Wenig Verkehr, großer Garten, Dorfgemeinschaft: Das Landleben hat schon seine Vorzüge. Die steigende Nachfrage für Immobilien am Land und die Flucht zu den Zweitwohnsitzen während des Corona-Lockdowns zeigen, dass der Trend zum Ländlichen zunimmt. Erstmals in Österreich kann man das Wohnen am Land nun testen.
Viele Österreicherinnen und Österreicher träumen vom Haus im Grünen: Nicht nur jene, die am Land aufgewachsen sind, sondern auch viele junge Menschen aus urbanen Gegenden zieht es zunehmend aufs Land hinaus. Der Gedanke an das entschleunigte, naturnahe Dorfleben klingt vielversprechend. Für Unentschlossene gibt es nun die Möglichkeit, das Landleben kostenlos zu testen.
An einem ausgewählten Probe-Wohnort können Interessierte das Leben in der Region Oststeiermark für drei Nächte ausprobieren. Der Aufenthalt in idyllischen Ferienwohnungen ist gratis und die Probewohner werden dabei aktiv in das Gemeindeleben integriert.
Fünf Gemeinden machen mit
Das Probewohnen ist eine Initiative der Regionalentwicklung Oststeiermark. Die Aktion startete erstmals diesen Sommer und verloste in einem Gewinnspiel neun mal jeweils drei Nächte in ausgewählten Ferienwohnungen in einer der fünf teilnehmenden Gemeinden. Initiatorin der Aktion ist Bettina Mandl. „Die Idee spukte eigentlich schon seit längerer Zeit in meinem Kopf herum. Diesen Sommer haben wir endlich die Chance ergriffen“, erzählt die Projektleiterin.
Sie habe mehrere Gemeinden angeschrieben, ob sie an ihrer „verrückten Marketingidee“ – wie sie selber sagt – Interesse hätten. Fünf Gemeinden waren sofort dabei: Wenigzell, Pöllauberg, Passail, Loipersdorf und Grafendorf dürfen sich nun Probewohnorte nennen.
Vor allem junge Familien erwünscht
Die glücklichen Gewinner des Probewohn-Gewinnspiels wohnen nicht nur drei Nächte lang gratis in einer Ferienwohnung, sondern dürfen auch erleben, wie es ist, am Land zu leben. Die inkludierten Erlebnisse reichen von einer Kulinarik-Jause im Buschenschank, über Golfspielen, einer Fahrt im Feuerwehrauto und einem Gutschein beim E-Bike-Verleih bis hin zum gemeinsamen Brotbacken mit einem Heimatverein.
Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin führt die Probewohner durch die Gemeinde und erzählt aus dem Gemeindealltag. Im Vordergrund steht die Interaktion mit den Menschen im Ort. Das Angebot soll vor allem junge Familien oder Paare vor der Familiengründung anlocken, die überlegen, aufs Land zu ziehen.
Probewohnen gegen Landflucht
Was nach einem Marketing-Gag klingt, hat einen tieferen Hintergrund. Das „Probewohnen in der Oststeiermark“ soll der Landflucht entgegenwirken. Immer mehr junge Menschen wanderten in den letzten Jahren aus den oststeirischen Bezirken Weiz und Hartberg-Fürstenfeld ab. Insgesamt wächst die Bevölkerung in der Oststeiermark zwar, doch in der Gruppe der 20 bis 30-Jährigen ziehen mehr in die Ballungszentren weg, als aufs Land herziehen. Vor allem junge Frauen verlassen die Region für die Ausbildung und kehren oftmals nicht mehr in ihre Heimatgemeinden zurück.
Das hat natürlich Auswirkungen auf die Demografie – die Gemeinden wünschen sich besonders mehr junge Familien. In Grafendorf im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld versucht man diese mit Investitionen in die Kinderbetreuung und Infrastruktur anzulocken. „Wir haben es vor allem in den Jahren 2010 bis 2015 sehr deutlich gespürt, dass die Einwohnerzahl zurückgegangen ist. Und wir haben sie aber seit 2015 wieder kontinuierlich heben können“, erzählt Bürgermeister Johann Handler.
Mit Aktion Gäste anlocken
Auch in Pöllauberg im selben Bezirk konnte man die Einwohnerzahl mit gezielten Maßnahmen jahrelang halten. Die Gemeinde hat dafür gesorgt, im Rahmen des neuen Flächenwidmungsplans neues Bauland zu schaffen. „In den letzten Monaten haben wir sogar einen kleinen Zuwachs verzeichnet“, freut sich Bürgermeister Gerald Klein. Für ihn ist es ein dezidiertes Ziel, junge Familien anzulocken. „Das stärkt den Schulstandort und der macht die Gemeinde wiederum für neue Familien attraktiver.“
Pöllauberg ist auch einer der Probewohnorte: Mit einem Ferienwohnungsbetrieb beteiligt sich die Gemeinde an der Aktion. In erster Linie erhofft man sich damit auch eine positive Wirkung im Tourismus. „Die Aktion könnte zum Beispiel künftige Gäste anlocken“, so der Bürgermeister.
Über 2.000 Bewerbungen
Das „Probewohnen“ ist inzwischen weit über alle Ziele hinausgeschossen. Über 2.000 Bewerbungen haben die Organisatoren bei der Regionalentwicklung erhalten. „Damit haben wir wirklich nicht gerechnet“, lacht Bettina Mandl. Ab Mitte September dürfen die ersten „Probewohner“ schon für den Testbetrieb am Land einziehen.