Was tun, wenn der Kühlschrank für den Impfstoff ausfällt? Wie funktioniert die Aktualisierung des Impfpasses? Und wie nimmt man älteren Menschen die Angst vor der Spritze? Ein Besuch bei der Teststraße im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs.
In besseren Zeiten wird hinter diesen mittelalterlichen Mauern geheiratet, Jugendliche tanzen hier bei Clubbings. Jetzt sitzt ein alter Mann mit schlohweißem Haar im Foyer des Rothschild-Schlosses im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs und geht mit einer Helferin aus der Gemeinde die letzten Details zur ersten seiner zwei Covid-19-Impfungen durch. Vor ihm am Tisch liegt ein Seniorenhandy mit großen Tasten, in der Hand hält er sein bereits ausgefülltes Anmeldeformular. „Haben Sie besondere Krankheiten?“, fragt ihn die Helferin. Der betagte Impfling verneint. Nur das Übliche: Bluthochdruck, Diabetes. Kein Grund zur Sorge.
Ein paar Minuten später sitzt er bereits in der Wartekoje im kleinen Stadtmuseum. In gläsernen Kästen werden Fundstücke aus der mehr als 1000-jährigen Geschichte Waidhofens ausgestellt. Nun dient der Platz zwischen den einzelnen Vitrinen als Warteraum. „So wird eine gewisse Privatsphäre sichergestellt“, sagt Magistratsdirektor Christian Schneider.
In der Statutarstadt Waidhofen mit etwas mehr als 11.000 Einwohnern unweit der Grenze zu Oberösterreich gibt es derzeit die einzige Impfstraße im Umkreis von gut 30 Kilometern. Vorerst werden sich Menschen aus der ganzen Region in Waidhofen gegen das Coronavirus immunisieren lassen. Derzeit wird hier meist von Freitag bis Sonntag geimpft: Gut 900 Spritzen können an einem verlängerten Wochenende verabreicht werden.
Bürgermeister Werner Krammer ist optimistisch: Bei den über 80-Jährigen sei man weit voran, ebenso bei medizinischen Fachkräften, den Mitarbeitern von Rettungsorganisationen und dem Lehrpersonal. „In drei Monaten könnten wir durch sein“, sagt der Stadtchef.
Noch ist die Zahl der Impflinge im Schloss Waidhofen überschaubar, dementsprechend kurz die Wartezeit. Besonders ältere Menschen seien am Anfang nervös, erzählt Krammer. Umso wichtiger sei es, ihnen gleich zu Beginn allfällige Ängste vor der Impfung zu nehmen. Man versuche beim Empfang, mit kleinen Scherzen die Stimmung zu lockern.
Noch keine Zwischenfälle nach der Corona-Impfung
Völlig unberechtigt sind diese Ängste nicht. Es kann durchaus zu Nebenwirkungen kommen: Vereinzelt wird von Kopfweh berichtet, von Gliederschmerzen und Müdigkeit. Bei AstraZeneca treten diese Beschwerde in der Regel nach der ersten Impfung auf, bei Biontech/Pfizer nach der zweiten. Und es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass Leute kollabieren, nachdem ihnen die Spritze verabreicht wurde. Daher müssen sie im Anschluss noch eine Viertelstunde warten. Für den Fall der Fälle wurden im Eingangsbereich Feldbetten aufgebaut. Noch aber gab es in Waidhofen keinen ernsten Zwischenfall.
Der Ansturm ist bisher überschaubar. Der alte Mann muss nicht lange warten, ehe er an der Reihe ist. Eine Ärztin empfängt ihn und verabreicht die Spritze. In drei Wochen hat er seinen nächsten Termin. Mit einem iPad überträgt die Ärztin alle Informationen direkt an ELGA, die elektronische Gesundheitsakte. Diese Vorgänge sind automatisiert: Beinahe in Echtzeit wird ein elektronischer Impfpass ausgestellt, der lästige Papierkram entfällt.
Ein paar Meter weiter lagert der Impfstoff in einem Kühlschrank, der mit dem Internet verbunden ist. Sollte die Temperatur steigen, wird automatisch eine Meldung verschickt, die fünf Verantwortliche als Push-Nachricht auf ihr Handy geschickt bekommen. Das war erst unlängst der Fall: Die Kühlschranktür war nicht richtig verschlossen. Durch die Automatisierung konnte das Problem behoben werden, ehe der Impfstoff unwirksam wurde. Es gibt auch einen Reservekühlschrank und ein Notstromaggregat.
Freiwillige helfen tatkräftig bei der Impfung mit
Gleichzeitig wird in einem anderen Trakt des Schlosses getestet. Die Atmosphäre ist familiär – Waidhofen ist eine kleine Stadt, in der man einander kennt. Von der Registrierung bis zum Nasenabstrich dauert es keine Viertelstunde, das Ergebnis bekommt man wenig später per SMS aufs Handy.
Möglich werden diese reibungslosen Abläufe nur durch die Mithilfe von Freiwilligen: Der Tester ist unter der Woche Volksschullehrer, ihm steht eine Kindergartenpädagogin zur Seite. „Es ist bei uns gang und gäbe, dass alle mithelfen“, sagt Magistratsdirektor Schneider. Er betont aber auch: Ohne die Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Freizeit opfern, sei der Betrieb von Test- und Impfstraßen undenkbar.
Corona, die größte Herausforderung seit Jahrzehnten, ist nur mit vereinten Kräften zu bewältigen. „Was wir beitragen können, ist, unsere Netzwerke auszuspielen“, sagt Stadtchef Krammer. Und das ist nicht wenig: Die Bürgermeister spielen im Kampf gegen die Pandemie eine Schlüsselrolle.
Eine gute halbe Stunde, nachdem sich der alte Mann mit dem schlohweißen Haar angemeldet hat, kann er das Schloss bereits wieder verlassen. Für ihn hat Covid-19 den Schrecken verloren. Einmal noch impfen, dann kann er seine Enkel wieder bedenkenlos umarmen.
-W. RÖSSLER
Über den Autor
Wolfgang Rössler ist Chefredakteur der Bürgermeisterzeitung.