Die kommunalen Leistungen der Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Abfallentsorgung sind über Gebühren oder Entgelte zu finanzieren. Ein Blick auf die Praxis.
Zu beachten ist, dass die Gebührenobergrenze – gemäß § 17 Abs. 3 Z 4 FAG idgF – mit dem doppelten Jahreserfordernis festgelegt ist. Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof in seinen Entscheidungen zum „doppelten Jahreserfordernis“ mehrfach ausgeführt, dass davon nur dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn die damit verbundene Ausschöpfung mit der betreffenden Einrichtung in einem inneren Zusammenhang steht.
Was bedeutet dies in der Praxis für die Gebührenkalkulation und wie geht man bei der Ermittlung des Jahreserfordernisses vor?
Ermittlung des Jahreserfordernisses
In einem ersten Schritt ist das „einfache Jahreserfordernis (100 Prozent)“ zu ermitteln, das sich aus den gesamten betriebswirtschaftlichen Jahreskosten, die der jeweiligen betrachteten Einrichtung zuzurechnen sind, zusammensetzt. Zur Ermittlung des einfachen Jahreserfordernisses ist daher eine Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) – als Vollkostenrechnung – zu erstellen, die sich von der Ergebnisrechnung nach der VRV 2015 aus der Finanzbuchhaltung unterscheidet.
Die KLR baut auf den Aufwendungen des kommunalen Rechnungswesens auf, die in Kosten überzuleiten sind (Kostenüberleitung). Ein Teil der verbuchten Aufwendungen aus dem kommunalen Rechnungswesen stellt kostengleiche Aufwendungen dar, die unverändert als Kosten übernommen werden. Der Rest der verbuchten Aufwendungen ist anzupassen (Herausnahme der Anderskosten) bzw. zu ergänzen (Hinzurechnung der Zusatzkosten).
Die häufigsten Abweichungen vom kommunalen Rechnungswesen beziehen sich auf folgende Positionen:
Die verbuchten internen Leistungsverrechnungen sind zu evaluieren und allfällig zu ermitteln.
Prüfen, ob operative Leistungen in der KLR berücksichtigt werden
Zu prüfen ist weiters, ob sämtliche operative Leistungen, die durch einzelne Abteilungen einer Gemeinde direkt oder indirekt erbracht werden – z. B. durch ihre Wirtschaftshöfe, Forstabteilungen, Straßenbauabteilungen – in entsprechender Höhe inklusive der anteiligen AfA der mitgenutzten Wirtschaftsgüter in der KLR bereits berücksichtigt werden.
Da sich die KLR zur Ermittlung der Jahreskosten an den tatsächlichen technischen und wirtschaftlichen Verhältnissen orientiert, sind die Werte für die Anlagenabschreibung über eine separat geführte Anlagenbuchhaltung anzupassen.
Instandsetzungskosten evaluieren
Zu evaluieren ist weiters, ob die verbuchten Instandhaltungen auch Teile von Instandsetzungskosten umfassen, die zu aktivieren und über die AfA aufzulösen sind. In diesem Zusammenhang sind auch die Instandhaltungsaufwendungen der Vergangenheit zu durchforsten und gegebenenfalls ins Anlageverzeichnis aufzunehmen.
Sämtliche erhaltenen Förderungen und Beiträge (zum Beispiel Interessentenbeiträge) sind zu erfassen, damit deren Auflösung über die Nutzungsdauer die Jahreskosten reduziert.
Für die KLR sind neben den Fremdkapitalzinsen insbesondere auch Eigenkapitalzinsen anzusetzen, da die Ermittlung der kalkulatorischen Anlagenabschreibung auf dem Prinzip der Anschaffungskosten aufbaut. Als Zinssatz für die Ermittlung der Eigenkapitalzinsen kann ein Durchschnitt der Emissionsrenditen von österreichischen Bundesanleihen der letzten 25 Jahre herangezogen werden. Für das Jahr 2020 liegt dieser Durchschnittszinssatz bei 3,06 Prozent.
Auch kalkulatorische Wagnisse können bei der Ermittlung des einfachen Jahreserfordernisses angesetzt werden, sofern spezifische Risiken und Vorsorgen nicht schon bereits als Dotierung von Rückstellungen entsprechend angesetzt werden oder über Versicherungen gedeckt sind.
Zu den Erlösen zählen alle finanzierungswirksamen Erträge des kommunalen Rechnungswesens.
Kostendeckungsgrad ermitteln
In einem zweiten Schritt sind den ermittelten Gesamtkosten die Erlöse gegenüberzustellen und es ist der Kostendeckungsgrad zu ermitteln. In einem weiteren Schritt ist die Sicherstellung der Liquidität zu prüfen.
Unabhängig vom ermittelten Kostendeckungsgrad ist sicherzustellen, dass über die Gebühren der jährliche Liquiditätsbedarf der Einrichtung (primär laufende Auszahlungen der operativen Gebarung zuzüglich der Darlehenstilgungen) bedeckt werden kann (Gebührenuntergrenze).
In einem vierten Schritt sind die Kosten-/Gebührendeckungsgrade über einen längeren Zeitraum zu betrachten.
Bei längerfristigen Unterdeckungen sind die Gebühren anzuheben, bei Überdeckungen ist zu prüfen, ob die Gebührenobergrenze überschritten wird (200 Prozent Kostendeckung).
Liegen die Erlöse über dem einfachen Jahreserfordernis (>100 Prozent) und verbleiben die überschüssigen Mittel im Gebührenhaushalt – um beispielsweise Darlehen vorzeitig zu tilgen, Rücklagen zur Finanzierung von zukünftigen Investitionen aufzubauen oder sonstige Aufwendungen im inneren Zusammenhang zu finanzieren –, so ist eine Überdeckung aus Sicht der Gebührenkalkulation begründbar.
Werden hingegen Überschüsse einem Gebührenhaushalt entzogen, dann kann dies nur dann erfolgen, sofern ein Grund für deren anderweitige Verwendung vorliegt (z. B. bei Vergabe von inneren Darlehen, die wieder zurückgeführt werden).
Gebührenmodell festlegen
Ein wichtiger Schritt ist die Festlegung des jeweiligen Gebührenmodells. Neben der Ermittlung der Jahreskosten, die über die Gebühren zu bedecken sind, ist ein für die Gemeinde geeignetes und akzeptiertes Gebührenmodell festzulegen, nach dem die Gesamtgebühren auf die einzelnen Gebührenpflichtigen umzulegen sind. Dazu gibt es teilweise konkrete länderspezifische Vorgaben und unterschiedlichste Modellmöglichkeiten.
– M. BOGENSBERGER
Über die Autorin
Maria Bogensberger ist Vizepräsidentin des Österreichischer Wasser- und Abfallwirtschaftsverbandes (ÖWAV) und Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Quantum GmbH.