Die in diesem Jahr stattgefundenen bundesweiten Wahlen waren ein Bewährungstest für die umfangreichen Wahlrechtsänderungen, die in den Jahren 2022 und 2023 beschlossenen wurden. Eine Bestandsaufnahme.
Wahlkarten bereiten enormen Aufwand
Die Abwicklung von Wahlen ist herausfordernd. Allein in Anbetracht des Umfangs der Wahlrechtsänderungen in den letzten Jahren lässt sich eines vorweg ohne Zweifel feststellen: Die Administration und Abwicklung der Wahlen hat im Großen und Ganzen reibungslos funktioniert – dank des Engagements in den Gemeinden und dank der guten behördenübergreifenden Zusammenarbeit. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor Änderungs- und Anpassungsbedarf gibt. Das bestätigen zahlreiche Meldungen von Gemeinden, die über praktische und bürokratische Probleme berichtet und auch sogleich Vorschläge für Verbesserungen eingebracht haben.
Die Zunahme an Wahlkarten verursacht einen kaum mehr bewältigbaren administrativen und logistischen Aufwand.
Zu schaffen macht den Gemeinden insbesondere die Administration der (Brief-) Wahlkarten, deren Anteil stetig zunimmt. Im Vergleich zur Nationalratswahl im Jahr 2019 wurden bei der diesjährigen Nationalratswahl gleich um 35 Prozent mehr Wahlkarten ausgestellt, insgesamt rund 1,44 Mio. Diese im Sinne einer hohen Wahlbeteiligung durchwegs erfreuliche Entwicklung bedeutet auf Gemeindeseite jedoch einen kaum mehr administrativ und logistisch bewältigbaren Aufwand.
Hohe Kosten, viele Fehler
Die Zunahme an Wahlkarten ist auch ein enormer Kostenfaktor. So muss eine Gemeinde allein für das Porto einer einzigen Wahlkarte mit bis zu 8 Euro rechnen (!) Aus etlichen Gemeinden wurde berichtet, dass zahlreiche Stimmen ungültig waren, da die Formalitäten nicht eingehalten wurden, etwa auf die Unterschrift auf der Wahlkarte vergessen wurde. Probleme hat es auch mit der Zustellung der Wahlkarte gegeben, insbesondere mit Auslandsbezug. Viele Wahlkarten aber auch schon Anforderungskarten gehen schlicht am Postweg verloren.
Von zahlreichen Gemeinden wurde die Niederschwelligkeit des Zugangs zu Wahlkarten kritisiert. Viele Leute würden „sicherheitshalber“ und aus reiner Bequemlichkeit Wahlkarten beantragen – letztlich könne man sich so alle Optionen offenhalten (Briefwahl, Wahllokal, Nichtwählen), so der Tenor. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Fehlentwicklung leisten überdies die zahlreichen Aufrufe zur Wahlkartenbeantragung, die Bürger geradezu ermuntern, ohne Bedarf Wahlkarten zu beantragen.
Auch zu bedenken ist, dass sich zwar die Bürger:in durch die Inanspruchnahme einer Wahlkarte das Aufsuchen des Wahllokals am Wahltag erspart, er oder sie aber immer längere Wege in Kauf nehmen muss, um die hinterlegte Wahlkarte abzuholen. So gibt es kuriose und für Bürger:innen und Gemeinden ärgerliche Vorkommnisse: Ein Bürger beantragte mittels Anforderungskarte eine Wahlkarte und beschwerte sich im nur 500 Meter entfernten Gemeindeamt, da er die Wahlkarte aufgrund eines „gescheiterten“ Zustellversuch im 10 km entfernten Postamt abholen darf.
E-Voting als Chance
Damit auch in Zukunft Wahlen sicher und reibungslos abgewickelt werden können, ist es unabdingbar, die Wahlabwicklung weiter zu verbessern und zu vereinfachen. Ein großes Potential zur Vereinfachung schlummert im Bereich der Digitalisierung der Wahlabwicklung. Wie in anderen Bereichen auch muss natürlich immer Vorsorge gegen den Ausfall von IT-Systemen getroffen werden. Es ist aber nicht einzusehen, weswegen nach wie vor im Wahllokal handschriftliche Listen geführt werden (müssen), obwohl es auch digitale Lösungen gibt (gäbe). Anbieten würde sich als Arbeitsplattform das Zentrale Wählerregistertool, im Wege dessen zukünftig auch Gemeindewahlergebnisse eingepflegt, ausgezählt und kommuniziert werden könnten. Das würde die Fehleranfälligkeit bei der telefonischen Übertragung reduzieren und würde auch die Auswertung beschleunigen.
In Zeiten der Digitalisierung ist es auch nicht verständlich, weswegen bei der Ausstellung von Wahlkarten Kandidatenlisten beigelegt werden und damit weiterhin Papiertiger produziert werden, die letztlich im Abfalleimer landen. Auch wird man sich nicht den technischen Möglichkeiten und Entwicklungen verschließen können. Man wird sich mit der Frage zu beschäftigen haben, ob nicht der Bürger:in – im Sinne eines niederschwelligen Zugangs und einer hohen Wahlbeteiligung – neben der Urnenwahl und der Briefwahl auch die Möglichkeit gegeben werden sollte, elektronisch die Stimme abzugeben. Dass in elektronischen Stimmabgaben ein großes Vertrauen besteht und dass die Möglichkeit auch gut angenommen wird, sieht man bei Volksbegehren. Bis zu 80 % aller Stimmen bei Volksbegehren (Unterstützungserklärungen + Eintragungen) erfolgen bereits online mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (ID Austria).
Die Wahlen wurden zwar erfolgreich abgewickelt, dennoch zeigt sich, dass es nach wie vor Wahlrechtsänderungs- und Anpassungsbedarf gibt.
Darüber hinaus gibt es noch weitere wichtige Änderungsvorschläge:
- Wahlkartenadressierung
Völlig unverständlich ist die Regelung, dass Briefwahlkarten, die zur Post gebracht werden, an die jeweilige Bezirkswahlbehörde adressiert sind. Nachdem die Auszählung dieser Stimmen ohnedies am Wahltag in der Gemeinde (Sprengel) stattfindet, sollten die Briefwahlkarten sogleich an die Gemeinden adressiert werden. - Auflegung des Wählerverzeichnisses
Nachdem weiterhin die Einsichtnahme in das Verzeichnis auch außerhalb der Amtsstunden erfolgen muss, jedoch kaum jemand von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und zudem eine Einsichtnahme seit der letzten Novelle auch mittels qualifizierter elektronischer Signatur möglich wäre, sollte der Einsichtszeitraum für die physische Einsichtnahme auf die Amtsstunden beschränkt werden. - Entschädigung der Wahlbeisitzer
Nachdem sich Wahlbeisitzer:innen und Ersatzmitglieder zweckmäßigerweise den Wahltag aufteilen, widerspricht die in der letzten Novelle aufgenommene Regelung, wonach eine Entschädigung nur für die „Tätigkeit im vollen Umfang“ ausgezahlt wird, der gelebten Praxis. Das eigentliche Ziel mehr Wahlbeisitzer:innen zu rekrutieren wird damit konterkariert. - Ausstellung und Versendung der Wahlkarten
Infolge der engen Fristen erfolgen die Ausstellung und Versendung der Wahlkarten sehr spät. Das ist insbesondere für Auslandsösterreicher problematisch. Es ist daher zum einen notwendig, den Zeitpunkt der Einbringung der Wahlvorschläge um eine Woche vorzuverlegen. Zum anderen muss die Frist zur Beantragung generell auf Dienstag (fünfter Tag) vor der Wahl festgelegt werden. - Eintragungszeitraum bei Volksbegehren
Die Volksbegehren in den letzten Jahren haben gezeigt, dass die meisten Stimmen nicht in der Eintragungswoche (Eintragungen) erfolgen, sondern in dem bis zu zwei Jahre andauernden Unterstützungszeitraum (Unterstützungserklärungen). Darüber hinaus erfolgen die Unterstützungserklärungen (die als Eintragungen zählen) zu einem weit überwiegenden Anteil online (wie bereits oben ausgeführt). Es ist daher notwendig und legitim, den Eintragungszeitraum zu verkürzen (kein langer Tag mehr) oder überhaupt analog zur Europäischen Bürgerinitiative und mit Blick auf den langen Unterstützungszeitraum wegzulassen.
-B. HAUBENBERGER