Die Niederösterreicher haben laut einer Umfrage ein höheres Vertrauen in die Gemeinde– als in die Bundespolitik. Eine Untersuchung vor den Gemeinderatswahlen im Jänner 2025 zeige eine „sehr hohe Erwartungshaltung der Bürger an die Gemeinden„, etwa was Nahversorgung betreffe, sagte Johannes Pressl, Präsident des niederösterreichischen und österreichischen Gemeindebundes, am Freitag vor Journalisten in St. Pölten. Generell Tempo 30 im Ortsgebiet wird mehrheitlich abgelehnt.
Corona wirkt nach
Die Gemeindepolitik könne sich zwar „dem allgemeinen Politikbild“ auf Europa-, Bundes- und Landesebene „nicht entziehen“, genieße aber noch sehr hohe Vertrauenswerte, sagte Pressl. Studienleiter Christoph Haselmayer vom Institut für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) sprach von einer „Pattsituation“ in Niederösterreich. 52 Prozent der Befragten haben Vertrauen in die Gemeindepolitik, 45 Prozent nicht. Deutlich geringer ist der Wert in Bezug auf die Bundespolitik: Hier stehen 25 Prozent mit Vertrauen 73 Prozent gegenüber. Die Maßnahmen während der Corona-Pandemie haben für 38 Prozent auf Bundes- und 28 Prozent auf Gemeindeebene einen Einfluss auf das Wahlverhalten.
Hohe Erwartungen der Menschen an Gemeinden
Gefragt nach zusätzlichen Aufgaben, um die sich die Gemeinden verstärkt kümmern müssten, werden etwa die Finanzierung einer Arztpraxis sowie das Betreiben eines Nahversorgers, Bankomaten oder Postpartners von jeweils mehr als 40 Prozent genannt. Das ergebe ein „enormes Spannungsfeld“, da teilweise nicht die Zuständigkeit und schon gar nicht die Finanzierungsfähigkeit für manche erwarteten Gemeindeleistungen bestehe, sagte Pressl, der auch Bürgermeister von Ardagger (Bezirk Amstetten) ist.
Wo kann man einsparen?
Sparpotenzial wird vor allem bei der Weihnachtsbeleuchtung und Straßenbeleuchtung ab 22.00 Uhr, beim Carsharing und Blumenschmuck gesehen. Drei Viertel der Befragten bezeichnen einen Zweitwohnsitzer-Beitrag für die Nutzung der Gemeindeinfrastruktur als fair.
Den größten Einfluss auf das Wahlverhalten auf Gemeindeebene haben der Umfrage zufolge Investitionen in Nahversorger, Straßen, öffentliche Verkehrsmittel und Freizeiteinrichtungen. Gleichzeitig geben 69 Prozent an, Öffis in der Gemeinde nie oder selten zu nutzen. 24 Prozent der Befragten sprechen sich für generell 30 km/h im Ortsgebiet aus, 74 Prozent sind dagegen.
Breite Akzeptanz für Leerstandsabgabe
Die Befragten stehen mehrheitlich einer Leerstandsabgabe positiv gegenüber und orten zu viel Flächenversiegelung in ihrer Gemeinde. Ohne Wachstum auch im ländlichen Raum sei die Infrastruktur nicht leist- und haltbar, gab Pressl zu bedenken. Als Alternativen nannte er 24-Stunden-Selbstbedienungsläden, Paketboxen und Telemedizin.
Renaturierung von Flüssen als Hochwasserschutz
84 Prozent sprechen sich – nach den jüngsten Überflutungen – dafür aus, dass Flüssen mehr Raum für Hochwasser gegeben wird. Die Mehrheit der Befragten ist jedoch dagegen, dass dabei auch in Eigentumsrechte eingegriffen wird. In Bezug auf die Lebensumwelt und Gestaltungsmöglichkeiten – etwa beim Bodenverbrauch – werde man in einer Klimawandel-Anpassungssituation in den Gemeinden „sehr, sehr viel restriktiver werden und werden müssen“, sagte Pressl.
Gemeinderatswahlen stehen an
In 568 der 573 Gemeinden in Niederösterreich wird am 26. Jänner 2025 gewählt. Die Umfrage sei eine „Standortbestimmung“ und soll einen Diskussionsanstoß geben, hieß es. Die Themen seien dennoch unterschiedlich: „Es werden 568 eigenständige Gemeinderatswahlen sein“, blickte Pressl voraus.
Befragt wurden im Auftrag des niederösterreichischen Gemeindebundes 2.400 Wahlberechtigte mit Hauptwohnsitz im Bundesland. Untersuchungszeitraum war die Woche der Nationalratswahl, also von 23. bis 29. September. Zur Anwendung kam Computer Assisted Web Interviewing (CAWI)
-APA