Nach fast 100 Tagen Verhandeln präsentierten die beiden Parteichefs Kurz und Kogler am Donnerstag ihr Regierungsprogramm. Die wichtigsten Punkte finden Sie hier zusammengefasst.
95 Tage nach der Wahl wurde das lang ersehnte türkis-grüne Regierungsprogramm der Koalitionspartner Sebastian Kurz und Werner Kogler der Öffentlichkeit vorgestellt. 326 Seiten stark ist das Dokument „Aus Verantwortung für Österreich“, das laut Sebastian Kurz „das Beste aus beiden Welten“ der türkisen und grünen Verhandler zusammenführt. Man habe dabei keine Minimalkompromisse herunterverhandelt, sondern bewusst „zentrale Wahlversprechen halten können“, so Sebastian Kurz. Die Kompromissfindung sei „ungewöhnlich“ gewesen, genauso wie die „Kompromisslinien ungewöhnlich seien“, merkte Werner Kogler an.
Seit 15. November arbeiteten mehr als 100 Personen aus Vertretern von ÖVP und Grüne in 33 Fachgruppen plus Steuerungsgruppe an dem Regierungsprogramm. Seit 2. Jänner liegt dieses nun vor.
ÖVP und Grüne haben sich darin konkret auf sechs große Kapitel verständigt: „Staat, Gesellschaft & Transparenz“, „Wirtschaft & Finanzen“, „Klimaschutz, Umwelt, Infrastruktur & Landwirtschaft“, „Europa, Integration, Migration & Sicherheit“, „Soziale Sicherheit, neue Gerechtigkeit & Armutsbekämpfung“, „Bildung, Wissenschaft, Forschung & Digitalisierung“.
Lesen Sie hier einen Überblick über die großen Themen des türkis-grünen Regierungsprogramms:
Steuern und Finanzen
Die bereits von der türkis-blauen Vorgänger-Regierung geplante Steuerreform soll nun von der türkis-grünen Koalition umgesetzt werden. Geht es nach dem Regierungsprogramm so ist darin sowohl die Senkung der Lohn- und Einkommensteuertarife als auch die starke Senkung der Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne vorgesehen. Darüber hinaus ist eine „CO2-Bepreisung“ und eine schrittweise Ökologisierung der Steuerreform geplant, die in einer „Task-Force“ erarbeitet werden soll.
Hinsichtlich der Armutsbekämpfung wollen ÖVP und Grüne die Steuersätze ändern: Der Eingangssteuersatz wird auf 20 Prozent gesenkt, die Untergrenze beim Familienbonus soll pro Kind von 250 auf 350 Euro erhöht, der Gesamtbetrag von 1.500 auf 1.750 Euro pro Kind erhöht werden. Zudem sollen die Löhne, die unter den niedrigsten Kollektivvertragsgehältern liegen angehoben werden.
Gleichzeitig will die neue Regierung am Nulldefizit festhalten, genauso wie die Staatsschulden unter die auf EU-Ebene vorgegebene Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken.
Integration und Asyl
Das Regierungsprogramm zum Thema Asyl bringt etwa die Einführung einer „Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit“. Im Programm findet sich auch ein koalitionsfreier Raum, falls es zu großen Flüchtlingsbewegungen kommen sollte. Auch das bereits unter der Vorgänger-Regierung eingeführte Kopftuchverbot an Schulen wird bis zum 14. Lebensjahr ausgeweitet. Verstärkte Kontrollen soll es in Kinderbetreuungsstätten, insbesondere islamischen geben. Einen Präventionsunterricht soll es ab der Mittelstufe geben.
Wirtschaft
Hinsichtlich der Wirtschafts- und Standortpolitik liegt der Fokus der neuen Regierung auf Entlastung und Entbürokratisierung. Die Steuer- und Abgabenquote soll gesenkt und Unternehmensgründungen erleichtert werden. Dem Fachkräftemangel will man durch eine Modernisierung der Lehrberufe und der Rot-Weiß-Rot-Karte entgegenwirken.
Die Verhandler haben aber auch den Ruf der Wirtschaft nach einer Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) gehört, wonach der Steuersatz von derzeit 25 auf 21 Prozent gesenkt werden soll. Darüber hinaus soll es für Erträge aus ökologischen bzw. ethischen Investitionen eine Befreiung von der Kapitalertragsteuer (KESt) geben. Die Kriterien dafür sollen vom Finanz- und vom Klimaministerium formuliert werden.
Transparenz
Ein Kernpunkt der grünen Regierungsbeteiligung stellt das Transparenzpaket dar: Geplant sind die Abschaffung des Amtsgeheimnisses sowie einmal mehr eine Reform des Parteiengesetzes.
Klimaschutz
Der Klimaschutz ist vor allem aus grüner Sicht ein Schwerpunkt des Regierungspaketes. „Klimaschutz soll einen Preis bekommen“, fasst Werner Kogler das Kernziel des Paketes zusammen. Das Regierungsprogramm sieht viele einzelne Maßnahmen bzw. Überschriften vor, die zum Teil noch mit Inhalten gefüllt werden müssen. Das große Ziel ist es, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Bis 2030 soll der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Geplant sind auch ein Österreich-Ticket, eine Ökologisierung des Pendlerpauschale, der Öffi-Ausbau und ein Klimacheck für alle neuen Gesetze.
Außenpolitik
Die EU als „Klimaschutzvorreiterin“ ist ebenso Teil des Programms wie der „Einsatz für einen Neuen Vertrag für Europa“. Im Regierungsprogramm beharrt Türkis-Grün auf der „Ablehnung des MERCOSUR-Handelsabkommens in der derzeitigen Form“, eine vom Nationalrat mehrheitlich beschlossene Positionierung Österreichs. Die Bemühungen zur Einführung einer Digitalsteuer für internationale Großkonzerne sollen auf internationaler oder europäischer Ebene fortgesetzt werden, heißt es weiter im Programm.
Innere Sicherheit
Im Bereich der Inneren Sicherheit sieht das türkis-grüne Regierungsprogramm – wie bereits unter schwarz-blau geplant – eine Neuausrichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vor. Gleichzeitig soll das Personal der der Polizei mit 2.300 zusätzlichen Planstellen und 2.000 Ausbildungsplanstellen aufgestockt werden.
Schule
Für den Bildungsbereich wollen ÖVP und Grüne Qualitätsmindeststandards für Kindergärten. Vorgesehen ist auch ein Ausbau der Plätze, sowie eine Erhöhung der Mittel für 2020/21 aus der Bund-Länder-Vereinbarung. Die Deutschförderklassen sollen in der Schule erhalten bleiben und laufend wissenschaftlich begleitet werden. Darüber hinaus ist im neuen Regierungsprogramm die Bildungspflicht vorgesehen, wonach Jugendliche erst nach Beherrschung der Grundkompetenzen in Mathematik, Deutsch und Englisch beherrschen, ihre Schullaufbahn beenden können.
Auch die Digitalisierung im Bereich der Schule soll voran getrieben werden: Demnach sollen Schüler ab der fünften Schulstufe mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden. In einem Pilotprogramm sollen zudem 100 Brennpunktschulen zusätzliches Personal und Geld erhalten. Außerdem will die Regierung das administrative und psychosoziale Unterstützungspersonal wie Schulsozialarbeiter oder -psychologen „bedarfsgerecht aufstocken“.
Für die Universitäten ist im Regierungsprogramm eine längerfristige Planungssicherheit vorgesehen. Ihr kommendes Budget soll nicht wie eigentlich vorgesehen bis 2024 sondern bis 2027 sichergestellt werden. Auch von einer fairen Weiterentwicklung von Zugangsbeschränkungen und Anhebung der Studiengebühren ist im Regierungsprogramm zu lesen. Gleichzeitig soll die Studienförderung ausgebaut werden.
Pflege
Beim Thema Pflege soll die länger geplante Pflegeversicherung eingeführt werden, sowie pflegende Angehörige besser unterstützt werden.
Landesverteidigung
Beim Kapitel Landesverteidigung fällt auf den ersten Blick auf, dass es mit dem Krisen- und Katastrophenschutz verknüpft ist und dass wiederholt von einer „zeitgemäßen“ Neugestaltung der Aufgaben gesprochen wird. Zahlen, was das Budget anbelangt, findet man ebenso keine wie konkrete Pläne zur künftigen Gestaltung der Luftraumüberwachung. Dafür soll die Kategorie „teiltauglich“ kommen.
Weiter unten finden Sie das Regierungsprogramm in Kurzfassung zum Download.
– S. PEISCHL (QUELLE: REDAKTION, ORF, STANDARD, KURIER)