Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ab 1947, ausgehend von den Briten, freundschaftliche Beziehungen zwischen deutschen und britischen Städten aufgenommen, um Völkerverständigung „von unten“ zu ermöglichen. Österreich beteiligte sich ab den 1950ern daran und österreichische Gemeinden waren unter den ersten, die den Eisernen Vorhang überschritten. Aber das Programm ist nicht stehen geblieben – es hat sich weiterentwickelt.
Gemeindepartnerschaften – Auslaufmodell oder Zukunftshoffnung? Die Antwort auf diese Frage hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Gemeinden, die ungezwungen ein paar gesellige Tage mit Freunden verbringen, dabei Kunst, Kultur und Kulinarik genießen wollen, werden wohl nicht mehr um eine EU-Förderung ansuchen. Zukunftsträchtig ist das neue Förderprogramm aber für jene, die ihre Treffen professionell planen und damit sehr konkrete, auch langfristige Ziele verfolgen.
Partnerschaften und Gemeindenetzwerke
Zuerst ist klarzustellen: Es gibt weiterhin zwei Förderschienen – Gemeindepartnerschaften und Gemeindenetzwerke. Die Anforderungen für Partnerschaften, für die es bis zu 30.000 Euro Förderung gibt, sind etwas geringer als jene für Netzwerke, die keiner Förderobergrenze mehr unterliegen. Gemeinden müssen aber so oder so professionell an die Sache herangehen, das ergibt sich schon aus dem Antragsformular.
Auch wenn der Programmleitfaden kulturellen und sprachlichen Austausch bei Gemeindepartnerschaften als wichtig ansieht, fragt das Antragsformular doch gezielt und immer wieder nach den abgedeckten Prioritäten, EU-Politikbereichen und erwartbaren Ergebnissen. D. h., der einer externen Bewertung unterliegende Antrag muss so eingebracht werden, dass zumindest alle darin gestellten Fragen beantwortet werden.
Besuchsprogramm muss eine europäische Komponente erhalten
Will man in der neuen Förderperiode bis 2027 erfolgreich sein, muss das Besuchsprogramm der Partnergemeinden nicht nur bereits bei Antragstellung bekannt und darstellbar sein, es muss vor allem auch mehrere europäische Komponenten enthalten. Das ist zwar nicht neu – in den letzten 15 Jahren haben sich die Anforderungen kontinuierlich erhöht –, kann aber nicht oft genug betont werden.
Es ist also ein bisschen Kreativität gefordert, wenn man sich die Prioritäten im Überblick ansieht (siehe Kasten unten). In Wahrheit kann man aber auch hier vereinfachen und herunterbrechen, ähnlich wie die SDGs der Vereinten Nationen. Denn letztlich setzen die Gemeinden viele EU-Politikbereiche im lokalen Kontext um, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Der Gemeindebund, die zuständigen Abteilungen in den Ländern oder die Ansprechstelle im Bundeskanzleramt helfen bei Bedarf dabei, Anknüpfungspunkte zu identifizieren. Manchmal kann aber auch schon die Einbeziehung von Jugendgemeinderäten oder eine Kooperation mit Schulen der Schlüssel dafür sein, neue Ansätze zu verfolgen und interessante Projekte zu schmieden. Die Einbeziehung der Jugend ist seit Jahren klares Programmziel und vor allem bei Netzwerken oft integraler Bestandteil. Erfolgreiche Projekte brauchen sowieso einen bunten Bevölkerungsmix, auch einmalige Besuche der Partnergemeinde müssen dieses Kriterium erfüllen und nachweisen.
Kompliziert, aber ertragreich
Bis 2027 stehen für Gemeindepartnerschaften und Gemeindenetzwerke 400 Millionen Euro aus dem EU-Budget zur Verfügung, das Programm wurde signifikant aufgestockt. Während „einfache“ Partnerschaften zwischen zwei oder mehr Gemeinden mit 30.000 Euro Förderung gedeckelt sind, gibt es für Netzwerke keine Obergrenze mehr.
Netzwerke müssen aus mindestens fünf Gemeinden bestehen, sich mehrmals in verschiedenen Ländern treffen und konsequent ein Thema behandeln. Sie eignen sich also hervorragend für Best-practice-Projekte, Experten- und Jugendaustausch. Ihre Laufzeit kann bis zu zwei Jahre betragen. Berechnet werden die Förderungen immer anhand der Gäste.
Partnerschaftstreffen müssen mindestens 50 Personen, davon jedenfalls 25 Gäste umfassen, Netzwerktreffen können auch kleiner sein, müssen dafür häufiger stattfinden. Je mehr Gäste, desto höher die Förderung. Je bunter die Gästeschar, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer positiven Bewertung.
Alle Anträge werden von einer unabhängigen Jury geprüft, Formalfehler sind ein Ausschlusskriterium. Grundsätzlich erkennt das Onlineformular Formfehler aber automatisch, bei rechtzeitigem Beginn der Vorbereitungen gibt es ausreichend Zeit, diese zu beheben. Die Vorarbeiten sind nicht zu unterschätzen, Antragsteller und alle Partner müssen sich elektronisch registrieren und sollten sich über Themen, Aktivitäten und Gruppenzusammensetzung austauschen.
Für die Antragstellung muss man sich auskennen
Man sollte etwa wissen, unter welche der Prioritäten der EU-Kommission eine Partnerschaft am besten subsumiert werden kann und welchem Politikbereich sie im Detail zuzuordnen ist. Als Beispiel sei der Grüne Deal genannt, wo als Domäne unter anderem der Schutz der natürlichen Umwelt und als Politikbereich Biodiversität in Frage kommen.
Genauso gut könnte eine Partnerschaft aber den European Way of Life zelebrieren, sollte dann aber auch eine entsprechende Domäne und einen Politikbereich angeben, die mit den Zielen der gemeinsamen Aktivitäten korrespondieren. Der eigentliche Antrag, der im Rohformat 20 Seiten umfasst und nach dem Ausfüllen als PDF hochzuladen ist, muss sehr genau auf Prioritäten, Bevölkerungsmix und geplante Abläufe eingehen.
Das heißt, auch wenn für Treffen ab 25 Gästen über 5.000 Euro und für Treffen mit 100 Gästen über 15.000 Euro Förderung möglich sind, muss dafür auch geliefert werden. Der ursprüngliche Geist der Gemeindepartnerschaften, wo es um ein friedliches Zusammenkommen und Kennenlernen ohne große Auflagen ging, ist jedenfalls dahin. Auch bei diesem Programm hat eine Professionalisierung Einzug gehalten, die eher den längerfristigen Netzwerken entgegenkommt. Diese sind finanziell wesentlich besser ausgestattet und unterliegen keiner Förderobergrenze. Sie wenden sich an Gemeinden, die langfristige Projekte gemeinsam umsetzen wollen, etwa im Bereich der Jugendarbeit oder bei technischem Best-practice-Austausch.
Jetzt Antrag für 2022 stellen
Für alle Förderungen ist eine Antragsfrist einzuhalten. Dieses Jahr endet sie am 26. August und betrifft vor allem Aktivitäten im Jahr 2022. Rückwirkende Förderungen sind nur in Ausnahmefällen möglich und laut Plan werden die Fördervereinbarungen erst im Dezember unterschrieben. Gemeinden, die jetzt schon wissen, dass im Frühjahr 2022 ein Partnerschaftstreffen geplant ist, dürfen die Frist im August nicht verpassen. Achtung: Für einen durchdachten, professionellen Antrag sollte mindestens eine Woche Arbeit inklusive Kommunikation mit den Partnern veranschlagt werden!
Fazit
Gemeindepartnerschaften werden weiter gefördert, wenn sich Gemeinden klar und dezidiert an der europäischen Debatte beteiligen wollen.
Die Förderung von Netzwerken wird ausgebaut, sie sind die Zukunftshoffnung, die zur Verjüngung beitragen soll. Ohne externe Beratung bzw. sehr hohen Zeitaufwand ist ein Erstantrag wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt. Daher empfiehlt sich im Zweifelsfall Kontaktaufnahme mit beratenden Einrichtungen wie dem Gemeindebund, dem Europe for Citizens Point Austria bzw. der Abteilung IV/3 im Bundeskanzleramt oder den Europaabteilungen der Bundesländer.
Prioritäten im Überblick
Gemeindepartnerschaften:
- Europäisches Erbe, sprachliche und kulturelle Vielfalt
- Europäische Integration im Geiste der Solidarität
- Europäische Zukunftsdebatte
- Covid-19 in den Gemeinden
Gemeindenetzwerke:
- Europäische Grundrechtecharta
- EU-Bürgerschaftsrechte
- Auftreten gegen Diskriminierung und Rassismus
- Einbeziehung von Minderheiten
- Covid-19 in den Gemeinden
-D.FRAISS für kommunal.at
Über die Autorin
Daniela Fraiss ist Leiterin des Brüsseler Büros des Österreichischen Gemeindebunde.