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Oberösterreich

Panorama

21.06.2024

Vichtensteins vielseitige Vergangenheit

In der oberösterreichischen Gemeinde Vichtenstein spaziert man Hand in Hand mit Aschenputtel und Co. und erinnert sich noch immer an Sissis Eildampfer. Ob’s im Sauwald wirklich grunzt und wieso dort der Hirsch den Jäger rettete, erfahren Sie im Text.

Auf einem Stückchen Granit-Plateaurücken der Böhmischen Masse im oberösterreichischen Sauwald liegt die kleine Gemeinde Vichtenstein. Gleich an der Grenze zu Deutschland, an der schönen Donau im Innviertel, bietet der Ort nicht nur traumhafte Aussichten, sondern auch eine himmlische Rettungsgeschichte und Prinzessinnen aus Holz.

Sissis Brautprozession stromabwärts

Das Gebiet um Vichtenstein, das heute im Bezirk Schärding liegt, machte schon zu römischen Zeiten von sich reden: Über die Handelsstraße „Via iuaxta Danubium“ waren Pferdefuhrwerke, Soldatenkolonnen, Kurierreiter und Reisende durch die Vichtensteiner Ortschaft Kasten unterwegs. Ein einscheidendes Erlebnis auf der ehemaligen Hauptverkehrsader war außerdem die Brautreise der Kaiserin Elisabeth im Jahr 1854, die auf ihrem Dampfer unter frenetischem Jubel der Bevölkerung die Gemarkung auf der Donau passierte.

Marias tierische Rettung

Mit seinem Hausberg im Sauwald, dem 895 Meter hohen Haugstein, besitzt Vichtenstein die größte Erhebung des Innviertels. Vor rund 250 Jahren soll sich damals dort eine Geschichte ereignet haben, die an ein Wunder grenzt. Ein herrschaftlicher Jäger erwischte zwei Wilderer, wie sie gerade einen Rehbock wegschleppten. Der Jäger verhaftete die zwei und kerkerte sie in der Burg ein. Natürlich schworen ihm die Übeltäter Rache. Es gelang ihnen später den Jäger bei einer Fütterung im Walde zu überwältigen, ihn zu fesseln und kopfüber an einen Baum zu hängen. In seiner Todesangst flehte der Jäger die Gottesmutter Maria um Hilfe an. Plötzlich nahte ein weißer Hirsch vom Haugstein und befreite den Jäger, in dem das Tier die Stricke durchbiss. Zum Dank errichtete die Jägerschaft eine Kapelle.

Grunzen im Sauwald?

Bei Sauwald mag man wohl denken, dass die Gegend ihren Namen dort ansässiger Wildschweine zu verdanken hat – doch man irrt. Der Name rührt vom älteren „Passauer Wald“ her, war dieses Terrain doch bis 1779 im Besitz des Hochstifts Passau. Drei Jahre später erfolgte dann die Einverleibung in das Innviertel. Auch Passaus Name wurde nicht von den Tieren inspiriert, sondern kommt vermutlich von den noch vor unserer Zeitrechnung dort stationierten germanischen Söldnern vom Stamm der Bataver.

Von der Gotik bis zur Moderne

Ein Herzstück der 600 einwohnerstarken Gemeinde ist die Burg Vichtenstein. Ihre Existenz wurde im Jahre 1116 zum ersten Mal erwähnt. Ihre Errichtung hoch über der Donau hatte eine wichtige, strategische Bedeutung für die Überwachung der Handelswege zu Wasser und zu Lande. Die Burg war seither in ununterbrochener Folge benutzt und bewohnt. Eine erste Blüte erlebte die gotische Burg in der durch den Minnesang geprägten Zeit des Hochmittelalters. Historische Persönlichkeiten wie Konrad von Frauenstein oder Dietmar von Aist sollen damals im Innenhof der Burganlage mehrfach ihre Sangeskunst zum Besten gegeben und ihrem gastgebendem Burgherren höchste Huldigung entgegen gebracht haben.

Die unruhigsten Zeiten hat Vichtenstein im 13. Jahrhundert erlebt, als die Burg an das Passauer Bistum verpfändet wurde, um mit dem Pfandgeld eine Kreuzfahrt ins Heilige Land ausrüsten zu können. Heute befindet sich das Anwesen mit seinem mächtigen Bergfried, drei Türmen, Palas und rein gotischer Kapelle in Privatbesitz.

Ausblick en masse

Heute wird die Gemeinde gerne wegen ihrer pittoresken Sauwald-Panoramastraße besucht. An insgesamt neun Orten wurden Aussichtspunkte erschlossen und mit besonderen, in die Landschaft integrierten Skulpturen bereichert. Zu den weiteren Highlights des Dorfes gehört ein Märchenwanderweg, ein Campingplatz mit Yachthafen und der Donauradweg.

Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?

Der „Märchenwanderweg“ mag wohl eher ein Spazierweg sein, mit seinen 30 Minuten Gehzeit und einem Höhenunterschied von 80 Meter. Doch dank des traumhaften Ausblicks zur Donau und weit ins benachbarte Bayern und das Mühlviertel, ist dieser nicht minder schön. Vichtensteins Bewohnerinnen und Bewohner schlossen ihn gar so weit ins Herz, dass sich im Sommer 2019 mehrere Freiwillige fanden, die die Märchenbilder und das Hexenhaus restaurierten. Nun erstrahlen Schneewittchen und ihre sieben Zwerge in neuem Glanz.

-E. AYAZ

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