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Coronavirus

Gesundheit

12.01.2021

Corona-Impfung: Keine Angst vor einem Stich

Gerade jetzt, wo erstmals Corona-Impfstoffe zugelassen werden, macht sich immer mehr Angst vor der Impfung breit. Nur rund ein Viertel der Menschen haben sich in der ersten Runde testen lassen, knapp die Hälfte der Bevölkerung steht einer Immunisierung skeptisch gegenüber. Was Impfstoffe tun und wieso die Angst davor erstens ein „alter Hut“ und zweitens eher irrational ist, versucht dieser Beitrag zu erklären.

Zuerst die guten Nachrichten: Mit der Organisation der freiwilligen Massentests Mitte Dezember 2020 haben Österreichs Städte und Gemeinden unter Beweis gestellt, dass sie den Ablauf solcher Tests völlig unaufgeregt und reibungslos abwickeln können. So gut wie nirgends ist es zu gröberen Problemen gekommen, wo Kapazitäten fehlten – und das war vor allem in den großen Städten so –, ist das Bundesheer vorbildlich eingesprungen. Von der Freundlichkeit der vielen Helferinnen und Helfer und Soldatinnen und Soldaten beim Test in der Wiener Stadthalle hat sich der Autor selbst überzeugen können.

Impfverweigerung ist nichts Neues

Wermutstropfen der ersten Tests war allerdings die mangelnde Bereitschaft der Bevölkerung, sich testen zu lassen – womit wir auch schon bei den schlechten Nachrichten sind. Wie ein Virologe formuliert hat, scheint eine „Vogel-Strauß-Taktik“ um sich zu greifen. Frei nach dem Motto: „Was ich nicht sehe, betrifft mich auch nicht.“

Allerdings ist diese Skepsis oder Verweigerung absolut nichts Neues. In einem Interview für den „Spiegel“ führte der Medizinhistoriker Malte Thießen aus, dass es „Impfgegner schon im Kaiserreich gab“. Dies führte nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 – in dessen Folge durch französische Kriegsgefangene die Pocken nach Deutschland eingeschleppt wurden – 1874 zu einer ersten Impfpflicht. Die aus heutiger Sicht katastrophalen Hygieneumstände (geimpft wurde, indem Kühen Pockenbläschen aufgestochen wurden und das Material den Kindern anschließend unter die Haut geritzt wurde, so Thießen) mögen die heutige Skepsis mitbegründet haben. Auch Ängste, erst durch das Impfen steckten sich Leute an und würden krank, könnten daher kommen.

Jedenfalls gab es schon damals, so Thießen, eine „Aluhut-Fraktion, die teilweise abstruse Verschwörungstheorien vertrat wie etwa jene, dass Impfen Teil einer jüdischen Weltverschwörung sei, um die Menschheit zu unterdrücken“. Auch religiöse Fraktionen gab es, die die Meinung vertraten, dass „nur Gott über Leben und Tod entscheiden dürfe“. Kritik an der Schulmedizin und – verbunden mit einer grundsätzlichen Modernekritik – ein Lebensstil, der die „Selbstoptimierung des Körpers durch Ernährung, frische Luft und Sonne zum Ziel hatte“ waren im späten 19. Jahrhundert ebenfalls schon vertreten.

Auch die Debatte um die Impfpflicht ist laut Thießen nichts Neues. Aber nicht einmal die Nazis oder die Behörden der DDR hätten eine Impfpflicht verhängt – aus unterschiedlichen Gründen. So waren Nazi-Bonzen wie Heß und Himmler oder Streicher Impfgegner (Streicher als Herausgeber des Hetzblattes „Der Stürmer“ schrieb, „Impfen wäre ein Rassenschande“). Aber da die Nazis die Bevölkerung „gleichgeschaltet“ hatten, erreichten sie beispielsweise bei der „Diphterie-Impfung Beteiligungsquoten von 98 Prozent“. Auch in „der DDR war zwar eine breite Impfpflicht vorgesehen, aber die Behörden exekutierten das nicht, weil sie mit der Produktion des Impfstoffs sowieso nicht nachkamen“, so der Medizinhistoriker Thießen.

Aber gut, „Geschichte ist auch nur ein Orchideenfach“, wie es der weiland „schönste Finanzminister der Republik“ einst in einer Debatte um Uni-Reformen formulierte, und interessiert folglich kaum jemanden. Wenden wir uns also den Fragen oder besser Ängsten zu, die derzeit praktisch überall diskutiert werden. Sehr zu empfehlen ist in dem Zusammenhang der Beitrag „Mensch des Jahres“ von Alwin Schönberger im „Profil“ Nummer 51 vom Dezember 2020.

Die häufigsten Impf-Ängste widerlegt

Angst 1:

„Ein so schnell erzeugter Impfstoff muss „schlampig“ hergestellt sein, normalerweise dauert das Jahre.“

Wie der „normale“ Ablauf der Impfstoffentwicklung bis hin zu einer Zulassung ist, hat das KOMMUNAL-Magazin in der Dezember-Ausgabe beschrieben. Allerdings muss man, was die Coronaviren betrifft, Folgendes bedenken:

  • Erstens haben sich noch nie zuvor so viele Forscher mit einem Virus beschäftigt, Schönberger kommt in seinem Beitrag auf 250.000 Wissenschaftler.
  • Zweitens sind die vorliegenden Impfstoffe (siehe auch Infobox) nicht einfach in knapp elf Monaten entstanden, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung.

Das Unternehmen Biontech beispielsweise wurde 2008 gegründet, die Gründer arbeiteten aber schon seit 2001 an neuartigen Krebsimmuntherapien. Vorarbeiten, die ihnen 2020 zugutekamen, weil die Methoden, den eigenen Organismus mithilfe von Impfungen zu befähigen, das eigene Immunsystem „ins Gefecht gegen Krebszellen“ zu führen, „exakt jene Werkzeuge sind, die nun auch für die Impfung gegen Covid-19 zum Einsatz kommen“.

Dass der Impfstoff „nun tatsächlich vorliegt, ist nicht Ausfluss von elf Monaten Arbeit, sondern von zwei Jahrzehnten Forschung“, auch wenn diese erst jetzt in einem konkreten Produkt gemündet hat.

Angst 2:

„Die Nebenwirkungen der Impfstoffe sind nicht in Langzeitstudien geklärt, die Impfung birgt daher viel zu viele Gefahren.“

Die Gerüchteküche verbreitete hier viel Falsches. So seien Studienphasen ausgelassen oder es sei schlicht viel zu wenig getestet worden. Richtig ist, dass die Studien zu allen drei nun vorhandenen Impfstoffen einem international genormten Design folgen. Biontech beispielsweise testete seinen Impfstoff an rund 44.000 Probanden, von denen die Hälfte wie vorgeschrieben Placebos bekam, bei Moderna waren es 30.000 Teilnehmer. Auch die Wirksamkeitsrate lag jeweils bei rund 95 Prozent.

Wichtig ist anzumerken, dass natürlich laufend weitere Studien betrieben werden. Unter anderem sind die Auswirkungen auf Kinder oder Schwangere im Fokus.

Angst 3:

„Der Impfstoff verändert meine DNA.“

Zumindest bei mRNA-Impfstoffen ist das nicht richtig.

In der Tat ist es so, dass bei den Impfstoffen von Biontech und von Moderna „im Gegensatz zu traditionellen Impfungen kein Virus injiziert wird, nicht einmal abgeschwächte Teile davon“, sondern lediglich die Bauanleitung für die sogenannten Spikes. Spike-Proteine sind die oft auf Bildern dargestellten stacheligen Fortsätze. Diese Bauanleitung „gelangt nicht in den Zellkern, wo die Erbinformationen sitzen, sondern in den umgebenden Bereich, das Plasma. Die immer wieder heraufbeschworene Veränderungen unseres Erbguts ist daher nicht möglich“, wie Schönberger ausführt.

Der englische Impfstoff von Uni Oxford und AstraZeneca allerdings ist ein Vektorimpfstoff auf Basis eines Adenovirus.

Angst 4:

„Man wird in eine Impfpflicht gezwungen.“

Sie werde schon richtig zornig, wenn sie das höre, zitiert Schönberger in seinem Artikel die Wiener Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt. Die Debatte um die Impfpflicht, die laufend aufpoppt, stiftet, so Wiedermann-Schmidt, nur Verwirrung, da es vorerst nicht um eine Impfung für die breite Masse geht. Zuerst sollen ja wichtige Personengruppen wie Pflegerinnen und Pfleger sowie als Risikogruppe definierte Personenkreise geimpft werden. Erst später kann der Rest der Bevölkerung folgen, genannt wird immer wieder der Sommer – früher werden vermutlich auch die Impfstoffe in der notwendigen Menge nicht zur Verfügung stehen.

So soll es weitergehen

Clemens Martin Auer, CoV-Sonderbeauftragter im Gesundheitsministerium, verwies Mitte Dezember 2020 auf die Vertragsverpflichtungen der Hersteller Pfizer und Biontech und die „unmittelbar“ nach erfolgter Zulassung in Österreich erwartete erste Tranche von 10.000 Impfdosen. Als erstes Impfdatum wurde zu Redaktionsschluss der 27. Dezember genannt.

Eine mögliche frühere Zulassung mache für Österreich keinen Unterschied, sagte Auer gegenüber dem Ö1-„Morgenjournal“, vielmehr habe man auch für diesen Fall Vorkehrungen getroffen: Schon im Dezember stand alles für einen Impfstart bereit. Erste Zielgruppen seien Bewohnerinnen und Bewohner in Alters- und Pflegeheimen und das Personal dieser Heime, so Auer. Die ersten für die Impfungen vorgesehenen Pflegeheime seien noch „nach logistischen Gesichtspunkten ausgesucht worden“, das betreffe nur die erste Tranche. Alle anderen Lieferungen „werden über ganz Österreich verstreut, und wir werden parallel in ganz Österreich impfen“.

900.000 Impfdosen von Biontech und Pfizer sollen dann im Verlauf des ersten Quartals 2021 für Österreichs Bevölkerung zur Verfügung stehen, berichtete Bundeskanzler Sebastian Kurz nach einem Gespräch mit Vertretern der Firma Pfizer am 16. Dezember 2020. Es sollen 240.825 Dosen im Jänner, 331.500 Dosen im Februar und 375.375 im März folgen. „Die Vorbereitungen zum Einsatz des Impfstoffs in Österreich laufen auf Hochtouren“, sagte Kurz.

-H. BRAUN

 

Drei Impfstoffe stehen zur Auswahl

  • BNT162b2

    von Biontech/Pfizer/FosunPharma

    • Impfstoff: genbasiert mit mRNA
    • Phase III: mit rund 44.000 Probanden in 120 Zentren
    • Wirksamkeit: 95 Prozent
  • mRNA-1273

    von Moderna

    • Impfstoff: genbasiert mit mRNA
    • Phase III: mit 30.000 Probanden in den USA
    • Wirksamkeit: 94,5 Prozent
  • AZD1222

    von Oxford University/AstraZeneca

    • Impfstoff: Vektorimpfstoff auf Basis eines Adenovirus
    • Phase III: 23.000 Probanden in Brasilien und den USA, globale Studien mit rund 60.000 Teilnehmern sind geplant. Zwei Dosen im Abstand von einem Monat
    • Wirksamkeit: 70 Prozent (allerdings ein Durchschnittswert beider Dosen – nach der ersten Dosis lag die Wirksamkeit bei 90 Prozent)

So funktioniert’s:

Bei mRNA-Impfstoffen wird im Grunde nur ein Schnippelchen Erbinformation vom Virus in den Körper eingebracht. Das motiviert unsere Zellen dazu, Virusproteine herzustellen. Unser Körper erkennt dann, dass es einen Eiweißbaustein gibt, der nicht zu uns gehört, und reagiert entsprechend mit einer Immunantwort.

Bei Vektorimpfstoffen passiert im Prinzip Ähnliches. Hier wird allerdings nicht Erbinformation von Sars-CoV-2 in unserer Zellen gebracht, sondern mit einem Hilfsvirus. Auch hier wird ein Protein produziert und das Immunsystem reagiert. Bei Lebend- und Totimpfstoffen wird hingegen ein Virusprotein oder das abgeschwächte Virus zum Impfen verwendet.

Zum Autor

Hans Braun ist Chefredakteur des KOMMUNAL-Magazins.

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