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Bundesländer

19.08.2019

„Stirbt der ländliche Raum?“

Über Chancen und Herausforderungen des ländlichen Raums diskutierten im Juni 2019 Expert/innen der Donau-Uni Krems. Ein Fazit: Landflucht soll durch Digitalisierung und den Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes entgegengesteuert werden.

Laut Statistik Austria sind in den vergangenen zehn Jahren vier von zehn österreichischen Gemeinden geschrumpft. Das deutet auf einen Trend zu verstärkter Urbanisierung hin. Über die Frage nach dem politischen Umgang mit den unterschiedlichen Bedingungen in kleinen Gemeinden und deren Chancen und Herausforderungen wurde bei dem Faculty Talk „Stirbt der ländliche Raum?“ im Juni 2019 diskutiert. Das Gespräch wurde an der Donau-Uni Krems von Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier und NÖ-Gemeindebund Vizepräsident und Bürgermeister DI Johannes Pressl geleitet. Politikwissenschafterin Dr.in Andrea Tony Hermann stellte Daten und Zahlen zur Entwicklung der Gemeinden vor.

Das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist in östlichen Gemeinden wesentlich höher als in westlichen.

Landflucht und Überalterung

Zentrale Herausforderungen kleiner Gemeinden sind Überalterung, Landflucht und mangelhafte Infrastruktur. Es machen sich wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Durchschnittsalters und Bildungsgrades zwischen Städten und ländlichen Regionen bemerkbar. Besonders im Osten Österreichs finden sich viele Gemeinden mit einem Durchschnittsalter von 47,5 Jahren und mehr. Der Anteil der Bevölkerung mit Hochschul- oder Akademieabschluss ist in den Städten und deren Umgebung am höchsten.

„Häufig werden als Ursachen der Mangel an Arbeitsplätzen, mangelhafte Infrastruktur und Anbindung an Zentren oder fehlende Bildungsangebote genannt“, erläutert Hermann. Konkret problematisch werden verstärkte Abwanderung und Überalterung für Gemeinden vielerorts durch den resultierenden Rückbau der Infrastruktur, dem Verschwinden von Nahversorgungsmöglichkeiten und dem Absiedeln von medizinischen Fachkräften. Der Schwund an Einwohner/innen bedeutet auch weniger Budget und weniger Investitionsmöglichkeiten für neue Projekte.

In Wien und Umgebung ist die Zuwanderungsbilanz am höchstens.

Ost-West-Gefälle besteht

Nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern auch zwischen Ost und West sind große Unterschiede bemerkbar. Das Bruttoregionalprodukt differiert zwischen West- und Ostösterreich und zwischen Stadtumland und peripheren Regionen stark. Im Wein- und Mühlviertel sowie im Südburgenland liegt das Bruttoregionalprodukt weit unter dem österreichweiten Durchschnitt, während es in Vorarlberg auch in ländlichen Bezirken überdurchschnittlich hoch liegt. Die Gründe dafür variieren, ein Faktor ist aber der vermehrte Tourismus im Westen Österreichs.

Potenziale in Gemeindekooperationen

Neben den klassischen Problemstellungen im ländlichen Raum wie Abwanderung, Strukturschwäche und mangelhafte Daseinsvorsorge tun sich auch neue Herausforderungen auf. Dazu zählen etwa die Bereitstellung von Kinderbetreuung für Alleinerziehende, Integration und auch Leerstandsmanagement.

Als erfolgreichen Lösungsvorschlag nannten die Expert/innen Gemeindekooperationen, besonders in den Bereichen Betreuung und Bildung. Die Zusammenarbeit mit Nachbarorten soll kleinen Gemeinden mit limitiertem Budget dabei helfen Projekte umzusetzen, die alleine schwerer zu bewältigen wären. „Denkbar wäre beispielsweise die gemeinsame Finanzierung von Bussen, von Kinderbetreuungseinrichtungen oder die Zusammenlegung von Schulen“, empfiehlt Politikwissenschafterin Hermann.

Das Bruttoregionalprodukt liegt in Vorarlberg und Westtirol weit über dem Österreichdurchschnitt.

Digitalisierung bietet Chancen

Großes Thema sind auch die  Entwicklungspotenziale von digitalen Infrastrukturen, vor allem im Gesundheitsbereich. Breitbandinfrastruktur ist für Unternehmen sowie deren Ansiedlung oder die Verhinderung von deren Abwanderung sehr relevant. Laut Hermann bietet die Digitalisierung des ländlichen Raums vielfältige Möglichkeiten, beispielsweise in den Bereichen Gemeindeverwaltung, Bürger/innen-Beteiligung, Nahversorgung, Mobilität und Pflege.

„Als konkrete Beispiele können digitale Bürgerservices, digitale Vermarktungsplattformen für Regionalprodukte, verkehrsmittelübergreifende Mobilitätsplattformen, E-Learning Möglichkeiten oder die digitale Vernetzung von ärztlichen und pflegerischen Diensten mit Betroffenen genannt werden“, so die Expertin. Auch in der Etablierung solcher elektronischen Tools empfiehlt sie die Kooperation mit Nachbargemeinden.

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