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Bundesländer

Infrastruktur

23.03.2020

Chancen der Dezentralisierung

Bei der Bundesrats-Enquete zum Thema Dezentralisierung diskutierten Referenten über regionale Handlungsebenen, den Ausbau der Infrastruktur und die Auslagerung von Bundesdienststellen. Bundesratspräsident Karl Bader rief seine Kollegen dazu auf, für die Gesetzesinitiative zu stimmen, die die Ansiedlung von Behörden im ländlichen Raum unterstützen soll.

Neunzig Prozent des österreichischen Bundesgebietes ist ländlicher Raum, bewohnt wird er von zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung. Problemstellungen ländlicher Gebiete betreffen also den Großteil der österreichischen Bevölkerung. Um diese von verschiedenen Blickwinkel zu beleuchten, hielt Karl Bader, der im zweiten Halbjahr 2019 als Bundesrats-Präsident fungierte, eine Enquete unter dem Motto „Nah am Menschen. Bereit für die Zukunft. – Chancen der Dezentralisierung.“

Miteinander, und nicht gegeneinander

Bader appelierte für taugliche Infrastruktur, mehr Bildungsangebote und Betreuungseinrichtungen und eine gute Gesundheitsversorgung. „Es ist eine zentrale Aufgabe, den ländlichen Raum als Lebensraum zu erhalten“, rief Bader dazu auf, die Initiative zu ergreifen und durch Maßnahmensetzung die Zukunft zu sichern. Außerdem erinnerte er daran, dass der sprunghafte Bevölkerungsanstieg auch für die Städte massive Probleme birge, etwa im Bereich des leistbaren Wohnens. „Wir müssen miteinander diese Probleme angehen, und nicht gegeneinander.“ Auch der Wiener Gemeinderat und Vertreter des Städtebundes Erich Valentin plädierte dafür, neue Schwerpunkte effizient aufzubauen, ohne alte Stärken zu schwächen.

Digitalisierung als heiliger Gral

Der Präsident des niederösterreichischen Landtages, Mag. Karl Wilfing, erläuterte die Verhältnisse in seinem Bundesland und dessen „3D-Strategie“: Digitalisierung, Dezentralisierung und Deregulierung. Die prominente Kuh „Digitalisierung“ wurde von den meisten Referentinnen und Referenten der Enquete durch das sprichwörtliche Dorf getrieben. Breitbandausbau und auch mehr Möglichkeiten für den digitalen Behördengang wurden als große Chancen für den ländlichen Raum gefordert. Wilfing lobte den niederösterreichischen „Digi-Contest“, in Zuge dessen etliche herausragende Projekte eingereicht wurden, an deren schrittweisen Umsetzung jetzt gearbeitet werde.

Infrastruktur ist Motor für Wachstum

Gemeindebundpräsident Alfred Riedl sprach von drei Handlungsbedürfnissen, die im Mittelpunkt der Debatte stünden, nämlich Infrastruktur, Planungssicherheit und die kommunale Selbstverwaltung. „Nur eine funktionierende Infrastruktur ist ein wesentlicher Motor für Wachstum und Prosperität in allen Regionen“, so Riedl, und forderte einen Strukturfonds für den Ausbau und die Sanierung der Infrastrukturen. „Alle Regionen und Gemeinden müssen die gleichen Chancen haben“, wünscht sich Riedl.

Überalterung als zentrale Herausforderung

Die demografische Entwicklung in Österreich untermauerte Dr. Stephan Marik-Lebeck von der Statistik Austria mit Fakten. Seit der Jahrtausendwende sei die Bevölkerung in Österreich um zehn Prozent gewachsen, jedoch hauptsächlich im urbanen Raum. Fast vierzig Prozent der Gemeinden sei mit einer negativen Bevölkerungsentwicklung konfrontiert, hier hebt er vor allem das Most- und das Weinviertel hervor, in denen 2019 nur wenige Gemeinden mit einem hohen Anteil an junger Bevölkerung übrig geblieben sei. Die Alterung, so Marik-Lebeck, ist ein Trend, der nach und nach alle Gemeinden bis auf die großen Städte trifft.

Ohne Finanzierung keine Maßnahmenumsetzung

Großes Thema der Enquete war auch die Finanzierung. Der oberösterreichische Landesrat Mag. Günther Steinkellner kritisierte etwa mangelnde Förderungen des Bundes in puncto Regionalverkehr. Derzeit zahle Oberösterreich dreißig Prozent der öffentlichen Infrastruktur im Land, welche aber immer teurer werde. „Ohne Finanzierung bleibt es bei einer akademischen Diskussion, und das Budget für konkrete Maßnahmen fehlt“, appelierte Steinkellner. Auch Bader selbst pflichtete dem in seinen Schlussworten bei: „Organisatorische Maßnahmen kommen ohne Budget nicht über Lippenbekenntnisse hinaus“, so der Bundesratspräsident.

Abschließend rief Bader seine Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat dazu auf, die Gesetzesinitiative zu unterstützen, die vorsieht bei der Ansiedlung von Behörden zu prüfen, ob ein Standort außerhalb Wiens nicht gleichwertig oder besser wäre. Über das Gesetz soll im Dezember im Bundesrat abgestimmt werden. Derzeit befinden sich von 72 Behördenstellen 68 in Wien, also nur vier Stellen außerhalb der Hauptstadt.

-E. AYAZ

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