Seit Juli 2021 ist Johannes Pressl neuer Präsident des NÖ Gemeindebundes. Er wurde am 29. Juni 2021 mit 99,5 Prozent von den Delegierten der Landesversammlung gewählt und löst damit nach 20 Jahren Alfred Riedl ab, der weiterhin Präsident des Österreichischen Gemeindebundes bleibt. Pressl ist seit 2005 Bürgermeister der Gemeinde Ardagger und bereits längere Zeit im Gemeindebund aktiv. In einem Interview sprach er über seinen Werdegang und seine Vorhaben für Niederösterreichs Gemeinden.
Wie sind Sie in die Politik gekommen?
Johannes Pressl: Die Liebe hat mich nach Ardagger gezogen. Dort habe ich mich rasch in der Dorferneuerung engagiert. Dadurch wurde man in der ÖVP auf mich aufmerksam und hat mir einen Listenplatz für die Gemeinderatswahl 1995 angeboten. Ich wurde tatsächlich gewählt und war damit in der Gemeindepolitik.
Was war Ihre Motivation?
Ich habe die Dorferneuerung als Möglichkeit gesehen, im Ort etwas zu bewegen. Nach meiner Wahl wurde ich dann auch Umweltgemeinderat und konnte einige Projekte erfolgreich umsetzen. Das hat mich begeistert.
Sie sind studierter Landschaftsplaner, ausgebildeter Unternehmensberater und waren im Regionalmanagement tätig. Welche Erfahrungen, die Sie in Ihrem Beruf gemacht haben, können Sie als Bürgermeister verwerten?
Aus der Landschaftsplanung konnte ich sehr viel mitnehmen, weil das ein Querschnittsstudium ist, in dem es um Raumplanung geht, genauso um Straßen-, Wasser- und Landschaftsbau und wo ich auch viel über Gestaltung und Nutzerbedürfnisse gelernt habe. Das braucht man in der Gemeinde bei fast allen Bauvorhaben, egal ob es um Wegeführungen oder etwa Spielplätze geht. Auch Siedlungsplanung, Grünraumgestaltung oder Hochwasserschutz waren bei meinem Studium wichtige Themen.
Gefehlt hat mir im Studium anfangs die Wirtschaftskompetenz. Das habe ich mit einer Abschlussarbeit in Agrarökonomie und der Ausbildung zum Unternehmensberater nachgeholt. Gerade in der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde hat mir das sehr geholfen. Denn wenn man als Gemeinde investiert, etwa jetzt beim Glasfaserausbau, dann muss sich das auch rechnen. Dieses wirtschaftliche Denken sind wir auch in der öffentlichen Verwaltung den Steuerzahlern schuldig! Auch Mitarbeiter- und Verhandlungsführung waren Teil der Unternehmensberaterausbildung, und das kann man als Bürgermeister natürlich auch bestens anwenden.
Im Regionalmanagement habe ich dann noch „überregionales Denken und Kooperation“ gelernt. Von einem breiten Netzwerk in der Region profitiere ich noch heute. Genauso vom Wissen als Regionalmanager über Finanzierungen, Förderungen und Projektentwicklung.
Auf welche Erfolge als Bürgermeister sind Sie am meisten stolz?
Es gibt da nicht ein bestimmtes Projekt, dass ich hervorheben möchte. Ich fühle mich in der Rolle als Bürgermeister einfach wohl und glaube dass es auch für die Bevölkerung „passt“. Das ist etwas sehr Schönes – nicht nur für mich, sondern auch für das gesamte Team in meiner Gemeinde, dem ich an dieser Stelle von Herzen für die großartige Arbeit und auch für die Unterstützung bei meiner neuen Funktion dankbar bin.
Ardagger ist aufgrund der Lage an der Donau immer wieder durch Hochwasserereignisse betroffen. Wie geht man damit um, wenn man Menschen dazu bringen muss, ihre Häuser zu verlassen?
Bei den Hochwässern 2002 und 2013 mussten jeweils 80 Häuser evakuiert werden. Wichtig ist dabei, dass man, auch wenn wenig Zeit ist, den Betroffenen erklärt, warum die Evakuierung notwendig ist. Gerade in einer Krise ist Wissen und Information das erste was die Menschen brauchen! Schließlich muss man aber auch klarmachen, dass es in einer Gefahrensituation kompromisslos ist, das Haus zu verlassen.
Wir haben in Ardagger übrigens auch dauerhaft Häuser abgesiedelt, Das ist ein langer Prozess, um die Menschen zu überzeugen. Man muss auf das Lebensumfeld und die Bedürfnisse eingehen oder bei älteren Menschen auch denKontakt zu Verwandten und Kindern suchen, um zu überzeugen und neue Möglichkeiten für die Menschen zu finden! Es ist viel Zeit notwendig, um die Entscheidung für eine Abwanderung wachsen zu lassen.
Sie haben einen persönlichen Blog und sind auf Social Media enorm aktiv. Wie nutzen Sie Facebook und Co? Wird das Angebot von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen?
Soziale Medien sind schon auch dazu da, um die eigene Arbeit darzustellen. Das gehört in der Politik dazu und ich habe die neuen Medien anfangs auch vor allem dazu genutzt. Mittlerweile beschränke ich mich aber eher auf die Vermittlung von Informationen. Das war vor allem in der Pandemie sehr wichtig, weil das Informationsbedürfnis der Bevölkerung sehr groß war. Das wurde und wird sehr gut angenommen.
Der Zeitaufwand für Ihre Social-Media-Aktivitäten muss enorm sein. Wann finden Sie die Zeit dazu?
Ich schreibe meistens in der Früh, weil tagsüber kaum Zeit dafür ist.
Wird der NÖ Gemeindebund in Zukunft auch verstärkt auf Social Media präsent sein?
Es gibt bereits einen Blog unter www.meinegemeinde.blog, auf dem wir über aktuelle Geschehnisse berichten. Außerdem ist der NÖ Gemeindebund jetzt auch auf Facebook aktiv.
Was sind Ihre Visionen und Ideen für den NÖ Gemeindebund?
Wichtig ist mir, die Autonomie unserer Gemeinden weiterzuentwickeln. Einerseits in Richtung größtmögliche Eigenverantwortung, die uns aber wiederum den eigenständigen Gestaltungsspielraum sichern soll. Denn da, wo wir zuständig sind, müssen wir immer wieder konsequent Verantwortung übernehmen. Und wo wir die Verantwortung haben, da brauchen wir auch die Ressourcen dazu. Und da möchte ich die Bürgermeisterkollegen unterstützen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sie ihren Job bestmöglich machen können.
Andererseits muss es in Zukunft noch klarere Grenzen geben, wofür die Gemeinden verantwortlich sind und wenn nicht, wo Bund oder Land ihre Verantwortung wahrnehmen müssen. Da gibt es derzeit leider Graubereiche und Überschneidungen.
Ein Beispiel dafür ist der Kindergarten: Die Pädagoginnen werden in Niederösterreich vom Land bezahlt, die Helferinnen von der Gemeinde. Zusätzlich stehen die Gemeinden unter Druck, immer mehr Stützkräfte für Kinder mit besonderen Bedürfnissen beizustellen. Das ist nicht optimal und verursacht immer wieder Interessenskonflikte. Ein Anstellungsträger wäre hier jedenfalls eine bessere Lösung, um damit die Verantwortung zu bündeln und eine klare Kostenstruktur zu schaffen..
Das ist ja bei den Schulen ähnlich …
Bei den Schulen gab es bisher an und für sich eine klare Regelung, dass die Lehrerinnen und Lehrer von Bund und Land bezahlt werden und die Gemeinden für die Erhaltung der Schulen zuständig sind. Nun hat man aber begonnen, mittels eines AMS-Programmes die Einstellung von Assistenzkräften für die Direktoren zu fördern. Das kostet die Gemeinde einige Jahre lang dann zwar nur 300 Euro pro Monat, aber sie übernimmt damit einen Bereich, der letztlich Pädagogik und Schulverwaltung ist. Diese schleichende Aufgabenzuordnung durch die Hintertür darf es im Sinne einer klaren Gemeindeautonomie nicht geben.
Wie kann der NÖ Gemeindebund die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unterstützen?
Wir leben in einer Zeit massiver Veränderungen, etwa was die Digitalisierung, die Klimawende oder die sich daraus ergebenden Änderungen der Mobilität betrifft. Ich möchte die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister dazu anspornen, dass sie aktiv auf diese Dinge zugehen. Das braucht einerseits viel Information über neue Entwicklungen und Möglichkeiten und die möchte ich geben. Es braucht aber noch viel mehr Mut, die Dinge auch anzupacken!
Und das ist natürlich gar nicht einfach. Es wird aber einfacher, wenn sich die Bürgermeister darüber auch gut abstimmen und in einer Region auch bei Neuerungen und Veränderungen mit einer Stimme sprechen! Diese Abstimmungsprozesse und Kooperationen möchte ich unterstützen, weil sie für den Einzelnen hilfreich sein können!
Welches Projekt wollen Sie als Präsident als erstes angehen?
Ich bin derzeit in allen 20 Bezirken des Landes unterwegs, um mit den Gemeindevertretern meine Ideen zu diskutieren und mir anzuhören, welche Probleme es im Einzelnen gibt. Darauf aufbauend möchte ich gemeinsam mit unseren Bezirksbobleuten wiederkehrende Bürgermeister-Stammtischrunden in den 20 Bezirken einrichten. Die sollen immer wieder die Gelegenheit bieten, sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen.
Niederösterreich ist neben dem Burgenland das einzige Bundesland, in dem es zwei Gemeindevertreterverbände gibt. Ist die Trennung zwischen einem VP- und einem SP-Verband noch zeitgemäß?
Wir haben ein sehr gutes Einvernehmen miteinander und auf weiten Strecken gleiche Interessen. Wir haben aber auch in manchen Bereichen andere Grundeinstellungen. Das finde ich spannend, und ich würde diese Unterschiedlichkeiten auch nicht missen wollen.
Das gute Miteinander, das wir in den beiden Verbänden niederösterreichweit vorleben, soll auch auf die Gemeindeebene abfärben und ein Vorbild für die lokale Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Gemeinderatsfraktionen sein.
-REDAKTION (Quelle: KOMMUNAL)