viele Beispiele sammeln, um auch eine gute Grundlage für weitere Verhandlungen zu haben. Vielen Dank!

– S. PEISCHL

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