Die EU-Trinkwasserrichtlinie wurde Ende Dezember 2020 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und trat Mitte Jänner in Kraft. Damit kommt ein Dossier zum Abschluss, das Anfang 2018 mit dem Vorschlag der EU-Kommission seinen Lauf genommen hat, eigentlich aber schon 2012 durch die EU-Bürgerinitiative „Right to Water“ angestoßen worden war. Wir erinnern uns: Die Aufregung war groß. Die erweiterten Prüfhäufigkeiten sorgten für einen Aufschrei, der Boulevard sah das Ende der österreichischen Trinkwasserversorgung gekommen.
Ein Ende Jänner 2021 vom Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG) organisiertes Expertenseminar bestätigte die Einschätzung des Gemeindebundes, dass sich das Ergebnis des europäischen Gesetzgebungsprozesses wirklich sehen lassen kann. Die Bedenken der österreichischen Wasserversorger – und mit ihnen der Gemeinden – sind in Brüssel weitgehend berücksichtigt worden und die Experten attestierten der Neufassung der Trinkwasserrichtlinie Praxistauglichkeit.
Auch unter den Teilnehmern des Seminars – weitgehend Praktiker des Wasserfachs – sahen 80 Prozent eine positive Weiterentwicklung des Wasserrechts. Ein derart optimistischer Blick auf das Endergebnis überrascht, wenn man an die Wogen des Jahres 2018 zurückdenkt. Die Diskussion drehte sich um einige wenige neue Elemente. Doch auch diese Neuerungen dürften für die österreichischen Versorger keine allzu große Herausforderung darstellen.
Risikobasierte Ansatz
Positiv hervorgehoben wurde etwa der in der Trinkwasserrichtlinie prominent verankerte risikobasierte Ansatz. Denn obwohl einige Elemente der Risikobewertung in Österreich bereits gelebte Praxis sind und hier keine großen Umbrüche erwartet werden, bedeuten die ganzheitliche Betrachtung verbunden mit dem Risikomanagement aus Expertensicht doch Meilensteine.
Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip – das auch vom Gemeindebund im Gesetzgebungsprozess vielfach eingefordert wurde – verfügen die Mitgliedstaaten über Handlungsspielraum und können sich auf Bereiche und Parameter konzentrieren, wo dies notwendig ist. Im Fall von Grundwasser dürften z.B. die Kennzahlen der behördlichen Überwachung dazu beitragen, bestimmte Parameter von der mehrjährigen Vollprüfung auszunehmen. Insofern könnte der risikobasierte Ansatz den Wasserversorgern sogar beim Sparen helfen.
Die Kommunikation zwischen (Wasser-)Behörden und Versorgern dürfte sich insgesamt verbessern, Meldungen über Einträge etwa sollten in Zukunft nicht mehr den Umweg über die Lebensmittelaufsicht nehmen, sondern direkt erfolgen.
Trinkwasserqualität kann sichergestellt werden
Notwendige Aufbereitungsmaßnahmen können schneller gesetzt und die Qualität des Trinkwassers auf hohem Niveau sichergestellt werden. Genau diese Managementkomponente sei die positive Neuerung, denn nach der Informationserfassung müssen nachvollziehbare Taten folgen. Und zwar nicht nur seitens der Versorger, sondern v.a. durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten.
Auch dies und die klaren Verweise auf die Wasserrahmenrichtlinie sahen die Diskussionsteilnehmer positiv. Beim Problem der landwirtschaftlichen Einträge sieht man vor allem den Bund gefordert, immerhin 20 Prozent der Seminarteilnehmer machen im Bereich ihrer Wasserwerke derzeit von der befristeten Ausnahmeregel für Pestizide Gebrauch. Mit der neuen Trinkwasserrichtlinie sind derart lange Ausnahmen nicht mehr möglich.
Informationspflichten im Fokus
Viele Fragen gab es zu den Informationspflichten, welche die Wasserversorger am meisten zu beschäftigen scheinen. Konsumenten sind in Zukunft u.a. über Qualitätsmerkmale, Preisgestaltung (Liter- und Kubikmeterpreis), Durchschnittsverbrauch, Ergebnisse der Risikobewertung des Versorgungssystems oder Arten der Wasseraufbereitung zu informieren. Große Wasserwerke mit einer Tagesleistung über 10.000 m³ müssen zusätzliche Informationspflichten erfüllen, etwa über die Gesamtleistung des Systems in Bezug auf Effizienz und Verluste und über das Verhältnis zwischen fixen und variablen Kosten.
Von den an der Diskussion beteiligten Experten des ÖVAW wurden die Informationspflichten durchaus als Chance gesehen, es erging auch die Empfehlung an kleine Wasserwerke, besondere Informationspflichten freiwillig zu erfüllen bzw. die Informationen für allfällige Nachfragen bereit zu halten. Die hohe Qualität des österreichischen Leitungswassers sollte der Bevölkerung laufend kommuniziert werden, Qualitäts- und Preisinformationen sollten für Verbraucher einfach zugänglich sein.
Ob über Apps, Websites oder die Rechnung in Papierform bleibt den Versorgern überlassen. Bei mobilen Applikationen wurde aus Sicherheitsgründen jedoch vor kostenlosen Programmen gewarnt.
Preisunterschiede nachvollziehbar machen
Hingewiesen wurde darauf, auch mögliche Preisunterschiede nachvollziehbar zu machen und Apfel-Birnen-Vergleiche zwischen Regionen hintanzuhalten. Topografie und geografische Lage wirken sich wesentlich auf den Wasserpreis aus, was sich etwa anhand der technischen Daten der Versorgungsnetze darstellen lässt.
Alles in allem kann die Neufassung der Trinkwasserrichtlinie als Positivbeispiel dafür dienen, wie erfolgreiche Interessenvertretung funktioniert. Die 2018 so heftig diskutierte Ausweitung der Prüfhäufigkeiten konnte abgewendet werden und selbst die Prüfung neuer Stoffe wurde in der Expertenrunde nur am Rande erwähnt. Für Mikroplastik sind, ehe die Prüfpflicht in Kraft tritt, noch einheitliche Methoden zu entwickeln, die Prüfung hormonell wirksamer Verbindungen entspricht durchaus dem Zeitgeist. Die Parameter der Beobachtungsliste müssen erst 2029 tatsächlich geprüft werden, aus Expertensicht ist bis dahin mit einem signifikanten Rückgang der Prüfkosten zu rechnen.
Für den Gemeindebund ist der Prozess jedoch nicht zur Gänze abgeschlossen, jede Richtlinie muss in nationales Recht umgesetzt werden. Hier wird darauf zu achten sein, Goldplating zu vermeiden und die Kommunikation zwischen Behörden und Wasserversorgern optimal aufzustellen.
-D. FRAISS
Zur Autorin
Daniela Fraiß ist Leiterin des Brüsseler Büros des Österreichischen Gemeindebundes.